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Entwicklung des RAW-GeländesNervosität auf allen Seiten

Eigentlich sollten längst Bagger auf das RAW-Gelände in Friedrichshain vorgerückt sein. Doch noch gibt es nicht mal einen Bebauungsplan.

Die Amazonisierung von Friedrichshain schreitet voran Foto: Jochen Eckel/imago

Berlin taz | Das RAW-Gelände in Friedrichshain ist ein besonderer Ort. Ein riesiges Areal für Kunst, Kultur und Freizeitvergnügen, ziemlich verranzt, die Gebäude voller Graffiti. Touristen saugen hier ihr totales Berlin-Feeling ein. Besonders an den Wochenenden springen sie von Kneipe zu Kneipe und von Club zu Club.

Aber so wie jetzt soll es nicht bleiben. Seit 2015 teilen sich drei private Eigentümer das Grundstück, um es „zu entwickeln“. Um den mit etwa 52.000 Quadratmetern mit Abstand größten Teil des Geländes der Göttinger Kurth-Gruppe gibt es dabei seit Jahren ein nicht endendes Gezerre.

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat in einem mehrjährigen Aushandlungsprozess inklusive Bürgerbeteiligungsverfahren einen Deal vereinbart. Seit 2019 gibt es einen sogenannten Aufstellungsbeschluss, dem die Bezirksverordnetenversammlung zugestimmt hat. Der sieht vor, dass auf dem Areal der Kurth-Gruppe für den Erhalt soziokultureller Einrichtungen – darunter ein Kinderzirkus, Ateliers und ein paar Kneipen – gesorgt werden soll. Und zwar durch langfristig garantierte Mieten weit unter dem marktüblichen Niveau.

Dafür dürfe der Eigentümer des teilweise denkmalgeschützten Geländes an anderer Stelle im großen Stil bauen. 150.000 Quadratmeter Geschossfläche für neue Kultureinrichtungen und Büros wurden gewährt. Das ist eine Menge. Um die unterzubekommen, soll gegenüber des neuen riesigen Gebäudes an der Warschauer Brücke, das als „Amazon-Tower“ bekannt ist, unter anderem ein weiteres Hochhaus entstehen dürfen. Im Gegenzug bekomme eben die Soziokultur Mietverträge mit einer Laufzeit von 30 Jahren zu den erwähnten Superkonditionen.

Keine Proteststimmung

Es gab nicht wenige Diskussionen über den Deal. Kurth erpresse den Bezirk, hieß es von Kritikern. Und dass Kurth sich die Akteure der Soziokultur gefügig gemacht habe. Nach dem Motto: Entweder ihr seid für den Plan oder ihr werdet euch bald die Mieten nicht mehr leisten können. Inzwischen hat sich die Lage einigermaßen beruhigt. Der Bezirk will die Umsetzung des Deals, die Soziokultur auch, der Eigentümer sowieso. Eine Proteststimmung dagegen ist kaum noch zu vernehmen.

Trotzdem hakt es. Eigentlich sollten nach den Plänen bereits jetzt die Bagger auf dem Gelände stehen und die ersten der teils baufälligen Gebäude abreißen. Aber dem ist nicht so, es gibt noch nicht mal einen Bebauungsplan. Und die Sicherung der Soziokultur für zumindest die nächsten 30 Jahre ist auch nicht unter Dach und Fach.

So gibt es auf allen Seiten wieder Nervosität. Erneut wird um die Zukunft des RAW-Geländes gepokert. Der Kurth-Gruppe, so berichtet es Lauritz Kurth, einer der Eigentümer, wurde im vergangenen Jahr mitgeteilt, vor 2027 werde es nichts mit dem Bebauungsplan. Das ist ihm zu spät. „Wir sind der Ansicht, dass der 2025, spätestens 2026 und noch in dieser Legislaturperiode stehen soll“, sagt er.

