TV-Interview mit US-Präsident Joe Biden: Nur Gott kann ihn stoppen
Biden betont in einem Interview, dass er erneut kandidieren will. Er verhaspelt sich, kann aber ansonsten ohne Teleprompter reden. Ob das reicht?
Nach dem Debakel in der TV-Debatte am 27. Juni waren in der vergangenen Woche immer mehr Stimmen laut geworden, die Bidens erneute Kandidatur für das Präsidentenamt infrage gestellt haben. Besonders beunruhigend für Bidens Team, ist es, dass selbst hochrangige demokratische Politiker und Spendengeber während der vergangenen Woche die Perspektive einer zweiten Biden-Amtszeit kritisch hinterfragt haben.
Auch öffentliche Aufforderungen seine Kandidatur niederzulegen hat es gegeben. Biden selbst ist sich weiterhin sicher, dass er der beste Kandidat sei, um Ex-Präsident Trump im November zu besiegen.
„Ich bin die am besten qualifizierte Person, ihn zu besiegen, und ich weiß, wie man Dinge umsetzt“, erklärte Biden während des 22-minütigen Interviews.
Verhaspelt bei den Wahljahren
Das TV-Interview mit dem amtierenden US-Präsidenten wurde am Freitagnachmittag Ortszeit im US-Bundesstaat Wisconsin aufgezeichnet und dann zur besten Sendezeit um acht Uhr am Abend ungeschnitten ausgestrahlt. Biden gab sich während des Interviews selbstsicher und zuversichtlich, doch er verhaspelte sich ab und an und verwechselte die Wahljahre 2020 und 2024 mit dem Midterm-Wahljahr 2022.
„Erinnere dich an 2024 – 2020, die ‚Rote Welle‘ war angekündigt“, sagte Biden auf die Frage nach seinen sinkenden Umfragewerten und ob er diesen Glauben schenke. Was er wirklich meinte, waren die amerikanischen Wahlen zur Hälfte seiner Amtszeit im Jahr 2022.
Vor den Wahlen besagten Umfragen damals, dass es zu einer sogenannten „Roten Welle“ kommen könnte und Republikaner eine gute Chance hätten, sowohl die Mehrheit im Repräsentantenhaus als auch im Senat zu gewinnen. Am Ende geschah dies nicht und Demokraten behielten die Mehrheit im Senat. Es war sogar eines der besten Midterm-Resultate für die Partei eines Amtsinhabers in Jahrzehnten.
Doch 2024 ist eben nicht 2022 und die aktuellen Umfragewerte verheißen nichts Gutes für Biden und die Demokraten. Seine Leistung im TV-Duell mit Trump schob er auf nichts weiter als „Erschöpfung“ und eine „falsche Vorbereitung“. „Es war ein schlechter Abend. Es war jedoch kein Hinweis auf eine ernsthafte Erkrankung. Ich war erschöpft. Ich habe bei der Vorbereitung nicht auf meinen Instinkt gehört“, erklärte Biden.
Obwohl namhafte US-Medien wie die New York Times, Washington Post und Wall Street Journal in den vergangenen Tagen über Unruhen unter Demokraten im US-Kongress berichtet haben, befürchtet Biden keine bevorstehende Meuterei. Er habe mit führenden Politikern seiner Partei gesprochen und kein einziger, so Biden, habe seinen Rückzug gefordert.
Dialog mit Gott
„Ich meine, wenn der allmächtige Gott herunterkäme und sagen würde: ‚Joe, steig aus dem Rennen aus‘, würde ich aus dem Rennen aussteigen“, sagte der Präsident über die Möglichkeit eines Rückzugs.
Er nutze das Interview außerdem als eine Gelegenheit, für seine Politik zu werben, die, wie er sagte, über die vergangenen dreieinhalb Jahre zahlreiche Erfolge hervorgebracht hat. Gleichzeitig attackierte er Trumps Politik und dessen Charakter.
„Der Mann ist ein geborener Lügner“, sagte Biden über seinen politischen Widersacher. Er habe während der Debatte über 20-mal gelogen.
Für Biden war es ein positives Interview. Es hat gezeigt, dass er auch ohne Teleprompter noch in der Lage ist, seine Politik und seine persönliche Situation ohne große Probleme zu artikulieren. Ob er damit die Bedenken in der Bevölkerung bezüglich seines Gesundheitszustandes und seines Alters aus dem Weg räumen konnte, ist fraglich.
Biden wird in den kommenden Tagen auf Wahlkampftour unterwegs sein, bevor er in der kommenden Woche die Staatschefs vieler Nato-Mitglieder zum Gipfel in der US-Hauptstadt willkommen heißt.
Dort wird er Donnerstag auch eine mit Spannung erwartete Pressekonferenz geben. Die Fragen über seine Kandidatur gehen derweil weiter und Fehltritte jeglicher Art kann sich Biden nur wenige Monate vor der Wahl fast nicht mehr erlauben.
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