Stefanie Wagner über Menstruation: „Mehr übers Frausein sprechen“

Der weltweit erste Menstruationsladen ist in Ansbach. Stefanie Wagner – für die Periode selbst lange ein schambehaftetes Thema war – hat ihn eröffnet.

Stefanie Wagner in ihrem Menstruationsladen in Ansbach

„Viele haben gesagt, du kannst den Laden nicht so nennen …“: Stefanie Wagner in ihrem Menstruationsladen Foto: Stefanie Unbehauen

wochentaz: Frau Wagner, vor rund vier Jahren haben Sie den weltweit ersten Menstruationsladen eröffnet. Wieso gerade in Ansbach?

Stefanie Wagner: Gute Frage. (lacht) Ich habe mir damals oft überlegt, soll ich das jetzt wirklich hier machen oder nicht doch lieber in einer Großstadt wie München oder Berlin? Aber da ich selbst in Ansbach geboren bin und hier einen passenden Laden gefunden habe, ging ich das Risiko ein.

Haben sich damals eigentlich bei der Eröffnung die Medien darauf gestürzt? Schließlich war der Laden doch einzigartig.

Nein, gar nicht. (lacht) Zumindest erst mal nicht. Die Eröffnung war im Juni 2019, der erste Bericht kam im Januar. Daraufhin folgten dann einige Beiträge in Fernsehen und Zeitungen. Die örtliche Zeitung der Stadt war vergangenes Jahr persönlich zum ersten Mal da. Nach vier Jahren!

Der Mensch

Stefanie Wagner, 41, ist in Ansbach geboren. Sie arbeitete 15 Jahre lang als Einzelhandelskauffrau. Seit 2011 führt sie ihren Onlineshop Almo, was für „alternative Monatshygiene“ steht, im Sommer 2019 hat sie den weltweit ersten Menstruationsladen in Ansbach eröffnet. 2023 folgte ein zweiter Laden im nahen Gunzenhausen.

Die Menstruation

Die Periode ist ein Milliardenmarkt. Eine menstruierende Person hat im Durchschnitt 500-mal im Leben ihre Tage. Laut Schätzungen gibt sie im Laufe ihres Lebens um die 17.000 Euro für ihre Periode aus. Seit 2022 werden in Schottland kostenlose Perioden­produkte in Schulen und städtischen Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Damit ist das Land weltweit ein Vorbild, dem auch in Deutschland einige Kommunen mit Pilotprojekten folgen.

Wie darf man sich die Kund*innen, die in Ihren Laden kommen, vorstellen?

Es kommt häufig vor, dass sich Mütter von mir beraten lassen. Sie wollen gut vorbereitet sein, wenn ihre Töchter zum ersten Mal ihre Monatsblutung bekommen. Auf junge Mädchen kommt mit Beginn der Pubertät und Periode viel Neues zu. Da ist es besser, sich schon vorher mit Binden vertraut zu machen. Aber auch Paare besuchen meinen Laden und natürlich Frauen selbst. Genauso kommen auch Frauen jenseits der Blutungszeit und kaufen Slipeinlagen für jeden Tag oder eine schwache Blase. Mal schleppt die Tochter die Mutter rein und mal schleppt die Mutter die Tochter in den Laden.

Mit welchen Problemen und Bedürfnissen kommen die Kun­d*in­nen?

Ein Problem, das ich häufig beobachte: Viele Frauen haben keine Vorstellung, welche Blutung normal ist. Und dass Schmerzen eben nicht normal sind. Die Periode ist für jeden sehr individuell.

Auch das Angebot Ihres Ladens ist sehr individuell. Was gibt es neben Binden noch?

Neben Stoffbinden und Periodenunterwäsche verkaufe ich auch silikonfreie sowie herkömmliche Kondome, ätherische Öle und Menstruationstassen. Gerade bei Kondomen finde ich es wichtig, dass sie auch silikonfrei angeboten werden. Ich meine, selbst bei Haarshampoos achtet man heutzutage darauf, dass sie silikonfrei sind, aber bei Kondomen nicht? Ich verkaufe in meinem Laden zudem Bücher über den weiblichen Zyklus. Zur Aufklärung von Kindern habe ich das Buch „Mut zum Blut“.

Was kosten die Binden in Ihrem Geschäft?

