piwik no script img

Landwirtschaft in Irland„Ein teures Hobby“

Für manchen Bauern an der irischen Westküste ist Landwirtschaft ein teures Hobby. Aber Traditionen wollen bewahrt werden – trotz hoher EU-Auflagen.

Kühe im irischen Fanore im County Clare Foto: imago

P at McNamara ist immer beschäftigt. Der 62-Jährige lebt an der irischen Westküste und hat viele Jobs. Er hält die Schule in Schuss und mäht den Rasen, auf dem Friedhof sorgt er dafür, dass die Gräber nicht überwuchert werden. „Schließlich kommen viele Touristen, vor allem Frauen, um das Grab von John O’Donohue zu besuchen“, sagt er. O’Donohue war ein weltweiter Bestseller-Autor, der 2008 im Alter von nur 52 Jahren gestorben ist.

Außerdem mäht McNamara auch die Wiesen einiger Nachbarn, auch bei uns, und manchmal hilft er auch beim Aufhängen von Bildern oder beim Reparieren von Lichtschaltern, wenn man – wie ich – handwerklich zu ungeschickt ist, um es selbst zu tun. Eigentlich ist er aber Bauer. Er besitzt 15 Kühe und einen Stier. Charlie, der Stier, macht ihm zurzeit Sorgen, weil er seit Wochen etwas lahmt und seinen Pflichten nicht nachkommen kann.

„Meine Frau behauptet, es sei ein teures Hobby“, sagt er. „Aber im Westen Irlands ist die Landwirtschaft die traditionelle Lebensweise. Mein Vater war Bauer, mein Großvater auch, und die Generationen davor ebenfalls.“ Bevor Irland 1973 in den Vorläufer der EU aufgenommen wurde, war das Land ökonomisch von der Landwirtschaft abhängig. „1973 arbeitete fast ein Viertel der Iren in diesem Wirtschaftszweig“, sagt McNamara. „Heute sind es nur noch vier Prozent.“

Die Bauernschaft sehe die Europäische Union im Grunde sehr positiv, sagt er. Schließlich hätten vor allem die Kleinbauern ohne die EU nicht überlebt, und das gelte auch für die Zukunft. Im Zeitraum von 2023 bis 2027 werden im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik knapp 10 Milliarden Euro in den irischen Agrarsektor und die ländlichen Gebiete fließen, wobei der irische Staat zusätzliche Mittel bereitstellt. Ein Teil ist für direkte Einkommensbeihilfen vorgesehen, und ein Teil ist für Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums reserviert.

Viele haben gar keinen Computer

„Der Nachteil ist die Bürokratie“, sagt McNamara. „Man muss für alles ein Formblatt ausfüllen, vieles ist überreguliert. Es gibt strenge Vorschriften für Lebens- und Futtermittel. Für die älteren Bauern, und das sind die meisten hier im Westen des Landes, ist es ein Riesenproblem, online Anträge zu stellen und Formulare auszufüllen. Viele haben gar keinen Computer und sind auf die Hilfe von jüngeren Familienmitgliedern angewiesen.“

Sonntags macht McNamara meistens etwas früher Schluss, im Sommer um 21 Uhr. Danach kommt er mit seiner Frau auf ein Weißbier bei uns vorbei. Manchmal bringt er Werkzeug mit, wenn es etwas zu tun gibt. Diesmal ist er zufrieden, zwei Kühe haben gekalbt, sie sind wohlauf. Die EU will die Einzelhaltung in sogenannten Kälberiglus verbieten.

„Das betrifft Irland nicht“, sagt McNamara. „Hier leben die Tiere das ganze Jahr über auf der Weide.“ Möglicherweise sind es die letzten Nachkommen von Charlie. Der Stier muss an einen Abdecker verkauft werden, falls sich der Zustand der Hufe nicht bessert. „Das wäre nicht nur ein erheblicher finanzieller Verlust“, sagt McNamara, „sondern ich hänge auch sehr an dem Tier.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Erschreckend , wie hier die Leute auf die K - Gold Werbung hereinfallen und diese auch noch glauben. Zur irischen Wahrheit welche ich beobachten durfte. In der Tat gibt es dort noch eine größere Anzahl Milchviehbetriebe mit sehr wenigen Kühen (10 - 20) und älteren Betriebsinhabern. Weiterführung der Betriebe gen Null. Bei den größeren Milchviehfarmen : Mitnichten stehen die Kühe nur auf der Weide und fressen den ganzen Tag frisches Gras(Werbung nicht gleich Wirklichkeit). Es stimmt das die Kühe zwar Weidegang haben aber diese werden auch mit Silage und Kraftfutter gefüttert. Ohne dies wäre die dortige Landwirtschaft nicht konkurenzfähig(die Milchleistung wäre zu gering!). Die meisten Betriebe haben (aufgrund der Struktur) keinesfalls hunderte Hektar neben dem Hof. Somit zwar temporärer Weidegang, aber die Fütterung zur Steigerung der Milchleistung (Kraftfutter) findet im Stall statt. Obendrauf müssen die Kühe ja gemolken werden. Entweder Melkstand oder mit Melkrobotern.

