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Das Problem ist nicht die deutsche Wirtschaft an sich. Das Problem sind - wie auch schon bei der Subprime-Krise - die Immobilienfinanzierungen. Wenn die Wirtschaft die Atmosphäre ist, sind die Immobilien der Ozean. Die Frage ist, wie lange wir sinkende Immobilienpreise durchhalten, denn gerade große Immobilienfirmen (Vonovia, Heimstaden etc.) beginnen schon mit dem Verkauf. Das wird die Preise trotz Wohnungsmangel in einigen Städten weiter drücken, sollten die EZB-Zinsen weiterhin über 3% bleiben. Um sich das klarzumachen, reicht es, einen Blick auf die Preise z. B. von Eigentumswohnungen zu werfen, als die Darlehenszinsen das letzte Mal bei 3% lagen. Das ist mehr als 10 Jahre her. In Berlin sind die Kaufpreise seitdem verdoppelt oder in einigen Lagen verdreifacht. Dieser Effekt ließ sich kaum durch legale Mieterhöhungen auffangen. Das führte dazu, das jetzt, bei Zinsen um die 4%, die Renditen bei den aktuellen Angebotspreisen viel zu niedrig sind. Eine Eigenkapitalrendite von 7-10% wie noch vor 10 Jahren erreichen Immobilieninvestoren nur mit sehr viel Glück oder in merkwürdigen Lagen, aber nicht in Berlin oder München, was vor 10 Jahren noch möglich war.
@Aurego Das Problem ist halt, dass die Entwicklung der Zinsen und damit der Immopreise der letzten fast 20 Jahre eben keine normale war, sondern Ausdruck eines langwierigen Abwehrkampfs (Whatever it takes usw...). Mean reversal...
@EffeJoSiebenZwo Die Reaktion von EZB und Fed auf die Krisen war jedoch leider notwendig, um noch größere Schäden zu verhindern.
@Aurego Sag ja nicht, dass dass nicht richtig war, aber mE etwas zu lange und etwas zu viel.
Letztlich kommt die Wirtschaft - und nicht nur die Immobilienwirtschaft - nun langsam runter von einem bald 20jährigen Trip und zeigt alle Zeichen eines hochgradig Abhängigen, dem seine Droge weggenommen wird.
Erstaunlich, wie sie dazu kommen, bei einer Zinssenkung von 0,25% davon zu falulieren, dass es jetzt günstige Zinsen gäbe.
Ansonsten hängen die Refinanzierungskosten für Deutschland eher von der Erwartung an die wirtschaftliche Entwicklung ab, als von so minimalen Zinsveränderungen.
Ansonsten düften die Refinanzierungskosten in der EU ja kaum die vorhandene Bandbreite aufzeigen.
Dass die Zinsen für die Wirtschaftsflaute verantwortlich wären, ist auch falsch, schliesslich gibt es fast überall in Europa erheblich mehr Wachstum als in Deutschland.
Dass Investitionen fehlen, liegt an falscher Ausgabenpriorisierung. Die Einnahmen sind auf einem historischem Höchststand.
Zudem schreiben sie, die Banken würden die Zinsen dann weitergeben. Das stimmt aber nur für die Kreditzinsen, leider nicht für Sparzinsen. Sonst würden wir ja nicht noch Banken und Sparkassen finden, die auf Tagesgeld oder Festgeld knapp 1 % Zinsen zahlen.
Dass die (erstaunlich laut angekündigte) minimale Zinssenkung direkt vor der Europawahl stattfindet, hat sicher nichts damit zu tun, dass die EZB hier mal wieder politisch agiert, was ihr eigentlich untersagt ist.
Jeder Kredit vermehrt die Geldmenge und führt zu mehr Wachstum und das in einem System, in dem Anleger kaum noch irgendwo Lücken finden, wo sie auch nur ansatzweise Nachfrage generieren könnten. Die Werften in Papenburg und an der Ostsee finden keine Auftraggeber mehr. Die Autoindustrie muss aus reiner Verzweiflung gegen den Nachfragetrend ihr Angebot auf überteuerte SUV und Luxuslimousinen beschränken, um überhaupt noch ihre Aktionäre bedienen zu können, Immobolienmogule haben ihren Markt ausgereizt, wenn sie zu ihren Bedingungen keine Mieter mehr finden und Profite ausbleiben. Mehr als ein eh' schon ausgereiztes Zuviel geht halt nicht, auch wenn ihnen das Geld hinterher geschmissen wird. Blöd nur, dass diejenigen, wie weniger haben, in der Inflation auch noch ärmer werden und damit letztlich sogar als Kunden bei Aldi & Co ausfallen, die ja inzwischen selbst für die Tafeln unentbehrlich geworden sind. Der Wert des Geldes ist nur relativ und da haben die US-'Druckmaschinen' die Nase vorn.
