Erdbeben in Neapel: Und was, wenn die Lava kommt?

Bei Neapel sorgt Magma unter der Erde für starke Erdbeben. Irgendwann wird der Vulkan ausbrechen. Wie reagieren auf die sich anbahnende Katastrophe?

Badende, im Hintergrund der Vesuv.

Ins Wasser zu springen hilft bei einem Vulkanausbruch eher nicht Foto: Raffaele Celentano/laif

Der Schrecken stand den Menschen ins Gesicht geschrieben, die am Montagabend im westlich von Neapel gelegenen Städtchen Pozzuoli auf die Straßen strömten – aus ihren Häusern getrieben von einem Erdstoß der Stärke 4,4 der Richterskala. „Unser Wohnhaus schaukelte heftig“, berichtete eine Frau dem angerückten TV-Reporter.

Schon seit Monaten bebt vor den Toren Neapels immer wieder die Erde, und diesmal waren die Erschütterungen sogar bis in die Großstadt hinein zu spüren. Das wiederum hat mit einem vulkanischen Ereignis zu tun. Bei „Vulkan“ und „Neapel“ denkt man zwar unmittelbar an den Vesuv, der majestätisch über der Stadt thront.

Bei den aktuellen Beben allerdings spielt der gar keine Rolle. Denn Neapel hockt auf den Phlegräischen Feldern, einem zweiten Vulkan, den außerhalb der Stadt die wenigsten kennen. Tief in der Erde köcheln dort Unmengen Magma, und die von dort aufsteigenden Gase bescheren die sogenannte „bradyseismische Bewegung“: Sie drücken die Erdoberfläche nach oben, gegenwärtig mit einem Rhythmus von zwei Zentimetern pro Monat. Wenn die Spannung der sich hebenden Erdoberfläche zu groß wird, bebt es. So kräftig wie am letzten Montag allerdings wurde die Erde in Pozzuoli seit 40 Jahren nicht mehr erschüttert.

Der Staat bereitet sich vor

Wenigstens eines muss der italienische Staat sich nicht vorwerfen lassen: dass er die Situation nicht konstant unter Beobachtung hielte. Das INGV, das Nationale Institut für Geophysik und Vulkanologie, vermisst alles, was es auf den Phlegräischen Feldern zu vermessen gibt: die Bodenbewegungen, die aufsteigenden Gase, die Magmaströme im Untergrund.

Es ist eigentlich ganz so wie beim Klimawandel. Was geschieht, ist bestens bekannt, und wohlbekannt sind auch die Folgen. Dass zum Beispiel just an dem Tag, an dem in Pozzuoli die Erde bebte, in diversen Regionen Norditaliens wieder einmal zahlreiche Flüsse nach heftigen Regengüssen über die Ufer traten und ganze Ortschaften überschwemmten, überraschte niemanden: Es ist halt der Klimawandel.

„Unvorhersehbar“ sind diese Naturkatastrophen keineswegs. Die Szenarien sind wissenschaftlich akkurat durchdekliniert, ob bei den Beben in Pozzuoli oder den Extremwetterereignissen in Norditalien. Nicht ganz so klar ist allerdings, wie die Menschheit die Spannung zwischen der „Normalität“, dem Alltag ohne Regen oder Beben einerseits, dem „anormalen Ereignis“, wenn das Malheur dann eintritt, andererseits austariert.

Immer so weiter wie bisher

Selbst bei Warnungen vor heranziehenden schweren Unwettern lassen sich viele nicht davon abhalten, erst mal ihren Alltag weiterzuleben, mit dem Auto durch die Gegend zu gurken, wie immer ganz gewöhnliche Dinge zu erledigen, bis der Schlamassel über sie hereinbricht. Und auch die Tatsache, dass der Zusammenhang zwischen sich häufenden Extremwetterlagen und dem Klimawandel auf der Hand liegt, ändert nichts daran, dass vielen eine entschlossene Klimapolitik vor allem eines ist: ein Ärgernis.

Wenigstens diesen Vorwurf müssen die Menschen in Pozzuoli sich nicht machen lassen: Die ihnen drohenden Beben sind nicht menschengemacht; dass das Magma im Erdinneren ausgerechnet unter ihnen brodelt, ist unabwendbar. Gegenwärtig ist „nur“ mit Erdbeben zu rechnen, doch in Zukunft ist auch ein veritabler Vulkanausbruch nicht ausgeschlossen. Da bleibt nur die gründliche Vorbereitung auf eintretende Notfälle, die Planung der schnellen Evakuierung der Bevölkerung. Das sind im Zweifelsfall nicht wenige. Allein Pozzuoli zählt 76.000 Einwohner*innen, in der gesamten Gefahrenzone, den weiteren umliegenden Gemeinden sowie den westliche Stadtteilen Neapels, leben gut 600.000 Menschen.

Schon nach dem Beben vom vergangenen Montag bildeten sich schnell große Verkehrsstaus. „Panik“ sei denn auch das größte Risiko, kommentierte hinterher ein Experte, mit dem Rat, den Behörden doch bitteschön zu vertrauen. Die wissen genau, dass sie die gesamte Zone bei heraufziehender Gefahr binnen 72 Stunden evakuieren können, und sie haben auch schon die Pläne zur Verteilung der Menschen auf die diversen italienischen Regionen, von der Lombardei im Norden runter nach Sizilien. Doch auch ihre Pläne beantworten nicht die Frage, was denn passiert, wenn die Anomalie plötzlich in den normalen Alltag einbricht, mit Zehntausenden Menschen in Panik, bei denen die Nerven blank liegen.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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