Abschiebung von Straftätern : Wie einst Horst Seehofer

Straffällig gewordene Geflüchtete zurück nach Afghanistan? Der Untersuchungsausschuss zum Debakel am Hindukusch beschert ein Déjà-vu.

Ein Flugzeug fliegt über einen Stacheldrahtzaun. (Symbolbild)

In Afghanistan und Syrien drohen Abgeschobenen Folter und Tod Foto: Daniel Kubirski/picture alliance

BERLIN taz | Der Untersuchungsausschuss zum Afghanis­tan­debakel führt zu merkwürdigen Konstellationen. Da spricht der geladene Zeuge Ulrich Weinbrenner, Abteilungsleiter im Innenministerium, am Donnerstag über Abschiebungen nach Afghanistan im Sommer 2021. Diese waren im Frühjahr zuvor gestoppt worden, auch wegen der drohenden Machtübernahme der Taliban. Die gewannen damals schnell an Boden, die Sicherheitslage verschärfte sich stetig. Warum das Innenministerium – damals unter Horst Seehofer von der CSU – trotzdem noch einen Abschiebeflug plante, will ein SPD-Abgeordneter heute von ihm wissen. Es schwingt mit, dass er es für eine schlechte Idee hält, Menschen an einen Ort zu schicken, der droht, von den Taliban überrannt zu werden.

Und doch will das aktuelle Innenministerium – inzwischen SPD-geführt – genau da weitermachen, wo Seehofer 2021 aufhören musste. Und das, obwohl die Taliban inzwischen ganz Afghanistan kontrollieren. Bundeskanzler Olaf Scholz hat letzte Woche verkündet, künftig Straftäter*innen, Gefährder und Terrorsympathisanten wieder nach Afghanistan und auch nach Syrien abschieben zu wollen.

Hintergrund ist der mutmaßlich islamistische Messerangriff von Mannheim, bei dem ein Afghane einen Polizisten erstach. Wenn Abteilungsleiter Weinbrenner in seiner Antwort dann vom „Handlungsdruck“ spricht, der sich 2021 aus der Zahl der ausreisepflichtigen Af­gha­n*in­nen in Deutschland ergeben habe, dann darf man davon ausgehen, dass den auch die aktuelle Bundesregierung verspürt.

Lob für die deutschen Pläne gab es am Donnerstag von Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Der Welt sagte er: „Dieses Thema werden wir beim Rat der Innenminister weiter vorantreiben. Am besten wäre eine europäische Lösung in dieser Frage.“

Das deutsche Auswärtige Amt sperrt sich bisher aber gegen die Abschiebepläne und verweist dabei auf die fehlenden diplomatischen Beziehungen zu den Regimen in beiden Ländern. Zu Afghanistan sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schon letzte Woche: „Wie will man mit einem islamischen Terrorregime zusammenarbeiten, mit dem wir gar keine Beziehungen haben?“ Auch andere Grüne sind kritisch, sie führen vor allem humanitäre Gründe an.

Menschenrechtsorganisationen lehnen die Pläne der Bundesregierung ohnehin ab. Wiebke Judith, Rechtsexpertin bei Pro Asyl, sagte der taz, das syrische Regime sei „berechtigterweise international geächtet“. Daran dürfe Deutschland nicht rütteln, genauso wenig dürfe die Isolation der Taliban in Afghanistan beendet werden. In beiden Ländern drohten Abgeschobenen Folter und Tod, die Pläne verstießen deswegen gegen das Völkerrecht.

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