piwik no script img

BVB verliert das Champions-League-FinaleDas Trauma ist wieder da

Lange Zeit war Borussia Dortmund im Finale der Champions League das bessere Team. Doch dann schlug Real Madrid zu. Ein 0:2 und sehr viel Schmerz.

Dortmunder Trauer: Julian Brandt, Nico Schlotterbeck, Marcel Sabitzer (v.l.) Foto: Imago/Ulmer/Teamfoto

Da standen die Dortmunder mit hängenden Köpfen vor ihrem gewaltigen Anhang im Wembleystadion, der trotz des eigenen Schmerzes versuchte, dem Team lautstark seine Verbundenheit zu bekunden. „Für die Fans“, sagte Nico Schlotterbeck später, „tut es mir richtig leid. Wir hatten schon letztes Jahr das Trauma.“ Er erinnerte an den verspielten deutschen Meistertitel gegen Mainz am letzten Spieltag, als Schlotterbeck mit Teamkollegen von der Dortmunder Südtribüne mit reichlich Trost und Liebesbekundungen versorgt wurden.

Und in der Tat ähnelten sich die Bilder nach der 0:2-Finalniederlage gegen Real Madrid auf den ersten Blick stark. „Unsere Fans waren denen von Madrid haushoch überlegen“, lobte Schlotterbeck auch die eindrucksvolle Unterstützung während des Spiels. Borussia Dortmund, dieser Eindruck drängte sich auf, ist ein Verein für große Gefühle, aber nicht unbedingt für große Ergebnisse.

Das Verrückte an diesem Abend war: die Erinnerung an die Enttäuschung von letztem Jahr nach schlechtem Spiel wurde erst geweckt, weil die BVB-Profis über fast 70 Minuten so berauschend gut gespielt hatten. Wie schon im Laufe dieser ganzen Champions-League-Saison trumpften die Deutschen mit ihrem schrittweise verfeinerten Underdog-Fußball auf. Mit furiosem Tempo rissen die Schwarzgelben im Abwehrgebilde von Real immer wieder Räume auf, die mal weniger, häufig aber gut genutzt wurden.

„Wir waren super nah dran“, resümierte Sportdirektor Sebastian Kehl, „jeder hatte heute das Gefühl, dass die Vorbereitung richtig gut war, dass die Einstellung top war, dass wir den richtigen Matchplan hatten, alles eigentlich zusammen angerichtet war für dieses tolle Finale.“

BVB führt in den B-Noten

Jeder hatte das Gefühl, dass alles angerichtet war für dieses tolle Finale.

Sebastian Kehl, BVB-Sportdirektor

Trainer Edin Terzić applaudierte seinem Team direkt nach Halbzeitpiff, und in den Statistiken fand man tatsächlich handfeste Bestätigung für das, was man Wundersames gesehen hatte. Der Tabellenfünfte der Bundesliga hatte Europas größtes Team des letzten Jahrzehnts bei einem so bedeutenden Spiel in arge Bedrängnis gebracht. Hinter dem torlosen Remis verbargen sich etliche Führungen in der B-Note: Torschüsse aufs Tor 3:0, Torschüsse 8:2, Ecken 5:1. Marcel Sabitzer, Karim Adeyemi oder Niclas Füllkrug hätten die verdiente Führung erzielen können. Doch trotz allem Zauber galten für die Dortmunder die fußballerischen Binsenweisheiten: Wer kein Tor schießt, kann nicht gewinnen. Oder wie sich Schlotterbeck ausdrückte: „Gegen Real heißt es, das Spiel zu killen. Wenn du das 1:0 machst, hast du sehr große Chancen, dass du das Ding heute ziehst.“

Wer diese Saison gesehen hat, wie Real etwa gegen Manchester City (Elfmeterschießen) und Bayern München (Nachspielzeit) spät auftrumpfte, könnte diese These in Zweifel ziehen. In bekannter Kühle ordnete sich Real in der zweiten Halbzeit neu, arbeitete gegen den Ball kompakter und trat in Person von Toni Kroos eine Ecke nach der anderen in den Strafraum, bis sie dann so präzise wurden, dass Daniel Carvajal (74.) einköpfen konnte. Von da an nahm das Unglück seinen Lauf und zu dessen Gesicht wurde Ian Maatsen, der mit einem Fehlpass den Treffer von Vinicius Junior ermöglichte.

