Guantanamo-Häftlinge: 9/11-Attentäter stimmen Deal zu

Noch immer sind die 9/11-Drahtzieher in den USA nicht verurteilt. Durch einen vorgerichtlichen Deal könnten sie jetzt der Todesstrafe entgehen.

Manhattan nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Die Täter sind noch immer nicht verurteilt Foto: Kathy Willens/ap

WASHINGTON taz | Die US-Militärkommission im kubanischen Guantanamo hat sich mit drei mutmaßlichen Terroristen, die laut Anklage zu den Architekten der Anschläge vom 11. September 2001 gehören sollen, auf einen Deal geeinigt, der nach langjährigen Verzögerungen endlich zu einem Urteil führen könnte. Dies gab das US-Verteidigungsministerium am Mittwoch offiziell bekannt.

In der Stellungnahme aus dem Pentagon hieß es, dass die Militärkommission mit Khalid Shaikh Mohammed, Walid Muhammad Salih Mubarak Bin 'Attash und Mustafa Ahmed Adam al-Hawsawi vorgerichtliche Vereinbarungen getroffen habe. Die genauen Bedingungen dieser vorgerichtlichen Vereinbarungen wurden dabei nicht veröffentlicht.

Laut US-Medienberichten soll es sich bei den Vereinbarungen jedoch um Schuldeingeständnisse der Angeklagten handeln, im Gegenzug für lebenslange Freiheitsstrafen. Eine mögliche Todesstrafe sei somit vom Tisch. Die Einigung auf ein vorgerichtliches Abkommen ist eine weitere Wendung in einem Fall, der über Jahre hinweg die Ausdauer mehrere US-Regierungen, der Angeklagten selbst sowie der Familienangehörigen der Opfer stark strapaziert hat.

Seit 2006 in Guantanamo inhaftiert

Die drei Angeklagten befinden sich seit 2006 im Gefangenenlager auf dem US-Militärstützpunkt Guantanamo Bay. Sie wurden zusammen mit zwei weiteren angeblichen Al-Qaida Terroristen, Ali Abdul Aziz Ali und Ramzi Binalshibh, 2008 zum ersten Mal angeklagt. Eine zweite Anklage folgte dann 2012. Doch unzählige Gerichtsverfahren haben den Prozessbeginn immer wieder verzögert. Auch fast 23 Jahre nach den tödlichen Anschlägen des 11. September gibt es weiterhin keinen genauen Prozesstermin.

Allen fünf Angeklagten wird vorgeworfen, für den Tod von knapp 3.000 Menschen verantwortlich zu sein. Diese kamen bei den Anschlägen auf das World Trade Center in New York, das Pentagon vor den Toren Washingtons und bei einem Flugzeugabsturz in Pennsylvania ums Leben.

Biden an aktuellen Verhandlungen nicht beteiligt

US-Präsident Joe Biden lehnte im vergangenen Jahr einen möglichen Deal mit allen fünf Angeklagten ab. Er und US-Verteidigungsminister Lloyd Austin waren sich einig, dass die Forderungen der Häftlinge zu weit gingen. Ein Sprecher des National-Sicherheitsrates erklärte gegenüber TAZ, dass Biden in die Verhandlungen zum aktuellen Deal mit drei der fünf Angeklagten nicht involviert war.

„Das Weiße Haus erfuhr heute, dass die Convening Authority for Military Commissions mit [Khalid Shaikh Mohammad] und anderen Angeklagten des 11. September vorgerichtliche Vereinbarungen getroffen hat, die von Militärstaatsanwälten ausgehandelt wurden. Der Präsident und das Weiße Haus spielten bei diesem Prozess keine Rolle. Der Präsident hat sein Team angewiesen, sich in dieser Angelegenheit gegebenenfalls mit Beamten und Anwälten des Verteidigungsministeriums zu beraten“, sagte der Sprecher.

Angehörige der Opfer gegen Aussetzung der Todesstrafe

Vor allem die Familienangehörigen der Opfer des 11. Septembers und Republikaner haben sich in der Vergangenheit vehement gegen eine mögliche Vereinbarung ausgesprochen, bei der die Todesstrafe ausgesetzt werden sollte. Der texanische Senator Ted Cruz erklärte gegenüber Fox News im vergangenen Jahr: „Ich habe Druck auf das Verteidigungsministerium ausgeübt und die Regierung aufgefordert, die Todesstrafe für diese Monster zu unterstützen.“

Scott Roehm ist Direktor für globale Politik und Interessenvertretung am Center for Victims of Torture (Zentrum für Folteropfer) erklärte im Gespräch mit TAZ allerdings, dass dies aufgrund der Folter, die die Beschuldigten während ihrer Zeit in amerikanischer Gefangenschaft erfahren haben, fast unmöglich sei. „Die Vorstellung, dass Männer, die von der US-Regierung drei Jahre lang gefoltert wurden, zu Tode verurteilt werden könnten und dass dies vor einem US-Bundesgericht Bestand hätte, halte ich für einfach unrealistisch.“

Vor seiner Ankunft in Guantanamo wurde Khalid Shaikh Mohammed, der laut US-Regierung der Drahtzieher hinter den Anschlägen des 11. September war, in CIA-Gewahrsam 183-mal dem Waterboarding unterzogen worden. Auch anderer Formen der Folter seien zum Einsatz gekommen.

Michael Burke, der seinen Bruder Billy beim Einsturz des Nordturms des World Trade Centers verloren hat, erklärte, dass es eine „Schande“ sei, dass es auch mehr als zwei Jahrzehnte nach den Anschlägen noch immer keine Gerechtigkeit gebe.

„Ich glaube, die Leute wären schockiert, wenn man in der Zeit zurückgehen und den Leuten, die gerade zugesehen haben, wie die Türme einstürzten, sagen könnte: ‚Oh, hey, in 23 Jahren werden diese Typen, die für dieses Verbrechen verantwortlich sind, einen Deal aushandeln, damit sie dem Tod entgehen und eine lebenslange Gefängnisstrafe verbüßen können‘“, sagte er im Interview mit Associated Press.

Einzelheiten zum Deal noch nicht öffentlich

Wann die Details der Vereinbarungen öffentlich gemacht werden, ist unbekannt. Die New York Times berichtet, dass die drei Angeklagten bereits nächste Woche ihr Schuldbekenntnis vor der Militärkommission abgeben könnten.

Insgesamt sind in Guantanamo, dem umstrittenen US-Gefangenenlagen auf Kuba, noch immer knapp 30 Personen inhaftiert. Bemühungen das Gefangenenlager zu schließen, wurden über die Jahre immer wieder blockiert.

Roehm sagte noch vor dem Deal am Mittwoch, dass, sollte es Biden gelingen, die Hintermänner des Anschlages während seiner Amtszeit zu verurteilen, dies ein großer Erfolg für ihn wäre. Die Zeichen dafür stehen nun gut. „Es wäre eine Gelegenheit für den Präsidenten, vor ein Podium zu treten und zu sagen: ‚Ich bin derjenige, der es geschafft hat, für den 11. September endlich Gerechtigkeit zu erlangen.‘“

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