Eine Binde kostet zwischen 13,90 und 22,90 Euro. Das klingt erst mal nach viel, aber Tampons und Plastikbinden kosten aufs Leben hochgerechnet deutlich mehr. Stammkunden habe ich aus einem einfachen Grund keine: Wer einmal ausgestattet ist, braucht für längere Zeit nichts mehr. Die Binden können bis zu zehn Jahre halten.

Was verkauft sich am besten?

Ganz klar: Stoffbinden und Perio­den­unterwäsche. Menstruationstassen hin­gegen verkaufen sich kaum.

Woran könnte das liegen?

Ich glaube, dass viele Frauen gar keine eingeführten Produkte möchten. Dass Tampons so beliebt sind, ist meiner Meinung nach ein Stück weit durch die Werbung geprägt. Die Realität sieht dann doch anders aus. Hier in meinem Laden kommen viele Frauen zu mir, die sagen, der Tampon drücke, sie haben Schmerzen. Da aber niemand darüber redet, wird es einfach ausgehalten. Die meisten Frauen denken, sie sind mit ihren Problemen allein. Erst wenn eine sagt, ich habe Schmerzen durch Tampons oder ich blute sehr stark, trauen sich andere zu sagen: Das habe ich auch. Viele haben Angst, dass es nur ihnen so gehe, dass sie nicht normal seien. Das Einzige, was hilft, ist darüber zu reden. Wir müssen endlich anfangen, mehr übers Frausein zu sprechen.

Aufklärung über die Menstruation scheint Ihnen sehr wichtig zu sein.

Auf jeden Fall. Ich meine: Wir bluten ungefähr sechs Jahre unseres Lebens. Wieso ist Menstruation immer noch ein Tabu? Die gesellschaftliche Debatte hat sich in den letzten Jahren zum Glück schon weiterentwickelt. Frauen wollen sich nicht länger verstecken.

Das klingt so, als hätte Ihr Laden einen Nerv getroffen. Gab es auch Kritik?

Ich habe zunächst viel positive Resonanz bekommen, aber nicht nur. Kurz nach Eröffnung gab es einen unschönen Vorfall. Eine Passantin schrie: „Menstruationsladen? Ich kotz gleich!“ Ich war schockiert. Heute sehe ich den Vorfall gelassener. Manchmal hätte ich wirklich gerne eine Kamera vor meinem Laden, die die Reaktionen filmt beim Lesen des Worts Menstruationsladen. (lacht)

Sind es eher Frauen oder Männer, von denen Sie negative Kommentare erhalten?

Leider sind es tatsächlich meistens Frauen, gerade in den sozialen Medien. Das finde ich sehr schade. Männer hingegen sind sehr interessiert und offen, lassen sich häufig von mir beraten, um ihre Partnerin zu unterstützen. Es ist immer wieder dasselbe Szenario: Die Frauen trauen sich nicht so recht und zögern, die Männer bestärken sie darin, sich einfach mal ein paar Binden zu kaufen.

Was denken Sie, woher diese Ablehnung vonseiten der Frauen denn kommt?

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau. Wahrscheinlich liegt es ein Stück weit an der gesellschaftlichen Prägung. Früher gab es viele Gerüchte und Stigmatisierungen in Bezug auf die Periode. Frauen wurde eingeredet, Menstruationsblut sei giftig und sie dürften während dieser Zeit nicht backen, keine Konserven einmachen, nicht baden gehen. Zum Glück sind wir heute schon ein großes Stück weiter. Aber so ganz ist eine offene Debatte immer noch nicht möglich.

Woran machen Sie das fest?

Vergangenes Jahr habe ich zum Beispiel am Weltfrauentag einen Vortrag gehalten. Ich sprach davon, wie man während seiner Tage Blutflecken im Bett vermeiden könne. Eine ältere Frau rief quer durch den Saal: „Was? Flecken im Bett? Wie blöd kann man sich denn anstellen?“ Da habe ich gemerkt, dass es noch ein langer Weg ist, bis wir wirklich offen über die Periode reden können.

Sie gehen sehr offen mit dem Thema Menstruation um. War das schon immer so?

