piwik no script img

Angriffe auf BahnpersonalTeamgeist in Bus und Bahn

Verbale und körperliche Angriffe gegenüber Bahnpersonal nehmen zu. Die Gewerkschaft fordert mehr Sicherheitskräfte zur Fußball-EM.

Mitarbeiter der DB Sicherheit der Bahn stehen in einem S-Bahnhof in München Foto: Peter Kneffel/dpa

Berlin taz | Die Bahn-Gewerkschaft EVG fordert ein erweitertes Sicherheitskonzept für die Fußball-Europameisterschaft. Für die Spiele in zehn verschiedenen deutschen Städten rechnet die Gewerkschaft mit einem erhöhten Fahrgastaufkommen. Daher appelliert sie, zwischen Juni und Juli mehr Bun­des­po­li­zis­t*in­nen und doppelt so viel Bahn-Personal einzusetzen wie normal.

Denn die Gewalt gegen Mitarbeitende im Nah- und Fernverkehr steigt. Das zeigt eine Umfrage von Anfang Mai unter 4.000 Gewerkschaftsmitgliedern. „Die Ergebnisse sind erschreckend, wenn 8 von 10 Mitarbeitenden einen Übergriff erfahren haben. Wir haben gesehen, dass sich besonders in den vergangenen 12 Monaten die Angriffe vermehren“, sagt EVG-Vorstand Martin Burkert. Am häufigsten werden Mitarbeitende bespuckt (43 Prozent) oder mit Gegenständen beworfen (41 Prozent).

Mehr als zwei Drittel der Befragten fühlen sich in den vergangenen fünf Jahren zunehmend unsicher während ihrer Schicht. Ein Drittel der Beschäftigten, hauptsächlich weiblich, gibt außerdem an, sexualisierte Gewalt erlebt zu haben. „Die Alkoholverbote, die es in Bahnhöfen gibt, müssen verstärkt durchgesetzt werden. Wir erleben besonders nach großen Volksfesten, dass die Übergriffe auf weibliches Personal steigen“, sagt Burkert.

Eine Sprecherin der Deutschen Bahn bestätigt die ansteigende Gewalt. 2023 gab es 3.144 Übergriffe auf DB-Mitarbeitende. Um das Personal zu schützen, sollen in Zukunft vermehrt Body Cams zum Einsatz kommen.

Deutsche Bahn erhöht Sicherheit in Zügen

Für die Zeit der EM will die DB 900 Sicherheitskräfte zusätzlich beschäftigen. Burkert begrüßt diese Entscheidung, zweifelt jedoch an, ob genug Personal zur Verfügung steht. Auch die Sicherheitsbranche leidet unter fehlenden Arbeitskräften. Um das Personal zu unterstützen, fordert die EVG auch nach der EM eine verstärkte Videoüberwachung an Bahnhöfen und in Zügen und zentrale Meldestellen.

Dass sie während der EM zum Streik auffordere, wie es in einigen Medienberichten zu lesen war, dementiert die EVG. Allerdings könnten Betriebsräte Einsatzpläne ablehnen, wenn sie sich um die Sicherheit des Personals sorgen. Faktisch blieben Züge dann stehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Hurra! Jahrzehnte langer Kult um Wettbewerb und Selbstverwirklichung treffen auf eine Wirklichkeit, in der nicht alles und alle dem eigenen Wollen vorauseilend gehorchen. Da kann einem/r schon mal der Kragen platzen und der eigene Wille wird durchgeboxt und der ganze Frust über das wiederholte Scheitern an den anderen kann gleich mit abgebaut werden. Als Pendler zwischen Kulturen beobachte ich seit Jahrzehnten, dass die Menschen hier immer weniger Rücksicht auf andere nehmen und bereit sind, sich selber zurückzunehmen. Das eigene Recht auf Vorfahrt, Urlaub, Spaß und Freude geht immer vor und Beethovens Neunte ist nicht umsonst das offizielle Partylied der Egozentriker: Wenn alle sich an ihrer Freude so erfreuen können wie ich, dann werden wir wahrlich alle Brüder (und Schwestern). An der Wirklichkeit unterschiedlicher bis entgegengesetzter Interessenlagen und Vorlieben zerbricht der Selbstbetrug auf die eine oder andere Weise und die Überfahrt nach Elysion endet mit Schiffbruch.

  • War das früher auch schon so oder verrohen Teile der Gesellschaft?

  • Vorschlag: Bodycams für alle Mitarbeiter. Nicht krampfhaft Daten schützen, sondern vor- und fürsorglich die Menschen.

    • @Trabantus:

      uiuiui - ganz schön mit Worten getrickst, um das so zurecht zu biegen. Als ob es beim Datenschutz darum ginge, Daten zu schützen.



      Natürlich schützt Datenschutz Menschen. Vor- und fürsorglich. Vor systematischer Benachteiligung und Übergriffen seitens durch Datensammlungen unkontrolliert angehäufte Macht einerseits und vor gezielten böswilligen Angriffen anhand geleakter Daten andererseits.

    • @Trabantus:

      Vorschlag: Nicht krampfhaft überall Überwachungstechnik einsetzen, sondern die Ursachen für die Zunahme von Gewalt in unserer Gesellschaft bekämpfen. Das ist vor- und fürsorglich. Auch die häusliche Gewalt nimmt zu. Sollen Ehepartner und deren Kinder auch mit Bodycams rumlaufen?

      • @Andreas J:

        "... sondern die Ursachen für die Zunahme von Gewalt in unserer Gesellschaft bekämpfen. "



        Und bis das erledigt ist, Bodycams für die gefährdeten Mitarbeiter der Bahn und des ÖPNV.