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Atommüll-TransporteSicherheitslücken bei Castor-Proben

Bis zu 152-mal soll hochradioaktiver Atommüll über NRWs Autobahnen rollen – doch Übungsfahrten offenbaren Sicherheitslücken.

Ein leerer Castor-Behälter startet zur Probefahrt: Muss das Ganze überhaupt sein? Foto: David Young/picture alliance

Bochum taz | Lkw-Übungsfahrten für die Nordrhein-Westfalen drohenden Castor-Transporte mit hochradioaktivem Atommüll aus dem Forschungszentrum Jülich ins Zwischenlager Ahaus haben allem Anschein nach gravierende Sicherheitslücken offenbart.

So sei bei einem der Castor-Probetransporte im November 2023 „der Sichtkontakt zwischen den vorweg fahrenden Begleitfahrzeugen des Schwertransports und dem eigentlichen Schwertransportfahrzeug unterbrochen“ worden, schreibt das für die polizeiliche Sicherung der Atommülllieferung zuständige Landesinnenministerium in einer Stellungnahme.

Aus dieser zitiert Nordrhein-Westfalens grüne Wirtschafts- und Energieministerin Mona Neubaur jetzt in einem Brief an verschiedene Antiatominitiativen. Grund für den Missstand sei eine Baustelle im Kreuz Kaiserberg auf der Bundesautobahn (BAB) 3 gewesen. Der Lkw-Schwertransport habe sich daraufhin verfahren: „Das Schwertransportfahrzeug verblieb deshalb auf der BAB 3 und wechselte nicht planmäßig auf die BAB 40“, so das vom Christdemokraten Herbert Reul geführte NRW-Innenministerium.

Da bei Atommülltransporten „die Streckenführung zwingend einzuhalten“ sei, habe der rund 130 Tonnen schwere Spezial-Lkw danach mitten auf der A3 rückwärts fahren müssen. Dazu sei die Autobahn „insgesamt ca. 30 Minuten“ gesperrt worden. Weitere Nachfragen der taz etwa zur hausinternen Sicherheitsbewertung der Probetransporte beantwortete das NRW-Innenministerium bis Redaktionsschluss nicht.

Heftige Kritik von Initiativen

Antiatominitiativen reagierten mit heftiger Kritik auf die Sicherheitspanne. „Wie kann es sein, dass in einem eigens zusammengestellten Polizeikonvoi zum Schutz des Castor-Lkw plötzlich der Sichtkontakt verloren geht?“, kritisiert Jens Dütting vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. „Im Ernstfall wäre der Castor-Lkw also inmitten eines unübersichtlichen Autobahnkreuzes ungeschützt von vorausfahrenden Polizeikräften gewesen.“

Dabei sei jeder Atommülltransport ein „potenzielles Anschlagsziel“, argumentiert Hartmut Liebermann von der Initiative Kein Atommüll in Ahaus. „Es kann doch nicht sein, dass der Fahrer offenbar weder über eine klare Routenbeschreibung, ein entsprechend programmiertes Navigationssystem noch über ein Funkgerät verfügt hat“, sagt er.

Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen warnen seit Jahren, die Castor-Transporte, die über den Flughafentunnel der A44 mitten durch die Landeshauptstadt Düsseldorf und dann über die Autobahnen 3, 40, 59, 42, 2 und 31 durch das dichtbesiedelte Ruhrgebiet geführt werden sollen, seien nicht nur gefährlich, sondern auch „überflüssig und unsinnig“.

Denn nach Ahaus gebracht werden sollten die aus einem Reaktor des ehemaligen Kernforschungszentrum Jülich stammenden rund 300.000 hochradioaktiven, in 152 Castoren lagernden Brennelemente ursprünglich wegen angeblicher Erdbebengefahr. Doch bereits im Oktober 2022 war das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) zu der Einschätzung gekommen, dass diese Erdbebengefahr überhaupt nicht besteht.

„Wir fordern deshalb den Bau eines neuen Zwischenlagers in Jülich, das den heutigen Sicherheitsansprüchen genügt“, sagt etwa Atomkraftgegner Liebermann – schließlich gibt es im mehr als 30 Jahre alten Zwischenlager Ahaus nicht einmal eine „heiße Zelle“, in der defekte Castoren repariert werden könnten.

Das Bundesamt gibt sich ahnunglos

Offiziell ist auch das noch immer eine angedachte Option – doch die Jülicher Entsorgungsgesellschaft habe bei der zuständigen Genehmigungsbehörde BASE bereits „einen Antrag auf Einzeltransport der 152 Castoren“ gestellt, so CDU-Landesinnenminister Reul in einem auf den 12. März 2024 datierten ­Schreiben an den Innenausschuss des Landtags.

