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Besuch von Chinas Staatschef in EuropaXi Jinpings Plan geht nicht auf

Kommentar von Rainer Werner

China will einen Keil zwischen die EU-Staaten treiben. Doch Wirtschaft und Geopolitik zwingen zur Einigkeit.

Gegenseitige Interessen werden im Gespräch zwischen Jinping und Macron abgewogen Foto: Ludovic Marin/Pool via REUTERS

U m das strategische Kalkül von Xi Jinpings Europa-Reise zu entschlüsseln, braucht es keine Kaffeesatzleserei. Es reicht allein ein Blick auf seinen Reiseplan: Frankreich als erste Destination ist vor allem der Rhetorik von Emmanuel Macrons zu verdanken, der die Europäische Union strategisch autonomer positionieren möchte – sprich: unabhängiger von den Interessen der USA.

Beim Serbien-Besuch schielt Xi vor allem auf eine Anti-Nato-Botschaft für das heimische Publikum, schließlich jährt sich die Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad durch einen US-Tarnkappenbomber zum 25. Mal. Und dann besucht Xi mit Ungarn ausgerechnet jenes EU-Land, das nicht nur durch seine prorussischen Tendenzen auffällt, sondern auch als Einfallstor für Chinas geopolitische Interessen gilt. Es sind also, wie so oft bei Xi Jinping, gemischte Signale: Zuckerbrot und Peitsche.

Nach dem Prinzip „teile und herrsche“ konnte Peking lange Jahre die europäischen Staaten gegeneinander ausspielen. Nach wie vor funktioniert dies tatsächlich erschreckend gut: Wann immer Chinas Staatschef wahlweise bessere Marktzugänge für deutsche Autobauer oder französische Luxuskonzerne in Aussicht stellt, ist es mit der europäischen Solidarität nicht mehr weit her.

Geopolitische Bedrohung durch China

Doch schlussendlich stößt Xi mit seiner Vorgehensweise an seine Grenzen, und das hat sowohl einen wirtschaftlichen als auch einen geopolitischen Grund. Zum einen zwingen Chinas massive Überkapazitäten und eine wettbewerbsverzerrende Subventionspolitik die Europäische Union regelrecht zur Einigkeit. Andernfalls, so hat es Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrem Gespräch mit Xi Jinping unmissverständlich auf den Punkt gebracht, drohe der EU eine Deindustrialisierung.

Hinzu kommt die geopolitische Bedrohung durch China, die für die meisten europäischen Staaten spätestens seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine nicht mehr zu ignorieren ist. Peking liefert Moskau Werkzeugmaschinen und Dual-Use-Güter, die Putins Kriegsmaschinerie am Laufen halten. Gleichzeitig unterstützt es auch – trotz jener Sanktionen, die Peking selbst abgenickt hat – das nordkoreanische Regime, welches wiederum mit seinen Artillerieexporten Russlands Armee enormen Aufwind verschafft hat. Hinzu kommt, dass China 90 Prozent der iranischen Rohöl-Exporte aufkauft.

Neuer kalter Krieg vorangetrieben

Kurzum: Die internationale Blockbildung und die Gefahr eines neuen kalten Krieges, vor der Xi Jinping in seinen Stellungnahmen stets warnt, wird nicht zuletzt von Chinas außenpolitischer Positionierung aktiv vorangetrieben. Und wenn Europa als Teil dieser neuen Weltordnung ernst genommen werden möchte, dann muss es seine rein nationalen Interessen zurückstecken und eine geeinte Stimme finden. Und vor diesem Hintergrund werden jegliche Versuche Chinas, einen Keil zwischen die europäischen Staaten zu treiben, zunehmend durchschaut.

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12 Kommentare

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  • Nicht zu vergessen, dass China im Pazifik sehr aggressiv auftritt. Mit Xi gibt es nur Frieden, solange er keinen Vorteil im Krieg sieht. Wie Putin.

  • Was soll allemal diese böse und dumme Voreingenommenheit: „Xi Jinpings Plan geht nicht auf - China will einen Keil zwischen die EU-Staaten treiben.“?

    Vielleicht ist den Chinesen das "sch...egal". Vielleicht wollen die einfach nur - wie alle Kapitalisten - gute Geschäfte zum EIGENEN Vorteil machen; so wie es der Westen schon seit JAHRZEHNTEN getan.

    Es ist erschreckend wie sich das Verhältnis zu China zum Schlechten gewandelt, seit es nicht mehr nur die "verlängerte Werkbank des Westens" ist - sondern nun in großen Schritten uns allen davon eilt. So dass man kaum noch hinterherkommt.

    Wo man noch unlängst den Boden mit der Hacke bearbeitet, schickt man heute erfolgreich Raketen ins All. Die Solarindustrie boomt. Und auch sonst geht's voran.