Es wird Zeit für ein 🇪🇺 EU-Finanzministerium, dann kann Europa mit seinem Euro-Währungsmonopol seine wirtschaftliche und finanzielle Stabilität stärken und effektiver auf globale Herausforderungen reagieren.
Ein zentralisiertes Finanzministerium könnte die Fiskalpolitik der Mitgliedstaaten besser koordinieren, Haushaltsdefizite kontrollieren und gemeinsam auf wirtschaftliche Krisen reagieren.
Darüber hinaus würde es die Möglichkeit bieten, Investitionen in nachhaltige und zukunftsweisende Projekte zu bündeln, was zu einem stärkeren und widerstandsfähigeren Europa beitragen könnte. Ein solches Finanzministerium würde somit die wirtschaftliche Integration vertiefen und die europäische Einheit weiter festigen.
@Miles Parker Ich bin bei Ihnen, dass eine stärkere, gut gemachte gemeinsame(re?) Finanzpolitik und ein eigener Haushalt dem Projekt EU gut täte.
Einen irgendwie gearteten Einfluß der Finanzpolitik auf die Geldpolitik / die EZB darf es aber in keinem Fall geben.
Zinsen auf heutigem Niveau sind für eine wirtschaftlich profitable Firma i. d. R. kein Problem. Bei allzu niedrigem Zins wie in den vergangenen Jahren entstehen "Zombie"-Firmen, die mit billigem Geld vor sich hinsiechen und bei normalen Zins hätten Bankrott erklären müssen. Eine Untersuchung der Bundesbank stellte dies vor einiger Zeit fest. Billiger Zins fördert die Unfähigkeit im Wettbewerb zu bestehen. Hinzu kommen die ohnehin schon schlechte Ausgangslage (im Vergleich zum Rest der Welt) bezüglich der Arbeitskosten. Dem Kommentar fehlt der Blick auf den Gesamtzusammenhang indem er sich lediglich aufs leichte Geldausgeben fokussiert, ohne zu berücksichtigen, dass die Kohle auch irgendwo erwirtschaftet werden muss.
@maxwaldo Word!
4% sind jetzt an sich keine hohen Zinsen. Das Problem ist, wenn sich der Markt einmal auf einen Zins eingepegelt hat, und das war über mehr als 1 Jahrzehnt der 0-Zinssatz nach der Finanzkrise, ist alles was darüber ist "hoch". Und genau das Problem hat die EZB jetzt. Die radikalen Zinserhöhungen nach dem Beginn des Ukrainekrieges waren Gift. Jetzt versucht man langsam die Fehler zu korrigieren, aber der Schaden ist getan.
Eine Abteilungsleiterin bekommt 20 Prozent weniger Gehalt als ihr direkter Kollege im gleichen Betrieb. Jetzt wehrt sie sich vor Gericht.
EZB senkt die Zinsen: Zu wenig Geld und noch zu teuer
Die EZB will Geld billiger machen und senkt deshalb den Leitzins. Die kränkelnde deutsche Wirtschaft heilt das noch nicht.
EZB-Präsidentin Lagarde bei einer Pressekonferenz am 6. Juni in Frankfurt Foto: Wolfgang Rattay/reuters
Der Auftritt von Christine Lagarde diese Woche war reine Formsache. Die Welt der Ökonom*innen und Finanzberichterstatter*innen erwartete seit Wochen, was die Chefin der Europäischen Zentralbank gemeinsam mit ihrem Stellvertreter endlich verkündete: Die EZB senkt den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 Prozent: Geld wird wieder billiger. Die Inflation ist gesunken, die „Zuversicht ist in den vergangenen Monaten gestiegen“, begründete Lagarde die Entscheidung.
Ein sinnvoller Schritt in die richtige Richtung. Das muss die Zentralbank wohl auch glauben. Sie kündigte die Zinswende ungewöhnlich offen bereits Wochen vor der offiziellen Pressekonferenz in Frankfurt an. Die EZB steuert die Geldpolitik im Euroraum. Ihr Ziel ist es, die Preise für zum Beispiel Lebensmittel und Dienstleistungen in Euroländern stabil zu halten. Dafür müssen die Preise nur langsam steigen, das ist der Fall bei einer Inflationsrate von 2 Prozent.
