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Parlamentswahl in FrankreichDer Premier muss zittern

Viele Kandidaten in Frankreich müssen sich entscheiden: Bei der Stichwahl antreten – oder für ein Bündnis gegen rechts verzichten? Ein Überblick.

Kann auf die Unterstützung von Le Pens Partei bauen: Eric Ciotti, Chef der französischen Republikaner Foto: Thibault Camus/ap

Berlin taz | Der erste Durchgang der französischen Parlamentswahl 2024 zeugt von Politisierung und Polarisierung. Gingen 2022 noch 23,3 Millionen Menschen an die Urne, waren es jetzt 32,9 Millionen – bei 49 Millionen Wahlberechtigten.

Der rechte Rassemblement National (RN) ist der große Gewinner. Es wurde samt seinen Verbündeten von 10,6 Millionen Menschen gewählt, nach 4,2 Millionen vor zwei Jahren – 33,1 Prozent gegen 18,7 Prozent. 38 Abgeordnete sind bereits direkt gewählt, in 297 der 577 Wahlkreise liegen RN-Kandidaten vorn.

Die linke Nouvelle Front Populaire (NFP) aus Sozialisten, Kommunisten, Grünen und der linkspopulistischen LFI (La France Insoumise) legt ebenfalls zu, aber nicht so stark. 2022 errang das Vorgängerbündnis NUPES in der ersten Runde 5,8 Millionen Stimmen (25,7 Prozent) – jetzt sind es 9 Millionen (28 Prozent). 32 Abgeordnete sind bereits direkt gewählt, es liegt in 159 Wahlkreisen vorn.

Das Zentrumsbündnis Ensemble der Anhänger von Präsident Emmanuel Macron legt von 5,9 auf 6,4 Millionen Stimmen zu, stürzt aber von 25,8 auf 20 Prozent ab.

Alle Kandidaten, für die in der ersten Runde mehr als 12,5 Prozent der Wahlberechtigten in ihrem Wahlkreis stimmen, können in der zweiten Runde am kommenden Sonntag antreten – müssen aber nicht. Hier einige Konstellationen:

Premierminister Gabriel Attal, Getreuer von Präsident Macron und als möglicher Nachfolger gehandelt, hat die direkte Wiederwahl im Wahlkreis Hauts-de-Seine-10 verpasst. Mit 43,9 Prozent muss er in die Stichwahl gegen Cécile Soubelet von den Sozialisten (35,5).

Innenminister Gérald Darmanin, der von den konservativen Republikanern zu Ma­cron stieß und ebenfalls Ambitionen auf seine Nachfolge hegt, hat es noch schwerer. Im Wahlkreis Nord-10 landete er mit 36 Prozent zwar vorn, aber der RN-Kandidat folgt dicht mit 34,3 Prozent. Die mit 24,8 Prozent drittplatzierte Leslie Mortreux von LFI muss nun überlegen, ob sie zugunsten des für seine Verteidigung von Polizeigewalt berüchtigten Darmanin verzichtet.

Außenminister Stéphane Séjourné verfehlt im Wahlkreis Hauts-de-Seine-9 mit 46,1 Prozent knapp die Wiederwahl und muss in die Stichwahl gegen die Grünen (21,4 Prozent).

Ex-Premierministerin Elisabeth Borne muss zittern. Im Wahlkreis Calvados-6 kam sie mit 28,9 Prozent nur noch auf den zweiten Platz hinter RN-Kandidat Nicolas Calbrix (36,3). Ein LFI-Kandidat zieht mit 23,2 Prozent ebenfalls in die zweite Runde ein und Borne ist auf seinen Rückzug angewiesen.

Marine Le Pen, Chefin des Rassemblement National (RN), hat ihren Wahlkreis Pas-de-Calais-11 mit 58 Prozent klar gewonnen.

François Hollande, Sozialist und Expräsident, geht mit 37,6 Prozent im Wahlkreis Corrèze-1 in die zweite Runde. Er muss nun hoffen, dass RN (30,9) und Republikaner (28,6) kein Bündnis gegen ihn eingehen.

Eric Ciotti, Chef der konservativen Republikaner, kommt im Wahlkreis Alpes-Maritimes-1 auf 41 Prozent. Das RN unterstützt ihn ohnehin, nun können gegen ihn die Kandidaten von LFI (26,6) und der zu Ma­crons Bündnis gehörenden Partei Horizons (22,8) antreten.

