starke gefühle
: Wer Frauenkörper mit Obst vergleicht, verdient es, beim Kirschenessen auf eine Hornisse zu beißen

Mit den Erdbeeren fing alles an. In der Schule benutzten wir das unerträgliche Wort „Erdbeerwochen“ untereinander, um nicht sagen zu müssen, dass wir gerade menstruierten. Weil – na klar – die Beeren rot sind wie das Blut.

Erdbeeren sind aber auch klein, süß und lecker. Genauso wollten auch wir wahrgenommen werden. Absurd, dass wir meinten, dafür ausgerechnet unsere Regelblutungen verniedlichen zu müssen, denn die kamen nicht selten mit Schmerzen und grenzen­loser Erschöpfung.

Die Erdbeerwochen sind nicht der einzige schräge Vergleich einer Obstsorte mit dem weiblichen Körper und seinen Prozessen. Auch Pfirsiche, Äpfel, Birnen und Melonen müssen ständig für solche Metaphern herhalten.

Manche Obstvergleiche können als Kompliment gemeint sein, zum Beispiel wenn man jemandem Aprikosenhaut bescheinigt. Aber sie können den Frauenkörper auch abwerten, vermeintliche „Problemzonen“ beschreiben, wie die Orangenhaut.

Besonders beliebt sind Obstbilder, wenn es um Sexualorgane geht: Brüste werden je nach Größe als Kirschen, Pfirsiche oder Melonen bezeichnet. Wenn nach einem Symbol für eine Vulva gesucht wird, greifen Gra­fi­ke­r*in­nen auf der ganzen Welt zu Bildern von halbierten Grapefruits oder Papayas.

Äpfel mit Birnen vergleichen? Das geht, wenn Frauenkörper beschrieben werden. Ein Birnenpopo ist in dieser Bildsprache schlecht, deshalb heißt es trainieren, bis der Hintern knackig und rund wie ein Apfel ist. Aber nicht jeder Apfelvergleich ist gleichermaßen erstrebenswert: Wer eine sogenannte Apfelfigur hat, sollte das laut angeblichen Stil­ex­per­t*in­nen mit der Kleidung möglichst kaschieren.

Für Männerkörper gibt es kaum Obstvergleiche. Kein Wunder, denn über sie wird insgesamt seltener gesprochen und geurteilt. Wenn, dann werden sie eher mal mit Gemüse in Verbindung gebracht, es gibt abwertende Lauch- oder Spargelvergleiche. Als Phallussymbol in der internationalen Emoji-Sprache hat sich die Aubergine gegen die Banane durchgesetzt, vielleicht, weil sie etwas fester ist.

Warum sind Frauen Obst und Männer Gemüse? Die Antwort liegt, wie so oft, in uralten Klischees: Männer sollen hart und Frauen weich sein. Gemüse ist männlich, also robuster, faseriger, vorm Verzehr muss man es oft kochen. Obst ist dafür weiblich, soft und süß. Einfach zum Reinbeißen! Altern sollte es nicht, denn dann wäre es womöglich nicht mehr appetitlich.

Wer Frauenkörper mit Obst vergleicht, verdient es, beim Kirschenessen auf eine Hornisse zu beißen. Denn diese Vergleiche sind mindestens unbedacht, eher aber frauenfeindlich. Fast immer dienen sie dazu, Frauenkörper zu bewerten. Oder sie verhindern, dass wir normale Vorgänge klar benennen und minimieren damit echte Probleme wie starke Regelschmerzen. Vor allem reproduzieren sie Ansprüche an Frauenkörper, die wir aus unserem Denken und unserer Sprache verbannen sollten: Konsumierbar sein, niemals bedrohlich, bitte immer lieblich und frisch.

Warum sind Frauen Obst und Männer Gemüse? Die Antwort liegt, wie so oft, in uralten Klischees

Der Begriff Erdbeerwoche begegnet mir inzwischen nur noch selten, denn meine Freun­d*in­nen und ich sind dazu übergegangen, direkte Sprache zu benutzen: „Ich habe meine Periode“ – „Ich blute wie aufgestochen“ – „Aua, mein Uterus!“, sagen wir jetzt.

Gemüsevergleiche wie die Rote-Bete-Woche oder Spitzkohlbrüste wären übrigens nur marginal besser. Das Gute ist, man braucht sie auch gar nicht. Denn zum Glück kann man das wertende Sprechen über ­Körper immer auch ganz sein lassen.

Luisa Faust