Kulturkampf um „El Hotzo“: Wer cancelt hier wen?
Satire oder Grenzüberschreitung? Die Debatte um El Hotzos Trump-Tweet dient Rechten als willkommenes Argument, um gegen den ÖRR zu hetzen.
S atire darf alles. Sie beantwortet aber offensichtlich nicht die Frage danach, wo die Grenzen zwischen Meinung, schlechtem Witz und Relativierung von Gewalt liegen. Zu diesem Schluss kommt man zumindest, wenn man die Debatte um El Hotzo, bürgerlich Sebastian Hotz, und seinen mittlerweile gelöschten Tweet zum Attentat auf Trump betrachtet. Und es zeigt sich: Um weiteren Hass auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schüren, übergehen Reichelt und Co. gerne ihre eigenen Prinzipien der Sagbarmachung des Unsagbaren.
Hotz, Satiriker und Buchautor, postete am 14. Juli „den letzten Bus“, dazu zwei verschränkte Hände, „Donald Trump“ und darunter „leider knapp verpasst“. Ein weiterer Tweet lautete: „Ich finde es absolut fantastisch, wenn Faschisten sterben.“ Schnell wurde Kritik laut, Hotz löschte den Tweet, Screenshots des Posts wurden geteilt, Politiker wie Wolfgang Kubicki zeigten sich empört. So weit, so Internet.
Auch Julian Reichelt, Ex-Bild-Chef und Nius-Gründer, sprang auf die Empörungswelle auf. Aus der Kritik wurde schnell eine Kampagne, vorangetrieben von Reichelts Plattform Nius und Reichelt selbst. Die zwangsfinanzierten ARD und ZDF duldeten Gewaltaufrufe gegen Politiker und verstärkten diese, so die These Reichelts.
Die Konsequenz: Die ARD entband Hotz von seinen Aufgaben als Moderator bei „Theoretisch cool“ auf dem RBB-Sender Radio Fritz. Der Vorwurf, den sich Sebastian Hotz gefallen lassen musste: Menschenverachtung und das Abfeiern eines versuchten Attentats.
Rechter Kulturkampf
Es ist valide, Hotz' Äußerungen in Frage zu stellen, sie zu kritisieren und Konsequenzen zu fordern. Es bleibt die Frage: Ist ausgerechnet Berufshumanist, Frauenförderer und Wächter differenzierten Diskurses Julian Reichelt der beste Mann, wenn es darum geht, deutsche Medienethik zu wahren? Dies bleibt zumindest im Angesicht seiner Umtriebe bei Nius zweifelhaft.
Nicht das erste Mal versuchte man bei Nius anhand von Aussagen auf Social Media, jemanden an den Pranger zu stellen. Zuletzt den BR-Journalisten Alexander Nabert, dessen vor Jahren getwitterte antideutsche Floskel „Deutschland du mieses Stück Scheiße“ man ausgrub. Der rechte Kulturkampf, er ist mithin auch eine rechte Medienstrategie. Der falsche Post an falscher Stelle: ein gefundenes Fressen, der Auftakt zu einem erneuten Schlag gegen den verhassten öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Lediglich zu fragen, welche Werte man als öffentlich-rechtlicher Rundfunk vertreten will – und diese sollten zweifelsohne universalistisch sein – ohne auch die Frage zu stellen, von wem man sich das Maß ihrer Durchsetzung diktieren lässt und welche Zwecke damit verfolgt werden sollen, wird einer pluralistischen und öffentlich finanzierten Medienanstalt nicht gerecht.
Übernimmt Musk Anwaltskosten?
Immerhin: Julian Reichelt könnte wissen, dass der Verlust eines Jobs wegen groben Fehlverhaltens nicht das Ende der Fahnenstange ist. So auch nicht für El Hotzo, der twittert munter weiter und hat weiterhin seinen Podcast.
Auch Elon Musk – ihm gehört der Nachrichtendienst X, somit macht er seit geraumer Zeit auch irgendwas mit Medien – hat sich in die Debatte eingeschaltet. Der Trump-Unterstützer schrieb kürzlich auf X: „Jemand, der Donald Trump und mir den Tod wünscht, wird von der deutschen Regierung bezahlt?“
Abgesehen davon, dass das Konstrukt öffentlich-rechtlicher Rundfunk für Musk etwas völlig Neues zu sein scheint, denn dieser wird durch Gebührengelder und nicht direkt aus Scholz’ Hand bezahlt, könnte man Musk an dieser Stelle an seinen Tweet vom 6. August 23 erinnern: „Wenn Sie von Ihrem Arbeitgeber ungerecht behandelt wurden, weil Sie etwas auf dieser Plattform gepostet oder gelikt haben, werden wir Ihre Anwaltskosten übernehmen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen