+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: „Wir brauchen keinen Diktatfrieden“

Vor der Ukraine-Friedenskonferenz hat Kanzler Scholz Putins Bedingungen zurückgewiesen. In Schwedens Luftraum ist ein russischer Militärjet eingedrungen.

Joe Biden und Olaf Scholz

Die G7 einigten sich auf einen Milliardenkredit für die Ukraine; Biden und Scholz am 13.06. in Italien Foto: Michael Kappeler/dpa

Scholz: „Sanktionspaket wird nicht blockiert“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Vorwurf zurückgewiesen, Deutschland blockiere in der EU ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland. „Es wird nicht blockiert. Wir diskutieren über die konkrete Ausgestaltung“, sagte Scholz am Samstag dem Sender Welt TV und anderen Medien des Axel-Springer-Konzerns. „Es geht darum, wie wir sicherstellen können, dass die deutsche Wirtschaft ihre Tätigkeit ausüben kann.“

Gleichzeitig müsse garantiert werden, dass Waren, die nach Südamerika, Asien oder Afrika geliefert würden, nicht „auf Umwegen dann in Russland landen“, fuhr Scholz fort. Er zeigte sich optimistisch, dass es bald zu einer Einigung komme. „Das ist eine praktische Frage und keine grundsätzliche.“

Das neue Sanktionspaket sieht eine Reihe von Maßnahmen gegen Sanktionsumgehungen vor. Darüber hinaus sind erstmals Beschränkungen für russisches Flüssiggas geplant, allerdings kein Importstopp, wie ihn das Europaparlament fordert.

Ursprünglich wollte die EU das 14. Sanktionspaket seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine bereits bis zum G7-Gipfel in Italien beschließen, der am Freitag endete. Dies scheiterte laut EU-Diplomaten aber wegen der deutschen Bedenken.

Medienberichte, Deutschland gelte wegen seiner von den anderen EU-Staaten abweichenden Haltung bereits als „das neue Ungarn“, bezeichnete Scholz gegenüber Welt TV als „völligen Quatsch“. Denn Deutschland wolle „ja eine Lösung suchen“, betonte der Kanzler. Die rechtsnationalistische Regierung von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban gilt als Russland-nah. Zuletzt blockierte Budapest in der EU milliardenschwere Hilfen für Waffenlieferungen an die Ukraine. (afp)

Scholz weist Putins Bedingungen für Frieden zurück

Vor der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die von Russlands Präsident Wladimir Putin genannten Bedingungen für ein Ende des Krieges zurückgewiesen. „Was wir brauchen, ist kein Diktatfrieden, sondern ein fairer gerechter Frieden, der die Integrität und die Souveränität der Ukraine im Blick hat“, sagte Scholz nach dem G7-Gipfel in Italien am Samstag der ARD. Auch die Ukraine hatte Putins Vorstoß harsch zurückgewiesen.

Einen Tag vor der Ukraine-Friedenskonferenz, die ab Samstagnachmittag im Schweizerischen Bürgenstock ohne Russland stattfindet, hatte Putin gesagt, sein Land werde das Feuer „sofort“ einstellen und Gespräche aufnehmen, wenn sich die Ukraine aus den vier teilweise russisch besetzten Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja zurückziehe. Zudem solle die Ukraine auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichten.

„Jeder weiß, dass das kein ernst gemeinter Vorschlag ist, und dass er etwas zu tun hat mit der Friedenskonferenz, die in der Schweiz stattfindet“, sagte Scholz am Samstag zu Putins Äußerungen dem ZDF-Nachrichtenportal heute.de. Putin gehe es „um ganz klassische imperialistische Eroberung von Land“, fügte der Kanzler hinzu. „Er hat dafür sehr viel militärische Gewalt eingesetzt, einen brutalen Krieg begonnen.“ Hunderttausende russische Soldaten seien dafür gestorben oder verletzt worden.

Auch die Ukraine hatte die Bedingungen Moskaus umgehend als „Augenwischerei“ zurückgewiesen. „Es gibt nichts Neues, keine wirklichen Friedensvorschläge und keinen Wunsch, die Kämpfe zu beenden“, schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak am Freitag im Onlinedienst X.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach in einem Interview mit dem Sender Sky TG24 am Rande des G7-Gipfels in Italien von einem „Ultimatum“ und verglich Putins Vorgehen mit dem von Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg. Der russische Präsident wolle, „dass wir einen Teil unseres besetzten Territoriums abtreten“, sagte Selenskyj. „Hitler hat das gleiche gemacht, als er sagte ‚Gebt mir einen Teil der Tschechoslowakei und wir beenden das Ganze‘, aber nein, das sind Lügen.“

Scholz betonte, die Konferenz in der Schweiz sei nur ein erster Schritt in Richtung Frieden. Es gehe jetzt erst einmal um konkrete Fragen wie die Rückführung der Kinder, die Russland entführt habe, um Getreideexporte und die Sicherheit von Atomanlagen, sagte er in Italien, von wo aus er nach dem G7-Gipfel in die Schweiz weiterreisen wollte.

Mit diesem Wochenende solle der Grundstein für weitere Konferenzen gelegt werden, „unter Einbeziehung möglichst so vieler, dass daraus dann auch ein Erfolg werden kann.“ Es gehe zunächst darum, „Pflänzchen“ zu säen, „die wir noch gießen müsse“. Ziel sei, „dass sich daraus etwas entwickeln kann, was wirklich einen gerechten Frieden aus der Perspektive auch der Ukraine möglich macht“, sagte Scholz. (afp)

G7 bekräftigen Unterstützung für die Ukraine

Die G7 bekräftigten bei ihrem Gipfel, bei dem auch Selenksyj zu Gast war, ihre Unterstützung für die Ukraine. So wollen sie das Land im Krieg gegen Russland mit einem Kredit von 50 Milliarden Dollar (gut 46 Milliarden Euro) unterstützen. Er soll aus den Zinsen von eingefrorenem russischem Vermögen finanziert werden und bis Ende des Jahres zur Verfügung stehen – wohl auch, um einem Austrocknen der US-Hilfe bei einer möglichen Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten vorzubeugen.

Der 50-Milliarden-Dollar-Kredit sei „ein starkes Zeichen der Ermutigung für die Ukraine“, sagte Scholz. „Sie sind aber auch die Grundlage für Friedensperspektiven, weil sie die klare Botschaft an den russischen Präsidenten setzen, dass er nicht damit rechnen kann, dass die Sache sich zu seinen Gunsten entwickelt, wenn er einfach lange genug durchhält“.

Zudem schlossen die Ukraine und die USA sowie Japan am Rande des Treffens bilaterale Sicherheitsabkommen. Das Sicherheitsabkommen mit den USA sagt Kiew über zehn Jahre eine langfristige Unterstützung zu.

US-Präsident Joe Biden kehrte im Anschluss an den G7-Gipfel in die USA zurück. Vize-Präsidentin Kamala Harris nimmt an seiner Stelle an der Schweizer Konferenz teil. Sie kündigte am Samstag an, die USA würden die Ukraine mit weiteren 1,5 Milliarden Dollar (1,4 Milliarden Euro) unterstützen. Die Hilfe ist demnach vor allem für den Energiesektor und zudem für humanitäre Unterstützung gedacht. Harris sollte direkt nach ihrer Ankunft in Bürgenstock Selenskyj treffen, der bereits seit Freitagabend vor Ort ist.

Selenskyj hatte in den vergangenen Wochen bei Besuchen bei verschiedenen Verbündeten weltweit für das Treffen geworben. China hatte erklärt, keine Vertreter zu schicken, da Russland nicht eingeladen wurde. Selenksyj warf Peking vor, Staaten an der Teilnahme zu hindern.

Anwesend in Bürgenstock werden neben den EU-Staats- und Regierungschefs auch die Präsidenten von Argentinien, Kolumbien und Chile sein. Zudem schicken Saudi-Arabien, Indien und Südafrika Vertreter, Brasilien nimmt als beobachtender Staat teil. Insgesamt wurden 90 Delegationen und etwa 50 Staats- und Regierungschefs zu der bis Sonntag dauernden Konferenz erwartet.

Das Luxus-Resort Bürgenstock liegt auf dem gleichnamigen Berg, es sind 4.000 Soldaten zur Absicherung der Konferenz im Einsatz. Mehr als 400 Anwohner benötigen eine Sondererlaubnis für die sogenannten „rote Zone“. (afp)

Militärexperte: Ukrainischer Sieg ist möglich

Der Militärexperte Nico Lange hält einen ukrainischen Sieg gegen Russland für möglich, sollte der Westen mehr Waffen liefern. „Auch wir in Deutschland sollten uns folgenden Gedanken erlauben: Die Ukraine kann Russland militärisch besiegen“, sagte Lange anlässlich des Friedensgipfels in der Schweiz der Neuen Osnabrücker Zeitung am Sonnabend.

Seit die Ukraine ATACMS-Waffensysteme aus den USA erhält, stehe Russland auf der Krim gewaltig unter Druck, sagte Lange. „Der Aggressor ist dort extrem verwundbar und hat schon einen großen Teil seiner Schwarzmeerflotte von der Halbinsel abgezogen.“ ATACMS (Army Tactical Missile System) sind ballistische Kurzstreckenraketen aus US-amerikanischer Produktion.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat Lange zufolge seit zwei Jahren keine nennenswerten militärischen Erfolge mehr erzielen können. Bei Kiew, Kupjansk und Cherson sei es der Ukraine gelungen, Russlands Truppen zurückzuschlagen. „Das kann auch in der Südukraine gelingen, der Mythos der unendlichen Stärke Russlands ist in sich zusammengefallen“, so die Einschätzung des Sicherheits- und Verteidigungsexperten.

Neben dem Waffensystem ATACMS sei auch die Möglichkeit, mit westlichen Waffen, Ziele auf russischem Territorium zu attackieren, von denen die Ukraine angegriffen wird, extrem wichtig, sagte der Senior Fellow der Münchner Sicherheitskonferenz. „Mit den F-16-Kampfjets, die bald eingesetzt werden, kann Kiew russische Flugzeuge abwehren, die Gleitbomben abwerfen.“

Auch die Versorgung mit Artilleriemunition habe sich verbessert. „Für Eroberungen am Boden braucht die Ukraine neben mehr Kampf- und Schützenpanzern, Instandsetzungsinfrastruktur nahe der Front und Ausbildung von Rekruten sowie vor allem mehr Luftverteidigung – das ist die größte Lücke.“ (epd)

USA kündigen milliardenschweres Hilfspaket an

US-Vizepräsidentin Kamala Harris kündigt ein über 1,5 Milliarden schweres Hilfspaket zur Unterstützung des ukrainischen Energiesektors an. Das Geld solle helfen, die im Krieg zerstörte Energieinfrastruktur wieder aufzubauen, wie das Büro der Vizepräsidentin, die an der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz teilnimmt, mitteilt. Zusätzlich sollen mehr als 379 Millionen Dollar für humanitäre Hilfe in die Ukraine fließen. (rtr)

Russisches Militärflugzeug in schwedischem Luftraum

Ein russisches Militärflugzeug hat nach Angaben der schwedischen Streitkräfte am Freitag kurz den schwedischen Luftraum verletzt. Das Flugzeug sei östlich der Ostsee-Insel Gotland in den Luftraum eingedrungen und habe auf Warnungen nicht reagiert, teilt das schwedische Militär mit. Zwei schwedische Kampfjets hätten das Flugzeug, eine SU-24, dann abgefangen. (rtr)

Scholz: „Putins Vorschläge nicht ernst gemeint“

Die Vorschläge des russischen Präsidenten Wladimir Putin für den Beginn von Friedensgesprächen sind Bundeskanzler Olaf Scholz zufolge nicht beim G7-Gipfel besprochen worden. Jeder wisse, dass diese Vorschläge nicht ernst gemeint seien, sondern etwas zu tun hätten mit der Konferenz in der Schweiz, sagte er dem ZDF. Am Samstag treffen sich Vertreter von mehr als 90 Staaten in der Schweiz zu einer Friedenskonferenz zur Ukraine.

Russland war nicht eingeladen worden. Putin hatte am Freitag Bedingungen für Friedensgespräche mit der ukrainischen Regierung gestellt. Russland würde die Kämpfe einstellen, wenn die Ukraine ihre Bestrebungen aufgebe, der Nato beizutreten, erklärte er. Darüber hinaus forderte er den Abzug der ukrainischen Armee aus den vier Regionen, die von Russland für annektiert erklärt worden sind. (rtr)

Mehrere Tote in Region Sumy

In der an die Ukraine grenzenden russischen Region Belgorod sind nach Behördenangaben am Freitag sechs Menschen getötet worden. Vier von ihnen wurden laut dem russischen Ministerium für Katastrophenschutz aus den Trümmern eines mehrstöckigen Wohnhauses in der Stadt Schebekino geborgen. Ein Mann sei in seinem Auto von einer ukrainischen Drohne getroffen worden und eine Frau in der weiter westlich gelegenen Ortschaft Oktjabrski in ihrem Haus durch Raketenbeschuss getötet worden, teilt der Gouverneur der Region Wjatscheslaw Gladkow, mit. Auf der ukrainischen Seite, in Schostka in der Oblast Sumy, wurde nach Angaben des ukrainischen Militärs am Freitag eine Person getötet. In der Region Sumy sind die Menschen täglich russischen Angriffen ausgesetzt. (rtr)

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