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Großbritannien will sparenLabour stimmt auf Einschnitte ein

Großbritanniens neue Regierung entdeckt riesige Haushaltslöcher und will sparen. Es geht aber um höhere Gehälter im öffentlichen Dienst.

Der britische Premierminister Keir Starmer: Um die Finanzen des Landes steht es nicht gut Foto: Jessica Taylor/reuters

BERLIN taz | Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause und weniger als einen Monat nach ihrer Machtübernahme bereitet Großbritanniens neue Labour-Regierung das Land auf harte Sparmaßnahmen vor. In einer mit Spannung erwarteten Rede vor dem Unterhaus warf Finanzministerin Rachel Reeves am Montagnachmittag der konservativen Vorgängerregierung vor, eine „katastrophale“ Hinterlassenschaft bei den Staatsfinanzen vor – nämlich ungedeckte Ausgabenpläne in Höhe von 22 Milliarden Pfund (25 Milliarden Euro).

„Die vorige Regie­rung gab Geld aus, ohne an den nächsten Tag zu denken“

Rachel Reeves, Finanzministerin

„Die Tories haben die britischen Finanzen in ihrem schlechtesten Zustand seit dem Zweiten Weltkrieg hinterlassen“, schrieb die regierende Labour-Partei vorab auf X (vormals Twitter). „Diese Labour-Regierung wird harte Entscheidungen treffen, um langfristige Lösungen zu finden.“

Schon direkt nach ihrem Wahlsieg am 4. Juli hatte Reeves­ eine Überprüfung der Staatsfinanzen angekündigt. Den nächsten regulären Staatshaushalt für 2025 legt sie erst am 30. Oktober vor, aber einige Dinge können nicht so lange warten. Dringend sind Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst nach monatelangen Streiks.

Unabhängige Schiedsstellen hatten vor den Wahlen Gehaltssteigerungen von 5,5 Prozent für die 1,5 Millionen Angestellten des staatlichen Gesundheitsdienstes und 450.000 Lehrkräfte an Schulen vorgeschlagen. Labour hatte sich verpflichtet, diese Empfehlungen vollumfänglich umzusetzen, was nach unabhängigen Schätzungen rund 10 Mil­liarden Pfund im Jahr kostet; Reeves sprach jetzt von 9 Milliarden. Nun lautet ihr Vorwurf an die Konservativen, dafür kein Geld hinterlassen zu haben. Teile der Ärzteschaft fordern weiterhin noch deutlich höhere Gehaltserhöhungen, die die Regierung offensichtlich zumindest teilweise erfüllen will.

„Ich räume auf“

„Die vorige Regierung gab Geld aus, ohne an den nächsten Tag zu denken, weil sie wusste, dass jemand anders die Rechnung bezahlen muss“, sagte Finanzministerin Reeves am vergangenen Wochenende der Sunday Times. „Sie machten eine Zusage nach der anderen, ohne zu sagen, wo das Geld herkommt. Ich räume auf.“

Die konservative Opposition, allen voran der bisherige Finanzminister Jeremy Hunt, weist diese Vorwürfe zurück und sagen, alle relevanten Zahlen hätten vor den Wahlen zur Verfügung gestanden. Im Wahlkampf hatte Labour zugesagt, keine Einkommensteuern, Sozialversicherungsbeiträge oder Mehrwertsteuern zu erhöhen.

Der damalige konservative Premierminister Rishi Sunak hatte Labour wiederholt vorgeworfen, in Wirklichkeit Steuererhöhungen zu planen. „Nachdem sie vor den Wahlen 50mal versprochen haben, keine Steuern zu erhöhen, brauchen sie jetzt einen Vorwand“, zitiert die Sunday Times Jeremy Hunt zu Reeves’ Anküngigungen.

Rückkehr zur Austeritätspolitik?

Die Labour-Regierung hatte sich auch verpflichtet, die bestehende mittelfristige Haushaltsplanung der Konservativen beizubehalten. Die sieht bis zum Haushaltsjahr 2028/29 nur noch geringe Steigerungen der laufenden Staatsausgaben von inflationsbereinigt 1,2 Prozent pro Jahr vor. Explizit ausgenommen sind davon das staatliche Gesundheitswesen, die staatliche Finanzierung von Kinderbetreuung sowie Entwicklungshilfe und Verteidigung. Hier gelten höhere Ansätze.

Das bedeutet automatisch rea­le Kürzungen in anderen Bereichen, vor allem Justiz, innere Sicherheit und Pflege. „Angesichts der Zusagen Labours, öffentliche Dienstleistungen zu verbessern, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die neue Regierung diese Pläne einhalten kann“, heißt es dazu in einer Studie des renommierten „Institute for Government“. Wenn Labour sich doch daran halte, würde es die restriktivste Ausgaben­politik seit den harten Austeritätsjahren vor 2015 fahren.

Das „Institute for Fiscal Studies“ unter dem renommierten Ökonomen Paul Johnson hatte bereits beim letzten konservativen Staatshaushaltsentwurf im März vorausgesagt, die vorliegende Finanzplanung werde sich als undurchführbar erweisen, egal wer die Wahlen gewinne. Am Montag wies Johnson im BBC-Frühstücksfernsehen darauf hin, dass das von der neuen Finanzministerin Reeves identifizierte 20-Milliarden-Loch problemlos gestopft werden könne, wenn Labour die im März beschlossene Verringerung der Sozialversicherungsbeiträge rückgängig machen würde.

Stattdessen werden jetzt Ausgabenkürzungen in Milliardenhöhe erwartet. Im Gespräch sind Verschiebungen der Renovierung von Schulen und Krankenhäusern und die Absage mehrerer Projekte im Straßenbau und bei der Eisenbahnsanierung.

Reeves forderte im Parlament alle Ministerien auf, Einsparmöglichkeiten zu identifizieren, um die Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst gegenzufinanzieren. Sie kündigte auch an, die bestehenden allgemeinen Heizkostenbeihilfen für Rentner zukünftig nur noch an Sozialhilfeempfänger auszuzahlen.

Exfinanzminister Hunt warf Reeves in seiner Antwort einen „schamlosen“ Versuch vor, „schamlos“ den Boden für Steuererhöhungen zu bereiten. Erst vor wenigen Tagen habe sie Ausgabenschätzungen für das laufende Jahr vorgelegt, jetzt präsentiere sie völlig andere Zahlen auf der Grundlage derselben Daten.

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