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Erdbeben in NeapelUnd was, wenn die Lava kommt?

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Bei Neapel sorgt Magma unter der Erde für starke Erdbeben. Irgendwann wird der Vulkan ausbrechen. Wie reagieren auf die sich anbahnende Katastrophe?

Ins Wasser zu springen hilft bei einem Vulkanausbruch eher nicht Foto: Raffaele Celentano/laif

D er Schrecken stand den Menschen ins Gesicht geschrieben, die am Montagabend im westlich von Neapel gelegenen Städtchen Pozzuoli auf die Straßen strömten – aus ihren Häusern getrieben von einem Erdstoß der Stärke 4,4 der Richterskala. „Unser Wohnhaus schaukelte heftig“, berichtete eine Frau dem angerückten TV-Reporter.

Schon seit Monaten bebt vor den Toren Neapels immer wieder die Erde, und diesmal waren die Erschütterungen sogar bis in die Großstadt hinein zu spüren. Das wiederum hat mit einem vulkanischen Ereignis zu tun. Bei „Vulkan“ und „Neapel“ denkt man zwar unmittelbar an den Vesuv, der majestätisch über der Stadt thront.

Bei den aktuellen Beben allerdings spielt der gar keine Rolle. Denn Neapel hockt auf den Phlegräischen Feldern, einem zweiten Vulkan, den außerhalb der Stadt die wenigsten kennen. Tief in der Erde köcheln dort Unmengen Magma, und die von dort aufsteigenden Gase bescheren die sogenannte „bradyseismische Bewegung“: Sie drücken die Erdoberfläche nach oben, gegenwärtig mit einem Rhythmus von zwei Zentimetern pro Monat. Wenn die Spannung der sich hebenden Erdoberfläche zu groß wird, bebt es. So kräftig wie am letzten Montag allerdings wurde die Erde in Pozzuoli seit 40 Jahren nicht mehr erschüttert.

Der Staat bereitet sich vor

Wenigstens eines muss der italienische Staat sich nicht vorwerfen lassen: dass er die Situation nicht konstant unter Beobachtung hielte. Das INGV, das Nationale Institut für Geophysik und Vulkanologie, vermisst alles, was es auf den Phlegräischen Feldern zu vermessen gibt: die Bodenbewegungen, die aufsteigenden Gase, die Magmaströme im Untergrund.

Es ist eigentlich ganz so wie beim Klimawandel. Was geschieht, ist bestens bekannt, und wohlbekannt sind auch die Folgen. Dass zum Beispiel just an dem Tag, an dem in Pozzuoli die Erde bebte, in diversen Regionen Norditaliens wieder einmal zahlreiche Flüsse nach heftigen Regengüssen über die Ufer traten und ganze Ortschaften überschwemmten, überraschte niemanden: Es ist halt der Klimawandel.

„Unvorhersehbar“ sind diese Naturkatastrophen keineswegs. Die Szenarien sind wissenschaftlich akkurat durchdekliniert, ob bei den Beben in Pozzuoli oder den Extremwetterereignissen in Norditalien. Nicht ganz so klar ist allerdings, wie die Menschheit die Spannung zwischen der „Normalität“, dem Alltag ohne Regen oder Beben einerseits, dem „anormalen Ereignis“, wenn das Malheur dann eintritt, andererseits austariert.

Immer so weiter wie bisher

Selbst bei Warnungen vor heranziehenden schweren Unwettern lassen sich viele nicht davon abhalten, erst mal ihren Alltag weiterzuleben, mit dem Auto durch die Gegend zu gurken, wie immer ganz gewöhnliche Dinge zu erledigen, bis der Schlamassel über sie hereinbricht. Und auch die Tatsache, dass der Zusammenhang zwischen sich häufenden Extremwetterlagen und dem Klimawandel auf der Hand liegt, ändert nichts daran, dass vielen eine entschlossene Klimapolitik vor allem eines ist: ein Ärgernis.

Wenigstens diesen Vorwurf müssen die Menschen in Pozzuoli sich nicht machen lassen: Die ihnen drohenden Beben sind nicht menschengemacht; dass das Magma im Erdinneren ausgerechnet unter ihnen brodelt, ist unabwendbar. Gegenwärtig ist „nur“ mit Erdbeben zu rechnen, doch in Zukunft ist auch ein veritabler Vulkanausbruch nicht ausgeschlossen. Da bleibt nur die gründliche Vorbereitung auf eintretende Notfälle, die Planung der schnellen Evakuierung der Bevölkerung. Das sind im Zweifelsfall nicht wenige. Allein Pozzuoli zählt 76.000 Einwohner*innen, in der gesamten Gefahrenzone, den weiteren umliegenden Gemeinden sowie den westliche Stadtteilen Neapels, leben gut 600.000 Menschen.