  • In Deutschland hören auch immer mehr Nebenerwerbslandwirte auf. Auch wegen der ausufernden Bürokratie, aber vor allem weil die Enkelkinder und Urenkelkinder ehemaliger Vollerwerbsbauern heute nicht mehr Tagelöhner arbeiten müssen, weil es meistens nur einen Haupterben gab. Trotz aller Bauernromantik ist das eine gute Entwicklung. Bei uns in der Kleinstadt besitzen die meisten "Eingeborenen" immer noch kleine Äcker, die sie heute gerne für kleines Geld an die wenigen Großbauern verpachten, die es im Ort noch gibt. Sonst müssten sie den Acker selbst pflegen - und Land verkauft man einfach nicht.

  • „Das betrifft Irland nicht“ --> das stimmt höchstens für die (Hobby-)Fleischrinderhalter an der rauen Westküste. Kälberiglus sind in irischen Milchviehbetrieben Standard.

  • Die Kerry Group (Butter, Margarine, usw.) wirbt auch damit, dass die Kühe immer auf der Weide sind. Das müsste auch in anderen Ländern so sein.

    Subventionen gegen Bürokratie - eigentlich ein fairer Tausch.

    • @Diogeno:

      In den Alpen hieße das, dass die Kühe dann im Winter im Schnee stehen würden. Das Wetter in Irland ist viel gleichmässiger, im Sommer kühler, im Winter wärmer als in Mitteleuropa. Dazu regnet es öfter, aber meistens nicht allzulange, dann kommt wieder die Sonne raus. Alles ideal, dass das Gras das ganze Jahr wachsen kann, deswegen wird Irland auch die grüne Insel genannt.

    • @Diogeno:

      Nun ja, die Iren haben auch keinen Winter. Aber im Ernst, auch hierzulande gibt es Betriebe, die ihre Kühe fast immer draußen grasen lassen. Geht aber nicht so gut mit Hochleistungsrindern und ALDI - Preisen. Da bräuchte es nicht nur eine andere Art von Subventionen, sondern auch bei den Kunden mehr Bereitschaft für weniger Quantität für höhere Qualität mehr zu bezahlen.

    • @Diogeno:

      Die Kühe sind auch im Süden Irlands nicht immer auf der Weide. Zwischen Ende November und Anfang Februar sind auch die Kerrygold-Kühe im Stall, weil das Gras dann nicht mehr wächst. Dank des milden Klimas können sie aber deutlich mehr Zeit auf der Weide verbringen als in Ländern mit kontinentalem Klima.

    • @Diogeno:

      Aber die Kerry-Group beschäftigt auch Chemiker, und das nicht zu knapp.

    • @Diogeno:

      "Das müsste auch in anderen Ländern so sein."

      In anderen Ländern ist offenbar das Gras nicht so nahrhaft und wächst nicht so gut nach. Die Kombo aus Boden und Klima ist in Irland wohl so ideal für Weidehaltung wie quasi nirgendwo anders: Ich kannte mal Jemandem, der seine Brötchen damit verdiente, mitz dem LKW hochgezüchtete deutsche Rennpferde zwischen ihren Einsätzen nach Irland und wieder zurück zu karren - nur zum Grasen!

      Irland dürfte damit eines der wenigen Länder sein, wo Stallhaltung und Silagefütterung schlicht unökonomischer wären, als die Tiere einfach auf die Weide zu stellen. Daher ist das Versprechen der Kerry Group nicht nur glaubwürdig sondern auch recht leicht zu erfüllen. In anderen Ländern bedürfte es entsprechend deutlicher gezielter Anreize, um eine ähnliche Kultur durchzusetzen, und die Verbraucher müssten bereit sein, die Zeche mitzuzahlen.

      • @Normalo:

        Die Weideflächen muss man auch haben. Man sollte dafür nich Wälder roden oder Moore trockenlegen.