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Stichwahl in ThüringenAfD verliert alle neun Duelle

Bei der Kommunalwahl in Thüringen hatte es die AfD in neun Stichwahlen geschafft. In keiner konnte sie sich durchsetzen, aber in einer war es knapp.

Mit Geduld am Werk: Uwe Melzer (CDU) hat im zweiten Anlauf im Altenburger Land gegen den AfD-Kandidaten Heiko Philipp gewonnen Foto: Bodo Schackow/dpa

Berlin taz | Zumindest bei den Landratswahlen blieb Thüringen die blaue Welle erspart. Der höchste Stimmanteil und die meisten Ämter gingen an die CDU. Robert Sesselmann, der im vergangenen Jahr in Sonneberg das Amt des Landrats gewinnen konnte, bleibt somit vorerst der einzige Thüringer AfD-Landrat.

Die Thüringer CDU konnte sich am Sonntag in sieben Landkreisen und in den kreisfreien Städten Erfurt und Gera durchsetzen. Auf Platz zwei bei den Stimmen stehen die „sonstigen Parteien“, die in drei Landkreisen die meisten Stimmen bekamen. Die AfD landete thüringenweit zwar auf Platz drei bei den Stimmen, aber gewann keins der Ämter. Die SPD gewann hingegen in zwei Landkreisen und die FDP in der kreisfreien Stadt Jena.

Zu Beginn der Auszählung ging es im Altenburger Land äußerst knapp zu. Der AfD-Kandidat Heiko Philipp lag zwischenzeitlich mit 49,2 Prozent knapp hinter Uwe Melzer, seinem Kontrahenten von der CDU, der entsprechend 50,8 Prozent bekommen hatte. Am Ende verlor Philip dann aber doch deutlich mit 45 Prozent, obwohl er 5.000 Stimmen mehr bekam als im ersten Wahlgang. Da hatte Philipp sogar knapp vor Melzer gelegen.

Alle anderen acht AfD-Kandidaten bekamen im zweiten Wahlgang niedrigere Stimmanteile als Philipp. Auch Stefan Schröder, der im Wahlkampf in Sömmerda versucht hatte, ein vermeintliches Bündnis mit seinem CDU-Mitbewerber Christian Karl zu konstruieren, um den Ausbau einer Unterkunft für Geflüchtete zu verhindern. Wie die taz berichtete, widersprach Karl dieser Darstellung. Er hat Anzeige erstattet und nun bei der Stichwahl gegen Schröder mit 59,4 zu 40,6 Prozent gewonnen.

Erfurt und Gera: Amtsträger abgelöst

In den kreisfreien Städten Gera und Erfurt löst die CDU die bisherigen Amtsträger ab. Trotz der Gerüchte, er mache mit Rechtsextremen gemeinsame Sache, gewann der CDU-Kandidat Kurt Dannenberg gegen den parteilosen Julian Vonarb. In Erfurt setzte sich Andreas Horn gegen seinen Namensvetter von der SPD durch. Andreas Bausewein war seit 2006 Bürgermeister in Erfurt. Laut Recherchen des Nachrichtenmagazins Spiegel hatte Bausewein Anfang des Jahres zugesagt, für die neue Partei Bündnis Sahra Wagenknecht anzutreten, aber kurz vor der Verkündung noch einen Rückzieher gemacht.

Die SPD-Landrätin Antje Hochwind-Schneider konnte im Kyffhäuserkreis ihr Mandat gegen den AfD-Herausforderer Andreas Hartung-Schettler verteidigen. Ihr Parteigenosse Onno Eckert gewann im Kreis Gotha ebenfalls. Er bekam etwa 25 Prozentpunkte mehr als der AfD-Kandidat Stephan Steinbrück.

Die Grünen und die FDP hatten es beide nur in Jena in die Stichwahl geschafft. Das in Thüringen einmalige Duell ging für den alten und zukünftigen Oberbürgermeister Thomas Nitzsche von der FDP aus. Seine Herausforderin Kathleen Lützkendorf konnte ihre Stimmen aus dem ersten Wahlgang zwar mehr als verdoppeln, es reichte aber trotzdem nicht.

Im Ilmkreis hat die von den Linken unterstützte Parteilose Petra Enders mit mehr als 65 Prozent deutlich gewonnen. Sie trat gegen den AfD-Kandidaten Ralf Gohritz an.

In Hildburghausen gewann der Kandidat der Freien Wähler Sven Gregor mit mehr als doppelt so vielen Stimmen gegen den Neonazi Tommy Frenck. Dass Frenck als bekennender Hitler-Verehrer es überhaupt in die Stichwahl geschafft hatte, war für viele Be­ob­ach­te­r:in­nen ein Schock.

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5 Kommentare

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  • 15% rechte, bzw. rechtsradikale Gesinnung im Europäischen Parlament sind kein Grund zur Schadenfreude. Kommunalwahlen sind auch Persönlichkeitswahlen und haben deutlich weniger mit Parteipolitik zu tun als man manchmal annimmt.

    • @Tom Lehner:

      Wer freut sich denn da Schaden? vdL, Weber, Merz, Söder arbeiten doch schon lange an einer rechten, europäischen Einheitsfront.



      Alles was rechtsstaatlich und demokratisch riecht, ist links-grün versifft.



      Zum zweiten Satz: In BaWü hatten wir auch Kommunalwahlen am 9.6. Ja, ich habe unserm Bürgermeister (CDU) für die Kreistagswahl meine Stimme gegeben. Nicht aus Überzeugung, einzig aus der Überlegung: er ist kein Arsch, kann nichts für Merz. Ein deutlich legimitierter Bürgermeister kann auch im Kreistag für seine Gemeinde stark argumentieren.



      Und mal ehrlich: auch in der Kommunalpolitik gab/gibt es Pro und Kontra. Aber es gab auch den versöhnlich stimmenden Ratskeller. Mit dem erneuten Auftreten der SA (Fackelzüge vor missliebigen Politikern) ist dieser Konsens brachial gestört.

  • Eine der wenigen guten Nachrichten dieser Wahl aus Ost-D-Land.

    Ganz offensichtlich wollen zwar viele Menschen in Thüringen/Ost-D-Land Veränderungen (oder vlt. wollen sie auch einfach nur mehr gehört werden)..

    ..aber den Nazis die Macht zu über tragen, das wollen sie dann vorsichtshalber wohl doch nicht.

    Sehr spannend..und unbedingt wert weiter nach der Auflösung dieses Widerspruchs (??) zu suchen...

    • @Wunderwelt:

      Noch nie hat aus einer genügend großen Menge eine Mehrheit Nazis gewählt.

  • Beste Wahlnachricht des Tages.