piwik no script img

Macron, Biden und die gute Merkel-ZeitUnd wen wählt Daniel Cohn-Bendit?

Früher war alles besser? Mag schon sein. Robert Habeck weiß aber auch ein paar Gründe dafür.

Innige Umarmung: Ex-Bundeskanzlerin, Angela Merkel, und der französische Präsident, Emmanuel Macron Foto: John Mac Dougall/AFP

Macron bald weg? Biden bald weg? Der deutsche „Friedenskanzler“ auch weg? Angesichts der grassierenden Instabilität in Europa und der Welt steigt die Sehnsucht nach guten alten Zeiten. Und da trägt ausgerechnet der grüne Vizekanzler Robert Habeck der konservativen Angela Merkel ein kleines Geburtstagsständchen vor.

Passend in einem Musikmagazin, dem Rolling Stone (Juli-Ausgabe). Erhellend sind dabei Habecks Hinweise, dass es vielleicht auch mit der großen Stabilität der Ära Merkel zusammenhängen könnte, dass wir heute so instabil geworden sind.

„Eine von Angela Merkels großen Leistungen ist unverkennbar, dass sie über 16 Jahre lang die Union in der Mitte gehalten, sie immun gegen die Versuchung des rechten Populismus gemacht hat.“ So zunächst die Habeck’sche Ouvertüre auf Merkels bevorstehenden 70 Geburtstag am 17. Juli.

Der Grünen-Politiker bezeichnet dabei ihren Weg zu Recht als einen „Sieg über den Chauvinismus“ der alten West-CDU (Kohl, Koch, Rüttgers und Co). Als „Frau aus dem Osten“ habe sie die „Seilschaften von Männern aus dem Westen und das dazugehörige Gehabe durchbrechen“ müssen.

Das große Merkel-Normal

Doch, so Habeck weiter, saß sie vieles wie ihre konservativen männlichen Vorgänger auch einfach aus. Merkel habe „nur sechzehn Jahre Kanzlerin sein und die Union als Volkspartei in der Mitte halten“ können, so „sie viele notwendige Entscheidungen, die Veränderungen bedeutet hätten, eben nicht traf“.

Etwa die Umstellung der deutschen Ökonomie auf klimafreundliche Produktionsweisen und erneuerbare Energien. „Aus Sorge, dass es mit Zumutungen einhergeht.“ „Weil russisches Gas so schön billig war“, legt Habeck den Finger in die Wunde, „hat Deutschland sich in die Abhängigkeit“ des russischen Diktators begeben, „nicht blind, sondern sehenden Auges“.

Die ausgebliebenen strukturellen Reformen machen die Nation wie auch die gesamte Weltpolitik und -wirtschaft so anfällig. Hypotheken, die in Deutschland viele den reformfreudigen Grünen in der Regierung jetzt versuchen anzulasten. Dabei sind es die kurzfristigen Wachstums- und rücksichtslos durchgesetzten Konsumwünsche, die die Welt in diese schwierige Situation gebracht haben.

Insbesondere die Merkel-Jahre waren dafür beispielhaft von einer opportunistischen, außenpolitischen Rücksichtslosigkeit geprägt. Fossile Energien waren wichtiger als Krim und Ukraine.

Habecks Refrain

Natürlich gibt es für politische Entwicklungen oft keine monokausalen Erklärungen. Aber Habecks Refrain ist doch gut komponiert, so er immer wieder auf die Verantwortung derer verweist, die früher die Weichen stellten.

Die liberalen Demokratien müssen sich heute immer aggressiverer Angriffen von innen wie außen erwehren. Wie viel Putin steckt in der AfD? Wie viel Nazi in Le Pen? Wie viel rassistisch-antisemitischer Islamismus bei der antiimperialistischen Linken?

„Der Boden, er schwankt“, stellt Habeck im Rolling Stone fest.

So sehr, dass der Grüne Daniel Cohn-Bendit gerade für Frankreich bekannte: „Ich werde den Vertreter wählen, der in meinem Wahlkreis den Rassemblement National schlagen kann. Egal, ob das Republikaner sind, Vertreter der Partei von Macron oder das breite Linksbündnis der Nouveau Front Populaire.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Werden Erinnerungen wach? An Rom, an die Kaiser und die immer kürzere Regierungsdauer?

    Ich bin der festen Überzeugung, dass das Volk viel klüger ist, dass Zeitungen und die Politik gern glauben. Sinnvoll und gut gemachte Politik finden auch immer seinen Abnehmer, selbst wenn es schmerzt. Man hat nur nicht den Eindruck, dass von der Ampel etwas gutes kommt. Beispiele mag ich gar nicht mehr nennen, es sind ihrer viele...



    Das letzte richtig gut gemachte Gesetz, dass ich mitbekommen habe ist übrigens aus dem Hause Lindner und hilft dem Umweltschutz. Die Solaranlagen praktisch von den Steuererklärungspflichten zu befreien war ein Geniestreich. UND auch noch richtig gut umgesetzt. Ich gebe zu, dass habe ich heute nicht mehr erwartet, dass es sowas noch gibt.

    Eine Gegenthese zu meiner Aussage, dass gute Politik vom Volk akzeptiert wird war Schröders Agenda-Politik, die Deutschland den Arsch gerettet hat. Seine eigenen Leute haben ihn vom Hof gejagt.



    Heute hat die SPD nicht mal mehr genug eigene Leute, die Scholz vom Hof jagen könnten.

  • Dir Grünen tun im der Ampel auch nichts anderes als Merkel. Keine Zumutungen fürs Wahlvolk, um an der Macht zu bleiben. Aber 16 Jahte schaffen die nicht. Vielleicht 4.

  • 9G
    94799 (Profil gelöscht)

    Wen wählt dann nun Daniel Cohn-Bendit? Hat der überhaupt die französische Staatsbürgerschaft und darf somit in France wählen oder "nur" in der BRD und Erez Israel?

  • Nicht unwahr, nur mag Habeck doch auch die Wahrheit benennen, dass er nun Merkels Kleider trägt. Das grüne Bodypainting aka Imagepflege hilft dem Klima und anderen Krisen auch nicht besser.

    Es bleibt eine Unsitte, wenn die, die tatsächlich Macht besitzen, sich allzugern darüber beschweren, wie wenig andere tun/getan haben. Es gibt nur eine Zeit die zum Handeln taugt.

    • @TV:

      Ja, das ist schon richtig, aber richtig ist eben auch, was Habeck dazu sagt. Ich weiß nicht, wer angesichts der multiplen Krisen, die fast unmittelbar nach der letzten Wahl nacheinander auftraten, den schnurgeraden Weg zwischen den neuen Zwängen und den schon längst dringend notwendigen Neuerungen hätte gehen können.



      Leider haben sich die Protagonisten Merz-CDU ja auch bis vor Kurzem nicht geschämt, ihre ganzen Versäumnisse als Munition gegen Habeck und die – kommunikativ in der Tat komplett gescheiterten – Ampel zu inszenieren.

  • der Boden, er schwankt



    der Efeu rankt



    der Segen, oh Sankt



    verkannt,verrannt



    Schand



    oder Waldbrand



    am Rand im Sand Kant

    Endstand?!

    • @poesietotal:

      Gesundheit