Schon nach dem Beben vom vergangenen Montag bildeten sich schnell große Verkehrsstaus. „Panik“ sei denn auch das größte Risiko, kommentierte hinterher ein Experte, mit dem Rat, den Behörden doch bitteschön zu vertrauen. Die wissen genau, dass sie die gesamte Zone bei heraufziehender Gefahr binnen 72 Stunden evakuieren können, und sie haben auch schon die Pläne zur Verteilung der Menschen auf die diversen italienischen Regionen, von der Lombardei im Norden runter nach Sizilien. Doch auch ihre Pläne beantworten nicht die Frage, was denn passiert, wenn die Anomalie plötzlich in den normalen Alltag einbricht, mit Zehntausenden Menschen in Panik, bei denen die Nerven blank liegen.

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Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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14 Kommentare

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  • So schön die Ecke ist:



    dort Urlaub machen, das besser ganz lange verschieben.



    Denn so mächtig Menschen sich zuweilen auch fühlen, gegen Naturgesetze und -kräfte kommt man nur bedingt an. Wieder eine Parallele zur Atmosphärentemperatur.

  • Meloni würde mit Vollblutitalienern vor unserer Haustür klopfen und um Klimaasyl bitten.

  • Wenn die Phlegräischen Felder in einen großen Ausbruch "hochgehen" sollten, reichen die Auswirkungen weit über die Region Neapel oder Süditalien hinaus. Wir reden hier über 300 km3 Magma ...

  • Es ist übrigens ein Merkmal echter "Pizza Napoli", wenn sie optisch, duftlich und geschmacklich das brodelnde Magma und das heiße Gas unter der Stadt erlebbar macht, ganz so, als wäre sie ein "Phlegräisches Feld" auf dem Teller ;-) Eine prima therapeutische Mittagsmahlzeit auch, um gewisse Menschen mal aus ihrem Phlegmatismus heraus zu reißen :-)

  • Auch wenn die Italiener Null CO2 produzieren würden, am Klimawandel würde sich Null ändern.

    • @Aldi Wolf:

      So offensichtlich falsch, dass ich mich frage, ob Sie Naturwissenschaft oder Mathematik in der Schule nicht hatten.



      Manchmal sage ich Sachen auch direkt, nehmen Sie es nicht persönlich. Drücken Sie sich einfach genauer und differenzierter aus als so gerade. :-)

  • Wenn der Vulkan richtig ausbricht, dann hat Europa ein gewaltiges Problem

  • Die Frage ist wohl eher, wie WIR darauf reagieren würden, wenn der Supervulkan ausbricht. Für die Neapolitaner und einen großen Teil der Italiener wäre alles in wenigen Augenblicken vorbei. Der Rest der Welt würde wohl in einem vulkanischen Winter erfrieren.

    • @Suryo:

      Auf welche Modellierung stützen Sie Ihre Mutmaßung da gerade?

      • @Janix:

        Schee war's, als man oder auch frau noch launige Leserkommentare verfassen konnte, ohne sie durch umfassende Recherche in wissenschaftlicher Primärliteratur abzusichern.

        • @0 Substanz:

          Wer die Apokalypse auftreten lässt, darf mich doch ein wenig informieren, warum und mir welcher Wahrscheinlichkeit er das sieht.



          Übertreiben - einige wenige mögen das. Viele andere gar nicht.

      • @Janix:

        Wissen Sie, was ein Supervulkan ist?

        Tatsache ist: die, die auf einem leben, haben keine Chance. Italien würde aufhören, zu existieren, und allein schon die durch den Ausbruch ausgelösten Tsunamis würden die Küstengebiete des gesamten Mittelmeerraumes zerstören. Die gigantischen Aschewolken würden das Klima auf Jahre hinaus abkühlen, und zwar weltweit.

        Sie können ja mal googeln, welche Auswirkungen der letzte Ausbruch des Toba auf die damalige Menschheit hatte.

        • @Suryo:

          Sie sehen hier einen Supervulkan-Ausbruch als kommend an?



          Noch einmal: aufgrund welcher Modellierung denn?



          "Der Rest der Welt würde erfrieren", ah ja.

    • @Suryo:

      Wenigstens wäre die ewige Diskussion ums Tempolimit vom Tisch.