Eric Coquerel, führender LFI-Abgeordneter und wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe in der Kritik, gewinnt seinen Wahlkreis Seine-Saint-Denis-1 souverän mit 65,3 Prozent.

Sandrine Rousseau, führende Abgeordnete der Grünen und Aktivistin für Opfer sexueller Übergriffe, hat ihren Wahlkreis Paris-9 mit 52,1 Prozent knapp gewonnen.

Fabien Roussel, Chef der Kommunisten, scheidet aus dem Parlament aus. Sein Wahlkreis Nord-20 fällt an Guillaume Florquin (RN) mit 50,3 Prozent.

Der bisher älteste Abgeordnete José Gonzalez (81) aus Oran im damaligen Französisch-Algerien* hat für den RN die direkte Wiederwahl im Wahlkreis Bouches-du-Rhône-10 mit 48,9 Prozent knapp verpasst. Für die zweite Runde qualifiziert sind die Kandidaten von Ensemble (21,5) und LFI (20,8).

Der bisher jüngste Abgeordnete Tematai Le Gayic (23) von der Pazifikinsel Tahiti, Aktivist der dortigen Unabhängigkeitsbewegung, vertrat seit 2022 den Wahlkreis Polynesien-1 für das Linksbündnis Nupes. Er verlor gegen Moerani Frebault, der den Wahlkreis mit 53,8 Prozent für eine lokale Partei holt.

[Anm. d. Red.: In einer vorherigen Version des Textes hieß es „aus Oran in Französisch-Algerien“. Um Missverständnisse zu vermeiden haben wir die Formulierung angepasst.]

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5 Kommentare

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  • Das französische Wahlsystem ist ein spezielles. Da wird aus einer leichten relativen Mehrheit rasch eine Mehrheit der Mandate, da bilden sich interessante Bündnisse, da wird manchmal zunächst aus dem Bauch, dann erst aus dem Kopf gewählt.

  • Nach Angaben von „Le Monde“ verzichteten bereits 175 Bewerber auf dem dritten Platz auf eine Bewerbung um 2. Wahlgang. 136 Dreiecke (3 Bewerber pro Department auf einen Abgeordnetenplatz) sind noch geplant. Die Bewerbungsfrist für die 2. Runde endet am Dienstag um 18 Uhr. Das bedeutet:

    RN inklusive RN + LN-RN sind momentan führend in 297 Departments - also ohne im



    1. Wahlgang die nötigen 50% erreicht zu haben. Rückzug von 175 Bewerbern aus dem Lager der Anti-Le Pen Gruppen aus dem 2. Wahlgang bedeutet, das die eine im 2. Wahlgang verbliebene Anti-Le Pen Wahlgruppe die riesige Chance bekommt durch Vereinigung von Anti - LePen Wählerstimmem den RN Bewerber aus dem Lager der Bewerber für einen Parlamentsplatz zu kicken.



    Beispiel:



    Sollte das taktische Anti - Le Pen Wahlmanöver nur bei der Hälfte (150) der Dreiecksgruppen funktionieren würde Le Pen lediglich ca. 147 RN Parlametarier in das Parlement français entsenden können.

    Entscheidend wird sein wieviel taktische Rückzüge bis morgen 18 Uhr angemeldet sein werden - und ob die Wahlbeteiligung von derzeit 67% im 1. Wahlgang sich im Zweiten weiter steigern lässt.

  • Wann hat Macron sein politisches Kapital komplett aufgebraucht?

    Bisher hat dieser Opportunist immer noch ein paar linke Stimmen für sein neoliberales Projekt missbrauchen können, mit Verweis auf die rechte Buhfrau.

    Wenn jemensch noch bezweifelt, dass Neoliberalismus Faschismus gebiert, dann hat ersie keine Augen im Kopf.

  • ... und immer wieder das gleiche intuitive Denkmuster: Wie kann man sich taktisch aufstellen um den Wählerwillen zu verhindern?

    Leute - das wird nichts bringen - das führt wie wir nun mehrfach gesehen haben zum Gegenteil.



    Das führt dazu, dass die Wähler sich gerade extra nach rechts aussen orientieren.

  • Wird Frankreich rechts, dann wird ganz Europa bald "rechts" sein.



    So lange man die Gründe der Unzufriedenheit schön redet, so lange werden immer mehr Wähler sich von den etablierten Parteien abwenden - in ganz Europa.