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App für einfachere UmzügeTiptapp, und raus bist du

Kommentar von Emma Doermann

Eine schwedische App behauptet, alles für einen einfachen Umzug zu bieten. Und profitiert so auf zynische Weise von der Berliner Wohnungskrise.

Wenn es mal wieder soweit ist: Kisten packen, Transporter organisieren, umziehen Foto: photothek/imago

E ine Wohnung in Berlin zu finden ist schwierig, einen unbefristeten Mietvertrag nahezu unmöglich. Es sei denn, man ist zufällig mit einem immensen Vermögen gesegnet. Seit Jahren sind Kurzzeitverträge und Untermieten zur Normalität geworden. Und das führt dazu, dass vor allem junge, neu zugezogene Menschen immer öfter umziehen müssen.

Es ist der perfekte Zeitpunkt für das schwedische Unternehmen Tiptapp, um eine Lösung für den Umzugstransport anzubieten. Das Prinzip der App ist simpel: Nutzer stellen online ein, wann sie etwas transportieren müssen, und entscheiden selbst, welchen Preis sie dafür zahlen wollen. Andere Personen können diesen Auftrag daraufhin ausführen. Somit sei „alles, was die Umziehenden benötigen“, in dieser App zu finden, freut sich der Gründer Tim Bjelkstam. Was er dabei vergisst: den benötigten Wohnraum.

Mit der App werde Berlin zum „Vorreiter einer modernen, urbanen Lebensart, in der Wohnungswechsel ein integraler Bestandteil sind“, so das Unternehmen. Also keine Angst, wer mal wieder gekündigt wird und sich erneut auf die quälende Wohnungssuche begeben muss – zumindest für den Transport ist gesorgt. Eine gute Nachricht für alle, die von der unsichtbaren Hand des Berliner Wohnungsmarkts vor die Tür gesetzt werden.

Die App verspricht zudem, durch eine vermeintlich neue Art des nachhaltigeren Transports eine Bereicherung für die Hauptstadt zu sein. Besonders das Müllproblem, das Berlin vor allem seit der Coronapandemie zu schaffen macht, soll damit angegangen werden. Durch eine Zusammenarbeit mit der Berliner Stadtreinigung sollen Menschen ohne Auto ihren Sperrmüll zu relativ niedrigen Preisen abholen lassen können. Zusätzlich entdeckt man in der App weitere Inserate wie Einkaufen für ältere Menschen.

Krise als Lifestyle

Der Ansatz von Tiptapp ist gut, doch die Präsentation zynisch. Die App normalisiert einen sozialen Missstand und macht dabei noch ein Unternehmen reich. Wie das geht: Sie kreiert einen neuen Lifestyle, den sogenannten „dynamischen Lebensstil“, wie der Gründer es nennt. Technische und schnelle Lösungen kaschieren elegant die zugrunde liegenden Probleme. Tiptapp reitet auf der Spitze der Trendwelle. Wenn Umzüge jetzt so einfach sind, gibt es dann überhaupt noch ein Problem?

Das Unternehmen spricht von einer „neuen Normalität“. Vielleicht hat es erkannt, dass Wegner & Co die Wohnungskrise nicht lösen – warum dann nicht davon profitieren? Hier zeigt sich wieder, was passiert, wenn eine reale Dystopie als neue Utopie missverstanden wird.

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2 Kommentare

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  • Da wird aber das berühmte Pferd von ganz weit hinten aufgezäumt. Wo "kreiert" die App denn irgendwas, als das Angebot einer Dienstleistung? Man kann ja den Werbeslogan schlecht finden, aber die Probleme sind vorhanden auch ganz ohne App. Is ja ähnlich, als würde man Parkplatzapps dafür kritisieren, dass sie davon profitieren, dass die Städte zugeparkt sind oder Online-Ärtztevermittlungen, weil man kaum noch Facharzttermine bekommt.



    Das Problem heißt jahrelange Mißwirtschaft in der Wohnungspolitik. Und das hat nebenbei mit Wegner viel weniger zu tun, als mit RR(G).

  • Sorry, aber der Artikel kritisiert ein Unternehmen, welches Umzüge anbietet dafür, dass Berlin zu wenige Wohnungen hat für die Menge an Menschen, die dank überzogener Sozialgesetzgebung nach Berlin ziehen wollen