Druckmittel Mietverträge

Gleichzeitig bekamen Akteure der Soziokultur nun Mieterhöhungen, mitunter wurden auch die Laufzeiten der ohnehin nur höchstens ein halbes Jahr geltenden Mietverträge nochmals verkürzt. Das solle nicht als Drohung verstanden werden, heißt es in einem Schreiben der Kurth-Gruppe an die Mieter, das der taz vorliegt. Natürlich wird es von einigen genau so verstanden.

Die Angst geht um, dass der mühsam zustande gekommene Deal doch wieder platzen könnte. Joest Schmidt, einer der Betreiber der Skatehalle auf dem RAW-Gelände, wird ziemlich deutlich: „Der Druck ist enorm, eine langfristige Perspektive fehlt, und der Investitions- und Wartungsrückstand ist riesengroß.“ Solange man keinen entfristeten Mietvertrag habe, werde sich daran auch nichts ändern.

Die Skatehalle habe ebenfalls eine schmerzhafte, „aber unter dem Strich geringfügige Mieterhöhung bekommen“, sagt Schmidt. Der Eigentümer sei ihnen „dabei auch ein Stück weit entgegengekommen“. Zumindest spüre man „dessen Willen, hier eine Lösung zu finden“. Aber die brauche es eben jetzt und nicht irgendwann. „Wir müssen weg von der Salamitaktik. Wir können unser Projekt nicht nur auf Hoffnung gründen. Wenn es reinregnet, das ist das eine. Aber wir haben hier qualifiziertes pädagogisches Personal.“ Das ließe sich kaum halten, wenn immer wieder gesagt werden müsse: „Wir haben noch ein halbes Jahr, mal gucken, wie es dann weitergeht.“

Werner Heck von den Grünen, Vorsteher der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, sagt, er hoffe, dass sich die Lage möglichst schnell beruhigt. Der Bezirk stehe weiterhin voll hinter dem Aufstellungsbeschluss. Aber auch er hatte, so sagt er, „kurz Angst, dass der Deal platzen könnte“. Deshalb bemühe sich der Bezirk, Kurth entgegenzukommen. Der Bebauungsplan soll nun spätestens 2026 stehen – und die Soziokultur endlich gesichert werden. Daran werde gearbeitet.

Lange sah der Plan so aus, dass die gemeinnützige GSE Gesellschaft für Stadtentwicklung als Ankerinstitution die soziokulturellen Projekte auf dem RAW-Gelände verwalten sollte. Das hat sich mittlerweile zerschlagen. Auch das sei, so Heck, einer der Gründe, warum man immer noch nicht für letztgültige Klarheit habe sorgen können. Die Kulturraum Berlin GmbH soll jetzt für die GSE einspringen. „Als neuer Generalmieter, unter dessen Schirm wir schlüpfen können“, sagt Joest Schmidt von der Skatehalle.

Lauritz Kurth macht gegenüber der taz ebenfalls noch einmal klar, dass sich nun wirklich etwas bewegen müsse. „Bei der Sicherung der Soziokultur ruht immer noch still der See. Das braucht exorbitant lange und hält die Umsetzung des Aufstellungsbeschlusses auf. Man könnte das etwas emsiger vorantreiben“, sagt er. Seit neun Jahren bemühe man sich nun um eine Gesamtlösung für seinen Teil des RAW-Geländes. „Die Kosten für eine Bebauung sind inzwischen andere. Die Zinslandschaft ist anders. Da kommt man an einen Punkt, an dem man sagen muss: Die gefundene Lösung erfordert eine Umsetzung oder sie ist irgendwann nicht mehr umsetzbar.“

Vielleicht sollte dann auch einfach mal die Reißleine gezogen werden. Oder wie Kurth es formuliert: „Man rennt einem Ziel hinterher in der Hoffnung, es zu erreichen. Wenn man die Hoffnung verliert, muss man vielleicht einen anderen Weg finden.“

Die Frage, die sich stellt: Meint Kurth es ernst mit seiner in blumige Worte gepackten Drohung, den Deal platzen zu lassen? Oder will er einfach nur mit ein paar Finten schneller zum ersehnten Bebauungsplan kommen?

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