Auch ein Leitzins von 4,25 Prozent ist hoch. Die Geldpolitik bleibt restriktiv und wirkt somit dämpfend auf die wirtschaftliche Lage
Schaut man sich die vergangenen zwei Jahre an, war genau das Gegenteil der Fall. Es klaffte eine große Lücke im Portemonnaie: Die Preise stiegen aufgrund von hohen Energiepreisen in Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. In Deutschland lagen die Inflationsrate im Jahr 2023 bei 5,9 Prozent. Im Jahr zuvor lag sie 1 Prozentpunkt darüber. Preisstabilität sieht anders aus. Die EZB wollte dem entgegenwirken und erhöhte den Leitzins, nach langjährigem Nullzins – und das insgesamt zehnmal.
Wer sich also Geld bei der EZB leiht, muss seit Herbst 2023 mindestens 4,5 Prozent draufzahlen. Betroffen davon sind im ersten Schritt die sogenannten Geschäftsbanken, bei denen Kund*innen Kredite aufnehmen. Die Konditionen der EZB geben die Banken an ihre Kund*innen weiter. Andersherum ist es auch möglich, dass Geschäftsbanken Geld bei der EZB einlagern und dafür Zinsen erhalten. Auch der sogenannte Einlagenzins sinkt um 0,25 Prozent.
Keine Trendwende in Sicht
Hohe Zinsen sorgen dafür, dass sich sparen lohnt, Kredite teurer sind und weniger investiert wird. Das dämpft die Wirtschaft und senkt die Inflationsrate. Und genau aus diesem Grund waren die bisherigen Zinsentscheidungen der Zentralbank auch völlig richtig: Die Inflationsrate ist gesunken. Aber: Die wirtschaftliche Lage hat unter der Inflation gelitten. Billigeres Geld soll nun dafür sorgen, dass wieder mehr investiert und weniger gespart wird.
Für die Verbraucher*innen hat die Entscheidung der EZB schon Folgen gehabt. In der Finanzwelt wird oftmals im Voraus gehandelt, die Erwartung auf eine Zinssenkung hat dazu geführt, dass Geschäftsbanken die Zinsen für Kredite bereits gesenkt haben. Für Leute, die Geld leihen müssen, eine gute Nachricht, für Sparer weniger optimal. Auch die Immobilienkredite reagierten bereits im Herbst 2023 auf mögliche Veränderungen des Leitzinses und fielen um etwa 1 Prozentpunkt.
Eine Trendwende steht uns trotzdem nicht bevor: Auch ein Leitzins von 4,25 Prozent ist weiterhin hoch. Einige Ökonom*innen fordern weitere Zinssenkungen um insgesamt 1 Prozent bis zum Jahresende. Doch selbst, wenn die Forderung umgesetzt wird, bliebe die Geldpolitik restriktiv und wirkte somit dämpfend auf die wirtschaftliche Lage. Wie wahrscheinlich weitere Zinssenkungen sind, lässt Lagarde offen, man wolle sich nicht auf einen bestimmten Zinspfad festlegen, sagte sie auf der Pressekonferenz.
Zuletzt bereiteten die weiterhin hohen Preise im Dienstleistungssektor Ökonom*innen einige Kopfschmerzen. Dabei wären weitere Senkungen besonders für Deutschland eine gute Nachricht. Ein konjunktureller Aufschwung wäre hierzulande erfreulich. Zu dem weiterhin hohen Leitzins kommt stattdessen außerdem die fehlende deutsche Einsicht, wie wichtig staatliche Investitionen zu diesem Zeitpunkt wären.
Inspiration für den Finanzminister
Finanzminister Christian Lindner hält weiterhin die Hand über dem Geld und will ja nicht die Schuldenbremse anfassen. Das ist sehr bedauerlich, denn die niedrigen Zinsen bedeuten auch, dass Deutschland weniger Geld für seine Schulden zahlen muss. Bisher waren die zu hohen Zinsen ein Argument für Lindners Untätigkeit. Die EZB löste sich mit ihrer Zinsentscheidung erstmalig von der bisherigen Taktgeberin, der amerikanischen Zentralbank, Federal Reserve System, bekannt als Fed.
Da die wirtschaftliche Lage in den USA blumiger scheint als die europäische – man war dort weniger abhängig von russischem Gas –, bleiben die Zinsen hoch. Mit dem wünschenswerten Kurs der EZB, den Leitzins weiter zu senken, würde man sich von der Fed abkoppeln. Das sollte Inspiration sein für unseren Finanzminister, damit er sich mutig von seinen überholten Prinzipien löst.
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Kommentar von
Anastasia Zejneli
Autorin
Jahrgang 1999, studierte Wirtschaftspolitischen Journalismus in Dortmund und gründete ein Kulturmagazin für das Ruhrgebiet. Seit Oktober 2023 Taz-Volontärin.
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