piwik no script img

Kosten für PflegeversicherungBeiträge dürften weiter steigen

Die Krankenkassen erwarten 2025 erneut höhere Versicherungsbeiträge. Gegen die Pflegemisere fordern manche mehr Selbstbeteiligung.

Jedes Jahr im Schnitt 326.000 Pflegebedürftige mehr: alter Mann in einer Pflegeeinrichtung in Berlin Foto: Florain Gärtner/photothek/imago

Berlin taz | Die Beiträge zur Pflegeversicherung könnten schon im kommenden Jahr weiter steigen, da die Kosten und der Bedarf an Pflege erheblich zunehmen. Dies teilten die Krankenkassen mit. Nach der DAK rechnet auch der Verband der Ersatzkassen (VdEK) mit einem Anstieg zum Jahreswechsel. „Die Pflegekassen gehen davon aus, dass die Finanzmittel im ersten Quartal 2025 insgesamt weniger als eine Monatsausgabe betragen. Für diesen Fall darf die Bundesregierung den Beitragssatz per Rechtsverordnung anheben“, sagte Dirk Ruiss, VdEK-Chef in NRW, am Dienstag in der Rheinischen Post.

Zuvor hatte schon Anfang April der Vorstandschef der DAK, Andreas Storm, gesagt, dass der Beitragssatz zur Pflegeversicherung „voraussichtlich zum Jahreswechsel“ angehoben werden müsste, und zwar um 0,2 Prozent.

Die Beiträge zur Pflegeversicherung waren zuletzt erst im Juli 2023 angehoben worden, und zwar auf einen Beitragssatz von 3,4 Prozent für Eltern. Für Kinderlose beträgt er 4 Prozent des Bruttolohnes. Die Hälfte des Beitrages zahlen die Arbeitgeber. Kinderlose müssen den Zuschlag von 0,6 Prozent auf den Beitrag allerdings alleine tragen. Eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Rahmen des DAK-Pflegereports hatte kürzlich ergeben, dass nur 41 Prozent der Deutschen höhere Beitragssätze akzeptieren würden.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte am Montag zwar beklagt, die Zahl der Pflegebedürftigen habe „explosionsartig“ zugenommen. Er hatte aber gleichzeitig erklärt, eine Finanzreform in der Pflege sei in dieser Legislaturperiode mit der Ampelregierung nicht mehr zu machen.

Überdurchschnittlicher Zuwachs 2023

Im Dezember 2023 lag die Zahl der Pflegebedürftigen bei 5,2 Millionen der gesetzlich Versicherten plus 312.000 privat Versicherte, also insgesamt bei rund 5,5 Millionen. Dies sei im Vergleich zum Jahr davor ein Plus von 360.000 Pflegebedürftigen gewesen, hieß es im Bundesgesundheitsministerium. Der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) erläuterte, seit 2017 steige die Anzahl der Pflegebedürftigen jedes Jahr im Durchschnitt auch demografiebedingt um rund 326.000 Personen. 2023 habe es einen überdurchschnittlichen Zuwachs gegeben.

Gleichzeitig wächst der Mangel an Pflegekräften. Die Zahl der fehlenden Mitarbeitenden in der Pflege werde sich „bis 2034 voraussichtlich auf 500.000 erhöhen, da wir immer älter werden und somit mehr Menschen Pflege benötigen“, sagte die Verbandspräsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), Christine Vogler.

Am Dienstag wurden diverse Vorschläge für Lösungen in der Pflegemisere laut. Der Freiburger Sozialexperte Bernd Raffelhüschen plädierte in der Bild dafür, eine „Pflege-Karenzzeit“ von einem Jahr einzuführen. In diesem ersten Jahr der Pflegebedürftigkeit müssten dann die Pflegekosten von den Betroffenen allein übernommen werden, sagte Raffelhüschen. Erst danach sollten Leistungen der Pflegeversicherung fließen.

Raffelhüschen warnte angesichts des steigenden Bedarfs, die Beiträge zur Pflegeversicherung könnten bis 2040 auf circa 7 Prozent für Kinderlose steigen. Dies erinnert an die Verhältnisse vor Einführung der Pflegeversicherung ab Mitte der 90er-Jahre. Damals mussten die Pflegekosten vollständig selbst bezahlt werden, nur das Sozialamt sprang im Notfall ein, zuvor musste aber fast sämtliches Vermögen eingesetzt werden.

Vogler appellierte an die Bundesregierung, mehr Anreize für ehrenamtliche Pflegetätigkeiten zu schaffen. Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, erklärte, künftig müssten wieder mehr Angehörige in die Pflege eingebunden werden. Die pflegepolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Emmi Zeulner (CSU), sagte, es brauche auch andere Formen von gesellschaftlicher Organisation von Pflege, „beispielsweise sorgende Gemeinschaften, unter anderem mit Nachbarschaftshilfe, Quartiers- und Tagespflege“. (mit afp, dpa)

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Ein Problem das mit Geld nicht zu lösen ist: Immer mehr Menschen wollen gepflegt werden und es sind immer weniger Menschen da, die sie pflegen könnten. Es wird darauf hinauslaufen, dass zukünftig sehr viel kritischer geschaut wird, wer wirklich Pflege benötigt und in welchem Umfang. Pflege in dem Unfang wie man sie heute bekommt oder gar wünscht wird in Zukunft immer unrealistischer

  • „Was tun gegen die Pflegemisere“ Weniger Zucker, weniger Transfette, öfter aus eigener Kraft fortbewegen (Auto abschaffen!), dann bleibt das Leben im Alter meist lange lebenswert. Irre nur, dass Bruttosozialprodukt würde mächtig leiden. Aber so sind Kapitalisten, erst werden Menschen für Profit kaputt gemacht und dann profitieren sie fürs vermeintliche Sanieren und Managen der selbst erzeugten Probleme nochmal und nennen die ganze Chose Wohlstandsvermehrung.

  • Es scheint so, als würden die Krankenkassenbeiträge und die Pflegeversicherungsbeiträge jetzt jährlich (noch) abwechselnd steigen. Äußerst unangenehm, wenn von den Bruttogehältern immer weniger zur freien Verfügung bleibt. Zumal eine weitergehende private Versicherung (Beispiel Zahnversorgung) zusätzlich notwendig ist und finanziert werden muss.