    Vielleicht sollten wir weniger groß die Klappe aufreißen - und uns stattdessen wieder mehr anstrengen, damit wir nicht noch völlig den Anschluß verlieren ...

    • @Kahnt Karl-Heinz:

      Wieso Voreingenommenheit? Die geopolitischen Interessen und Handlungen Xis werden im Text doch dargestellt. Und Ihre Trennung zwischen "Geschäfte machen" und "Politik" ist bestenfalls naiv zu nennen.

      • @BrendanB:

        Ich weiß nicht, wo Sie erkennen zu können meinen, ich würde Geschäft und Politik trennen - das ist jedenfalls nur IHRE Sicht. NICHT die meine. Politik und Geschäft waren schon IMMER eins. Oder was meinen Sie warum "der Westen" so zahlreiche Kriege führte und andere Länder kolonialisierte?

        Ich weiß, ich weiß, das wird heute lieber und gern vergessen, wo es doch nicht mehr unserem Selbstbild entspricht. Aber glauben Sie mir: Die, die über Jahrhunderte darunter leiden mussten - haben das nicht und nie vergessen. Einschließlich China! Am wohl bekanntesten der "Opium-Krieg"! Wenngleich ist selbst das bei vielen bezweifle ...

        Sie kennen doch sicher den Spruch (aus der Werbung): Wer hat’s erfunden? Nun, es war nicht die Schweiz – sondern „der Westen“: Der zog schon immer zum Erobern aus (und sind's nicht die Waffen - dann sind es Sanktionen; irgendwas ist es immer ...). Die andern holen da eigentlich nur nach – was wir im Üblen an deutlichem VORSPRUNG haben.

        Tatsache ist: Das hohe Roß - steht uns nicht gut. Aber es sind leider viel zu viele, die es nur allzu gern reiten ...

    • @Kahnt Karl-Heinz:

      Tja, vielleicht...

      Vielleicht sollten wir aber auch das Verhalten Chinas gegenüber kleineren ostasiatischen Staaten, wie jüngst die Philipinen, nicht außer Acht lassen.

      Die Seidenstraßenreden waren vielleicht auch kein Versehen.

      Sie brauchen keine Voreingenommenheit.

      Sie müssen vielleicht nur Xi und anderen zuhören.

      Geopolitik ist aktuell hoch im Kurs unter chinesischen Politikern.



      Man müsste schon sehr bemüht weghören, um dies nicht mitzubekommen.

      Natürlich können Sie sich trotzdem mehr anstrengen.

    • @Kahnt Karl-Heinz:

      Da ist was dran. Die ehemaligen Kommunisten sind nun die besseren Kapitalisten. Der Kapitalismus hat gesiegt und produziert und konsumiert die Welt zu Tode. Kriegerische Verteilungskämpfe tragen dazu ihren Teil bei.

      • @Matt Gekachelt:

        Wobei der Kommunismus und seine Art der Verteilung von Ressourcen und Macht in China mehr Tote gefordert hat als der Sieg des Kapitalismus.

  • Ich bitte um Widerspruch: mir scheint der selbstsichere Umgang Macrons mit Xi in einem Punkt sich von dem deutscher Staatsleute zu unterscheiden: Macron pflegt eine elitäre Überheblichkeit, während Frau vdL. sich als Opfer geriert (Staatssubventionen), Frau Baerbock eine verunsicherte Aggressivität ausstrahlt, und Herr Scholz den Kasper spielt, um seine Selbstverachtung zu überstrahlen.

  • Wäre ja schön, wenn der Kommentator recht hätte mit seiner These der gemeinsamen europäischen Interessensverteidigung. Da fehlt mir aber bisher noch der Beweis.

    • @vieldenker:

      Sie möchten einen Beweis dafür, dass wir uns um eine gute Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn bemühen sollten? Wie lang darf die Liste sein?



      -



      Man muss sich mal vergegenwärtigen, mit was für Nachbarn Deutschland gesegnet ist.

      • @THu:

        Mit unseren Nachbarn bin ich eigentlich ganz zufrieden. Wünschen würde ich mir aber in der Tat mehr gemeinsame Politik im Verhältnis zu den Nichtmitgliedern der Europäischen Union.

        • @vieldenker:

          "mehr gemeinsame Politik im Verhältnis zu den Nichtmitgliedern der Europäischen Union."

          Wird ja versucht: Ukraine, Moldau Georgien. Da hat aber jemand etwas dagegen. Mit diversen anderen Nichtmitgliedern der EU wurde so viel gemeinsame Politik betrieben, dass die sich in der Vergangenheit entschlossen haben, Mitglied zu werden. Also eine Verweigerungshaltung was "gemeinsame Politik im Verhältnis mit Nichtmitgliedern" angeht, kann ich auf Seiten der EU nicht erkennen.