Mannheim, Fußball und Wahlrecht: Radikalisierung, Rechte, Rheinmetall

Scheißumfrage oder Scheißantworten, hohe Nasen im Lehrerzimmer und die Folgen des Mannheimer Attentats. Und ein besorgter Ministerpräsident.

Hendrik Wüst gestikuliert beim Sprechen

Hendrik Wüst bei einer CDU Wahlkampfveranstaltung zur Europawahl, Mai 2024 Foto: Political-Moments/imago

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Briefwahl ausgefüllt und zu Hause vergessen.

Und was wird besser in dieser?

Geschmeidiges Team im Wahllokal.

Welche Konsequenzen sollte das islamistische Attentat von Mannheim abseits von rassistischer Instrumentalisierung haben?

Rechtliche. Fünf versuchte und ein vollendeter Mord sollten dafür reichen. Für solche Taten hat der Rechtsstaat lebenslängliche Strafen und Sicherheitsverwahrung im Angebot. Das All­parteien­geblöke „Straffällige Ausländer abschieben“ klingt, als sei das vielen nicht genug: Syrien und Afghanistan als outgesourcte Todesstrafe. Der Mannheimer Attentäter, darauf weisen Experten hin, sei IS-radikalisiert, für so etwas sehe die Konkurrenz von der Taliban als Begrüßungsritual ein Loch im Kopf vor. Dazu bietet das Folterregime in Kabul prompt diplomatische Gespräche an, die Henker wünschen einen Prestigegewinn gegen den blutigen Job. Der Attentäter hat eine deutsche Frau und deutsche Kinder. Die Konsequenz von Mannheim sollte sein, dass wir wir bleiben. Das ärgert die langfristig am meisten. Also die religiös-politischen Wirrköpfe. Auch die deutschen.

Eine vom WDR in Auftrag gegebene Studie fand heraus: 21 Prozent der Deutschen wünschen sich eine weißere Mannschaft bei der Fußball-EM. Infolgedessen wurden vor allem die Macher der Studie kritisiert. ­Richtig so?

Eine Doku mit einer zugespitzten Umfrage publizistisch anzuspitzen, ist geübte Praxis. Man gibt dem „Deutschland-Trend“, der ohnehin erhoben wird, noch ein paar Fragen bei, das ist günstiger. So bekommt ein eher essayistischer Film – wie entwickelte sich der Migrationsanteil in der deutschen Na­tio­nal­mann­schaft? – einen reißerischen Aufhänger. Und man hofft, diesmal zu Recht, auf mehr Gratiswerbung im redaktionellen Teil. Die Doku „Schwarze Adler“ räumte vor drei Jahren alle verfügbaren Preise ab und kam ohne diesen Trick aus. 2016 wollte AfD-Gauland Boatengs Tore sehen, ihn aber nicht in der Nachbarschaft haben; seine Volksgenossin von Storch forderte eine „Nationalmannschaft“ und löschte den Tweet unter mächtigen Shitstorm wieder. Kurz: Man hätte bei der ARD gewarnt sein können, sich sinnstiftendere Fragen einfallen zu lassen: „Freuen Sie sich über Erfolge der Mannschaft, unabhängig von der Herkunft der Spieler?“ Klar sind es eher 21 Prozent Scheißantworten als gleich eine „Scheißumfrage“, wie Bundestrainer Julian Nagelsmann erbrach. Diese zielt auf das Trennende, nicht das Verbindende.

Der Lehrerverband hat kurz vor den Europawahlen ein Statement abgegeben, in dem er das Wahlrecht ab 16 kritisiert. Haben die Lehrer mal wieder recht?

Na ja, die Ecke vom Lehrerzimmer, wo in der großen Pause FAZ und Bild rascheln. Der Deutsche Lehrerverband rangiert hinter gewerkschaftlich oder im Verband Bildung und Erziehung organisierten Lehrenden, Untergliederungen sind die Katholische Erziehergemeinschaft Deutschland und der Deutsche Philologenverband. Also Nase eher hoch und rechts. Der Verband spricht also nicht für „die Lehrer“ und erst recht nicht für die SchülerInnen. Tendenzen zur Radikalisierung oder gleich zum Ausstieg aus der Demokratie wurzeln oft in dem Gefühl, nicht wirksam zu sein und nicht wahrgenommen zu werden. Dagegen könnte zum Beispiel ein Wahlrecht ab 16 helfen. Mal im Gemeinschaftskundeunterricht drüber diskutieren.

Nach den Überschwemmungen in Süddeutschland sagt NRW-Ministerpräsident Wüst, an Extremwetter­ereignisse müsse man sich als „Teil des Alltags“ gewöhnen. Klare Worte oder ein neuer Rekord auf der nach unten offenen Söder-Skala?

Wüst wetterleuchtet vor einem Treffen mit Bundeskanzler Scholz, auf dem es um die versprochene Pflichtversicherung gegen Elementarschäden gehen soll. Die Idee, überschwemmten Eigenheimern eine neue Kellerwand zu bezahlen, ist nicht ehrlos. Und dass Wüst der Klimawandel ansonsten wumpe wäre, gibt der O-Ton beim schlechtesten Willen nicht her. Eher schon seine Politik.

Und was machen die Borussen?

Zwei Petitionen gegen den „Werbedeal mit Rheinmetall“ lungern bei zusammen 25.000 Unterschriften herum, ein knappes Drittel Westfalenstadion. Die Ankündigung nach Saisonende verhindert spontane Unmutsbekundungen kritischer Fans. Irgendjemand muss was tun. Na gut, ich mach’s.

Und was macht der RWE?

Nach dem Nichtaufstieg in die 2. Liga verlassen acht Spieler die „Hafenstraße“, der Vater des Erfolgs, ­Marcus Uhlig, ging schon vorher. Richten wir uns auf eine längere Episode in der 3. Liga ein.

Fragen: Joscha Frahm

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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