Nein, ganz und gar nicht. Für mich war die Periode lange Zeit über ein sehr unangenehmes, schambehaftetes Thema. Es war mir superpeinlich, über Monatsblutung und Periode zu reden. Ich dachte immer, dass alle Frauen Tampons tragen und ich die Einzige bin, die Binden trägt. Rückblickend ist das natürlich Quatsch. Wenn das so wäre, würden sich Binden schließlich nicht millionenfach verkaufen.

Was hat sich bei Ihnen geändert?

Im Jahr 2010 habe ich meine ersten Stoffbinden selbst genäht. Beim Tragen dachte ich mir: Wow! Das ist so ein tolles, angenehmes Gefühl in der Hose, das sollte jede haben. Daher wollte ich die selbst genähten Stoffbinden an die Frau bringen. Als gelernte Einzelhandelskauffrau habe ich mir das auch zugetraut. Seit zehn Jahren bin ich nun schon selbstständig mit meinem eigenen Label, Almo, was für „alternative Monatshygiene“ steht. Zunächst bin ich mit einem Onlineshop gestartet, war auf vielen Messen unterwegs. Dann habe ich 2019 endlich meinen eigenen Laden eröffnet.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Die Debatte rund um die Menstruation hat sich in den letzten Jahren stark verändert, in manchen Städten in Deutschland gibt es nach schottischem Vorbild nun Pilotprojekte mit kostenlosen Periodenprodukten in Schulen und öffentlichen Einrichtungen – was ist Ihre Meinung dazu?

Kostenlose Menstruationsprodukte finde ich super. Mega wäre, wenn sie auch noch aus Biobaumwolle ohne Plastik wären. Es gibt auch schon Landkreise, die Zuschüsse für nachhaltige Periodenartikel bieten. Da läuft nur was schief, denn wenn „Schrott-Periodenunterwäsche“ bezuschusst wird, die nur bei 30 Grad waschbar ist, Biozide enthält und nach sechs bis zwölf Monaten so stinkt, dass man sie wegschmeißen muss, ist die nachhaltige Rechnung falsch. Da muss ich mich leider sehr aufregen, wenn ich sehe, wie viel Müll angeboten wird.

Müll?

Ja, ich bekomme jede Woche Angebote aus China, da könnte ich 1.000 Periodenslips für 1.000 Euro kaufen – also ein Periodenslip für einen Euro! Was soll daran gut sein? Will ich das auf meiner Haut? An meinen Schleimhäuten? Ich nicht.

Wie hat Ihre Familie darauf reagiert, als Sie von Ihren Plänen erzählt haben, nachhaltige Menstruationsartikel zu verkaufen?

Die ersten Jahre wussten die nicht, was ich da so mache. In meiner Familie wurde nicht über Periode oder Hygieneartikel gesprochen. Erst nach etwa acht Jahren hat mal jemand aus meiner Verwandtschaft eines meiner Produkte ausprobiert. Die Reaktion: „Ah, die sind ja wirklich voll weich, ich brauch mehr.“ (lacht) Das hätten sie auch schon früher haben können, aber jeder braucht seine Zeit. Und früher oder später kommen sie alle.

Wie lief die Gründungsphase Ihres Ladens ab? Haben sie dabei Unterstützung bekommen?

Ich hatte mich beim Stadtmarketing mit Wirtschaftsförderung vorgestellt und nach freien Läden gefragt. Die Herren haben mich belächelt. Unterstützung gab es keine. Ich war dann diejenige, die gelacht hat, als ich fünf Wochen später genau gegenüber von deren Büro meinen Menstruationsladen eröffnet habe. Die Gesichter können Sie sich vorstellen.

Gab es auch Anfeindungen?

Zumindest große Diskussionen gab es, als ich den Laden gemietet hatte, am Einrichten war und der Name „Menstruationsladen“ feststand. Viele haben gesagt, du kannst den Laden nicht so nennen, nenn ihn Rote Welle, ErdbeerWoche, Rosenrot …

Hatten Sie selbst auch Zweifel bezüglich des Namens?

Nein, der Name war für mich glasklar. Wir müssen die Sachen beim Namen nennen. Das Wort Menstruation geht vielen einfach nicht über die Lippen, ich merke das immer noch. Der einzige Punkt, wo ich mit dem Namen hadere, ist, dass ich nicht nur Produkte für die Menstruation anbiete, sondern auch für schwache Blase, sogar für Männer. Aber da finde ich auch noch einen Weg, das sichtbar zu machen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.