Alles zusammengenommen führte nicht nur bei Trainer Edin Terzić zu einem „Gefühlschaos“. Auf der einen Seite sei der Stolz auf die gezeigte Leistung, auf der anderen Seite Leere und Enttäuschung. Terzić, das hat man bereits beim letzten Saisonfinale gesehen, verfügt jedoch selbst in solch bitteren Momenten über die große Begabung, sich vom Moment zu lösen und positiv zu emotionalisieren. Er stellte heraus: „Heute war wieder ein perfektes Beispiel, was möglich ist mit dieser Mannschaft.“ Dass es vor allem im Ligaalltag auch perfekte Beispiele dafür gab, was dem Team alles misslingen kann, verschwieg er nicht. Er sprach von „großen Schwankungen“ in dieser Saison.

Ein neuer Anlauf

Aber er setzt nach diesem zweiten großen Tiefschlag am Saisonende erneut auf die Lerneffekte. Und er setzt dabei auf die großen Gefühle, die den Verein sprichwörtlich begleiten. Knapp 100.000 Dortmunder sollen schätzungsweise nach London angereist sein, die überwiegende Mehrheit ohne ein Ticket für das Stadion. Sie versammelten sich an verschiedenen Public Viewing-Orten in der Stadt.

Terzić unterstrich, alle seien mit dem Glauben gekommen, dass der BVB gegen Real Madrid gewinnen kann. „Nun ist es die große Herausforderung“, erklärte der Trainer, „den Glauben hochzuhalten.“ Edin Terzić will mit den großen Gefühlen wieder zu großen Erfolgen kommen. Dieser Ansporn hat nach der verpassten Meisterschaft von letztem Jahr vielleicht erst den tollen Auftritt im Wembleystadion möglich gemacht. Es braucht einen neuen Anlauf.

Es wird einige personelle Veränderungen bei Dortmund geben. Marco Reus bestritt sein letztes Spiel für Dortmund. Mats Hummels hält sich noch bedeckt, ob er weiter macht. Die Zukunft der Leihspieler Ian Maatsen und Jadon Sancho ist so ungewiss wie einiges andere. Derzeit nicht abzuschätzen ist auch, wie die Dortmunder Akteure den nun zweiten Tiefschlag verarbeiten. Nico Schlotterbeck sagte am Samstagabend, er hoffe, nun nicht in ein Loch zu fallen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • So schön und tragisch konnten früher nur Leverkusen und Schlake verlieren.

    Allerdings hält sich das Mitleid in Grenzen. Letzte Saison muss man als designierter Meister Mainz zu Hause schlagen. Gegen Real darf man keine vier Torchancen versieben und glauben das bleibt ungestraft.

    Sie dürfen wieder leiden, Ihren Fan-Edin behalten und nächstes Jahr wieder wunderschön untergehen. Ob Rheinmetall da die beste Wahl fürs Karma ist?

  • Vizedortmund

  • Einfach gut gespielt und nicht das nötige Glück gehabt. Weiter machen!

    • @Becher:

      Am Ende Zählen die Tor und da war halt REAL besser.

  • Ach Dortmund. Immer ganz viel Pathos drumherum.



    Am Ende hatte man fast abnormal viel Glück gegen Paris und gegen Real war man halt ein bisserl unglücklich.



    Die Entscheidung Reus einzuwechseln war aber ähnlich traumtänzerisch, wie der Haller Elfer letztes Jahr gegen Mainz.



    Fußball Märchen kannste nicht erzwingen, schon gar nicht gegen so abgezockte Tems wie Real.



    Wenn man ehrlich ist, die Finalteilnahme wetaus mehr, als man von dieser Mannschaft hätte erwarten können und somit auch in der Niederlage ein Erfolg.

    • @Deep South:

      Und der Ball ist rund. Glück gehört auch dazu.

      • @Matt Gekachelt:

        Was ist das denn für ein Kommentar ?? Ja Real hat Glück gehabt, mit dem Unvermögen der Spieler. So wie ich beurteilen kann, nach so viel Jahren, das der BVB in solchen Spielen nichts auf die Kette bringt !! Aber eins noch - sie standen mal wieder in diesem Endspiel - immer hin !!

  • Es ist doch wunderbar, dass nun Rheinmetall nicht auch noch mit einem Champions-League-Titel sein Saubermann-Image aufpoliert.



    Vielleicht eine schöne Erkenntnis: Wer auf Krieg setzt, wird nur zweiter.

    • @Tiene Wiecherts:

      Wenn sie es nach diesem tiefschürfenden Post davon auch noch Putin überzeugen würden, wären ihnen Millionen Menschen dankbar. Ich auch. Also nur zu.

    • @Tiene Wiecherts:

      VERY GOOD !!

  • Gut und mit Herz gespielt haben sie. Was eben nicht immer bis zuletzt ausreicht, den BVB aber verblüffend weit brachte.



    Den Frust können einige derjenigen ja noch in ihrer Nationalmannschaft produktiv umsetzen.