Sächsischer Krypto-Schatz verkauft: Von Bitcoins zu Euros

Die sächsische Justiz beschlagnahmte das Kryptovermögen der Plattform movie2k – und verkaufte es. Jetzt ist ungewiss, was mit dem Erlös passiert.

Schwarz-weiß-Screenshot aus dem Film Road To Bali aus dem Jahr 1952: Ein Mensch mit Hose, Hemd und Schiebermütze steht am Strand vor Palmen. Er hält eine kleine Schatzkiste unter dem Arm, zwei andere Person rechts und links von ihm gucken erschrocken in die gleiche Richtung wie er.

Wohin mit dem Bitcoin-Schatz aus Sachsen? Foto: everett collection/imago

BERLIN taz | 24 Tage, 49.858 verkaufte Bitcoins, mehr als 2,6 Milliarden Euro: Das ist das Resultat der Notveräußerung im Fall movie2k. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hatte die Bitcoins in einem Strafverfahren gegen das illegale Streamingportal beschlagnahmt. Weil die sächsische Justiz einen Wertverlust der Kryptowährung fürchtete, verkaufte sie das beschlagnahmte Vermögen.

Über movie2k wurden bis 2013 mehr als 880.000 Kopien von Filmen und TV-Serien verbreitet. Im April erhoben die Dresdner Ermittler Anklage gegen die Betreiber. Der Verdacht: gewerbsmäßige unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke, nach dem Urheberrechtsgesetz und anschließender gewerbsmäßiger Geldwäsche.

Doch wie kamen die movie2k-Betreiber zuvor an die Bitcoins? „Die aus Werbeentgelten und Abofalleneinnahmen erzielten Gewinne wurden seit Mitte 2012 von den zwei Hauptbetreibern dazu genutzt, um Bitcoins anzukaufen“, teilte Sachsens Justiz 2020 mit. Einer der Betreiber gestand und transferierte die Bitcoins an die sächsischen Behörden.

Als die Staatsanwaltschaft am 19. Juni mit der Veräußerung begann, handelte ein Bitcoin bei 60.000 Euro. Am letzten Verkaufstag, dem 12. Juli bei 53.000 Euro: 11 Prozent weniger. Wie stark die Verkäufe den Bitcoin-Kurs beeinflusst haben, lässt sich nicht sagen: Parallel starteten zum Beispiel Auszahlungen von Bitcoins an ehemalige Kunden der 2014 pleite gegangenen Kryptobörse Mt. Gox, die auch auf den Kurs eingewirkt haben könnten.

Milliarden für unbestimmte Zeit auf Eis

„Gemäß Paragraf 111p der Strafprozessordnung kann eine beschlagnahmte Sache veräußert werden, wenn ihr Verderb oder ein erheblicher Wertverlust droht oder die Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung mit erheblichen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist“, schreiben die Anwälte Susanne Stauder und Johannes Blassl auf Anfrage der taz. „Nur weil ein erheblicher Wertverlust droht, heißt das nicht, dass deshalb auch eine Notveräußerung angeordnet werden muss“, führen sie fort. Das Geld liegt nun auf einem Sperrkonto. Droht ein Wertverlust von mindestens 10 Prozent, darf ein beschlagnahmter Wert auch während eines laufenden Verfahrens veräußert werden.

Und was passiert mit den über 2,6 Milliarden Euro? „Der Erlös stellt für den Freistaat Sachsen zunächst keine zusätzliche Einnahme im Landeshaushalt dar, sondern ist bis zum endgültigen Abschluss des Strafverfahrens eine verwahrte Hinterlegung“, teilte die Justiz in Sachsen mit – die Summe ist also eingefroren.

Franziska Schubert, Die Grünen

„Eine schnelle Ausschüttung von Milliarden ist noch reine Spekulation“

„Im Moment sind Vorstellungen von einer schnellen Ausschüttung von Milliarden leider noch reine Spekulation“, teilt Franziska Schubert, finanzpolitische Sprecherin der sächsischen Grünen mit. Auch Dirk Panter, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion in Sachsen, betont, man müsse warten, bis der Fall abgeschlossen ist. „Dann müssen wir das Geld klug investieren, zum Beispiel einen Fonds für Zukunftsinvestitionen damit füllen“, sagt er. Auch Linksfraktionschef Rico Gebhardt überlegt, wie man den sogenannten Sachsen-Schatz nutzen könnte: zum Beispiel für Investitionen in Krankenhäuser, Kita- und Schulgebäude.

Darüber hinaus können Dritte Anspruch auf einen Teil des Verkaufserlöses haben. Cons­tan­tin Film soll wegen seiner Urheberrechte Ansprüche erhoben haben. Zu den Details wollte das Filmunternehmen auf Anfrage nichts sagen.

Unklar ist, ob die Beschuldigten einen Anspruch haben könnten. Im März 2024 hieß es in der Sendung „ZDF heute“: „Im Fall movie2k steht zwar noch ein Geldwäschevorwurf im Raum“, es müsse jedoch berücksichtigt werden, dass der Betreiber zwischen 2023 und Januar 2024 schon lange Zeit in Untersuchungshaft verbracht hat. Die Anwälte Blassl und Stauder schätzen: „Durch die Notveräußerung tritt der Veräußerungserlös an die Stelle der veräußerten und beschlagnahmten Sache“, merken aber an: „Gerade im Bereich der Kryptowährungen befinden wir uns immer noch im juristischen Neuland.“

Bitcoins wurden in Tranchen verkauft

In den letzten drei Wochen konnten Interessierte zusehen, wie die Sachsen-Bitcoins in Tranchen veräußert wurden. Nachdem die Justiz die Sicherung verkündet hatte, durchsuchte die Analyseplattform Arkham Intelligence die Blockchain, also die entsprechende Liste der Datensätze – und konnte die Transaktionen sowie Konten den movie2k-Betreibern und Behörden zuordnen. Am 12. Juli um 20.19 Uhr verließen die letzten 3846.05 Bitcoin das Wallet – den Krypto-Geldbeutel – der Generalstaatsanwaltschaft. Für kurze Zeit stand das Wallet bei 0 US-Dollar.

Dann verkündete Arkham, dass die Bestände des Wallets um 9.000 Prozent gestiegen waren: von 1,87 US-Dollar auf über 187 US-Dollar. Mittlerweile sind wieder mehr als 400 US-Dollar drauf. Grund dafür ist eine Mischung aus Scherz und Protest: Bitcoin-Enthusiasten spendeten kleine Beträge an das Wallet. Die Blockchain macht das möglich: Sobald eine Wallet-­Adresse, äquivalent zu einer Kontonummer, bekannt ist, kann man Beträge dorthin schicken. Ablehnen, aufhalten oder stornieren lassen sich die Transaktionen nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben