Frauen und Obst: Einfach zum Reinbeißen!
Erdbeerwoche, Orangenhaut, Pfirsichpo: Wer Frauenkörper mit Obst gleichsetzt, soll bitte auf Hornissen beißen.
Mit den Erdbeeren fing alles an. In der Schule benutzten wir das unerträgliche Wort „Erdbeerwochen“ untereinander, um nicht sagen zu müssen, dass wir gerade menstruierten. Weil – na klar – die Beeren rot sind wie das Blut.
Erdbeeren sind aber auch klein, süß und lecker. Genauso wollten auch wir wahrgenommen werden. Absurd, dass wir meinten, dafür ausgerechnet unsere Regelblutungen verniedlichen zu müssen, denn die kamen nicht selten mit Schmerzen und grenzenloser Erschöpfung.
Die Erdbeerwochen sind nicht der einzige schräge Vergleich einer Obstsorte mit dem weiblichen Körper und seinen Prozessen. Auch Pfirsiche, Äpfel, Birnen und Melonen müssen ständig für solche Metaphern herhalten.
Manche Obstvergleiche können als Kompliment gemeint sein, zum Beispiel wenn man jemandem Aprikosenhaut bescheinigt. Aber sie können den Frauenkörper auch abwerten, vermeintliche „Problemzonen“ beschreiben, wie die Orangenhaut.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Besonders beliebt sind Obstbilder, wenn es um Sexualorgane geht: Brüste werden je nach Größe als Kirschen, Pfirsiche oder Melonen bezeichnet. Wenn nach einem Symbol für eine Vulva gesucht wird, greifen Grafiker*innen auf der ganzen Welt zu Bildern von halbierten Grapefruits oder Papayas.
Äpfel mit Birnen vergleichen? Das geht, wenn Frauenkörper beschrieben werden. Ein Birnenpopo ist in dieser Bildsprache schlecht, deshalb heißt es trainieren, bis der Hintern knackig und rund wie ein Apfel ist. Aber nicht jeder Apfelvergleich ist gleichermaßen erstrebenswert: Wer eine sogenannte Apfelfigur hat, sollte das laut angeblichen Stilexpert*innen mit der Kleidung möglichst kaschieren.
Männer sind Gemüse
Für Männerkörper gibt es kaum Obstvergleiche. Kein Wunder, denn über sie wird insgesamt seltener gesprochen und geurteilt. Wenn, dann werden sie eher mal mit Gemüse in Verbindung gebracht, es gibt abwertende Lauch- oder Spargelvergleiche. Als Phallussymbol in der internationalen Emoji-Sprache hat sich die Aubergine gegen die Banane durchgesetzt, vielleicht, weil sie etwas fester ist.
Warum sind Frauen Obst und Männer Gemüse? Die Antwort liegt, wie so oft, in uralten Klischees: Männer sollen hart und Frauen weich sein. Gemüse ist männlich, also robuster, faseriger, vorm Verzehr muss man es oft kochen. Obst ist dafür weiblich, soft und süß. Einfach zum Reinbeißen! Altern sollte es nicht, denn dann wäre es womöglich nicht mehr appetitlich.
Wer Frauenkörper mit Obst vergleicht, verdient es, beim Kirschenessen auf eine Hornisse zu beißen. Denn diese Vergleiche sind mindestens unbedacht, eher aber frauenfeindlich. Fast immer dienen sie dazu, Frauenkörper zu bewerten. Oder sie verhindern, dass wir normale Vorgänge klar benennen und minimieren damit echte Probleme wie starke Regelschmerzen. Vor allem reproduzieren sie Ansprüche an Frauenkörper, die wir aus unserem Denken und unserer Sprache verbannen sollten: Konsumierbar sein, niemals bedrohlich, bitte immer lieblich und frisch.
Der Begriff Erdbeerwoche begegnet mir inzwischen nur noch selten, denn meine Freund*innen und ich sind dazu übergegangen, direkte Sprache zu benutzen: „Ich habe meine Periode“ – „Ich blute wie aufgestochen“ – „Aua, mein Uterus!“, sagen wir jetzt.
Gemüsevergleiche wie die Rote-Bete-Woche oder Spitzkohlbrüste wären übrigens nur marginal besser. Das Gute ist, man braucht sie nicht. Denn zum Glück kann man das wertende Sprechen über Körper immer auch ganz sein lassen.
Leser*innenkommentare
Lowandorder
“Alles rot“ oder “Alles weiß“ - italienische Vario
🍎🍎 🍑 🍑 🍌 etc
Das ist schon sprachtheoretisch - nix gleichgesetzt! Newahr
Sondern die Artikulation einer Reminszenz - einer Erinnerung! Gelle
Umleitung - Dege laß gehn -
Es ist Samstag nachmittag,
es ist still, es riecht nach Korn und Mist.
Und die Kirchentür steht offen, und dann merkst du, dasses noch genau wie früher ist,
als man dich so wie ein Nutztier hielt,
nur Samstagnachmittag, da warst du frei,
erst um acht begann der Film, doch
vor dem Kino stands du schon um drei …
Die Benzinzapfstelle. Und da schellst du.
Und da kommt was. Du stehst starr, mit offnem Mund: Lange schwarze Haare, Äpfel, Pflaumenhintern,
und du siehst in ihre Augen, und
die träumen von der großen Stadt,
von der Stadt, von der Stadt.…
"Den Kanister", sagst du, "bitte voll", sie lächelt,
"Super", fragt sie, "oder einfach", du sagst "Ja".
"Es ist heiß hier", sagst du, "Och, es geht noch",
sagt sie. Ihre Eltern waren nicht da.
"Nimm mich mit", hat sie gesagt. Gewitterhagel
schlug die Fensterscheiben raus.…
Eine Ehrenrunde drehst du, winkst noch einmal
und glaubst wirklich, dass du sie nicht mehr vergisst.…
wunderbar beobachtet von Dege!
Normal 🍑
Altunddesillusioniert
Interessanterweise kann schon der Biss eines einzigen Pferdes ausreichen, um ein Hornisse zu töten !
Und jeder weiß ja, die Geschichte der Menstruation ist voller Mißverständnisse.
Vielen Dank für die Aufklärung, habe jetzt verstanden, warum Obstvergleiche, wie, du hast die Haut eines sechzehnjährigen Pfirsichs, nicht gut ankommen.
rero
Die frauenfeindlichen Hornissenbeißerinnen dürften aber nahezu ausschließlich weiblich sein.
Begriffe, wie "Orangenhaut" oder "Pfirsichpo", und deren Bedeutung lernen junge oder jugendliche Männer von Frauen.
Die Einstiegsstory mit den Erdbeerwochen als Bezeichnung unter Mädchen ist typisch.
Wenn Männer Frauen bewerten, hört sich das üblicherweise anders an.
Obstvergleiche sind da nicht so verbreitet.
Trabantus
Schon mal dran gedacht, dass neben dem Gebrauch als Kompliment, wie z.B. Aprikosen- bzw. Pfirsichhaut, die Verwendung des Begriffes Orangenhaut dazu dient, dass wahre Bild der Hautveränderung bei Frauen lediglich wohlwollend bildhaft zu umschreiben?
Ich weiß nicht, von welchem Geschlecht der Begriff eingeführt wurde. Sollte es jedoch ein Mann gewesen sein, zeugt das für mich von großer Hochachtung für die Gefühle der Frauen, ebenso wie die als Kompliment benutzen Bilder. Apropos bildhaft.
Rubens´s Gemälde sind diesbezüglich von besonders ehrlicher und konfrontierender Dramatik. ;-)