„Eine Transportgenehmigung durch das Bundesamt BASE müsste jetzt ausgeschlossen sein, da die NRW-Polizei die Sicherheit der geplanten 152 Castor-Transporte auf den Autobahnen nicht lückenlos gewährleisten kann“, bilanziert dagegen Marita Boslar vom Aktionsbündnis Stop Westcastor. Allerdings: Noch gibt sich das Bundesamt völlig ahnungslos. „In die Durchführung von Probetransporten“, heißt es auf taz-Anfrage, „ist das BASE nicht eingebunden.“

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11 Kommentare

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  • @JANIX, @KNUTY

    Ja, das habe ich nämlich befürchtet.

  • "Der Lkw-Schwertransport habe sich daraufhin verfahren: „Das Schwertransportfahrzeug verblieb deshalb auf der BAB 3 und wechselte nicht planmäßig auf die BAB 40“"

    Schonmal was von einem Navi gehört? So im Jahr 2024.....

    • @PartyChampignons:

      Genügend verfahren sich auch mit Navi - muss ich jeeeetzt nach rechts oder gleich?

      Ein Schwertransport ist aber mit Fahrzeugen davor und dahinter, da fährt man vermutlich einfach nach.

  • Als ob nicht die bundesdeutschen Sraßen inzwischen auch so kaputtgingen, wenn kein Castor-Schwertransporter darüberfährt!

    Jülich liegt in der flachen friedlichen gleichnamigen Börde, wo die einzigen Verwerfungen die Abraumhalden der schrecklichen Braunkohleförderungen dort sind. Für auch nur potenzielle Erdbebenzonen müsste man einen Tag nach Süden oder Osten radeln.



    Ahaus braucht keinen Atommüll, es hat bereits Atomfreund und Ministerscheiterer Jens Spahn als Landeskind.

    Wieder einmal wird klar, dass Atom künstlich billig gerechnet wurde und ohne Konzept für das Nachher.

    • @Janix:

      Jülich liegt in der Erdbebenzone 3, also mit einer der höchsten in ganz Deutschland



      Quelle:



      www.dlubal.com/de/...2.520007,13.404954

      außerdem läuft eine tektonische Verwerfungszone durch Jülich (zwar nicht direkt durchs Forschungszentrum aber sie ist vorhanden). Wir mussten deswegen schon einige Bauvorhaben auf Eis legen (ich arbeite in einem Ingenieurbüro).



      Also eine Gefahr ist definitiv vorhanden......wie groß diese Gefahr jedoch ist und ob sich dafür der Abtransport lohnt kann ich nicht beurteilen, Fakt ist aber, dass Jülich den Atommüll genausowenig braucht, wie Ahaus das tut.

  • Wenn man die Sache "durchleuchtet", bleiben viele Fragen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass der wahrlich hochbrisante Müll dauerhaft in den megateuren Castoren eingelagert bleiben wird, steigt stetig.



    Vieles ist Theorie und beruht auf Computer-Simulation.



    Der Echtzeit-Realitäts-Check "Transport nach Plan auf der Autobahn" ist da noch ein vergleichsweise kleines Problemchen.



    Quelle deutschlandfunk.de 2020



    "Die Zwischenlager in Gorleben und Ahaus sind mehr als 30 Jahre alt, ebenso wie manche Castoren. Für beide laufen die Genehmigungen im kommenden Jahrzehnt aus. Wie lange das alles noch sicher ist, das weiß niemand so genau."



    Weiter steht dort:



    "Experimente wie die in Karlsruhe sollen wichtige Eingangsdaten liefern für diese Computersimulationen. Dennoch wird man um einen wichtigen Realitätscheck kaum herumkommen: Über kurz oder lang wird man einen Castor öffnen müssen, um sein Innenleben zu inspizieren und den Zustand der Brennstäbe. Eine aufwändige, mit extremer Strahlung verbundene Prozedur, nur machbar in Speziallabors, sogenannten heißen Zellen."



    Titel:



    'Atommüll in der Warteschleife'

  • Wer bezahlt so etwas eigentlich?

    • @tomás zerolo:

      Ideal die ganzen Kernkraftlobbyisten und Spahns von heute.



      Faktisch wieder mal wir alle.

    • @tomás zerolo:

      Du, ich, wir, eben der Steuerzahler.

  • Avanti Dilettanti!



    Mein Oppa hat sich mit seinem K70 in Kaiserberg auch immer verfahren...

    Jeder Schwertransport und auch bestimmte Mülltransporte bekommt einen Fahrweg vorgeschrieben. Aber die halten im Zweifel an und drehen an der nächsten Ausfahrt, aber doch nicht rückwärts auf der Autobahn.



    Avanti Dilettanti

    • @Tz-B:

      Es kann durchaus sein, dass für Transporte Leitplanken abgeschraubt werden müssen etc. etc. Das könnte also der einfachste Weg gewesen sein. Gehen wir ausnahmsweise von Ratio aus.