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Präsidentenwahl im TschadDie Klaviatur der Macht

Tschads Präsident Mahamat Déby will sich an diesem Montag an der Wahlurne bestätigen lassen. Der Premier Succès Masra will dies vereiteln.

Wird er auch nach den Präsidentschaftswahlen noch im Amt sein? Ein Wahlplakat von Mahamat Déby in Tschads Hauptstadt N'djamena Foto: Gilles Chris Namia Rimbarne

Berlin taz | Tschads Präsident Mahamat Déby lässt nichts anbrennen, wenn er sich an diesem Montag erstmals zur Wahl stellt. Der 40-Jährige verdankt sein Amt bisher nur seinem Vater Idriss Déby, der 1990 als Rebellenführer die Macht ergriff und im April 2021 unter ungeklärten Umständen bei der Abwehr von Rebellen getötet wurde. Tschads Generäle hievten damals prompt den Sohn an die Staatsspitze, um den Laden zusammenzuhalten.

Vater Idriss Déby war ein Meister der Machtdemonstration, mit Gewalt, aber auch mit geschliffenem Auftreten. Sohn Mahamat Déby muss erst noch beweisen, dass er die gesamte und nicht nur die brachiale Klaviatur der Macht beherrscht.

Vorgesorgt hat er. Die alte Garde von Oppositionspolitikern ist heute entweder tot oder mundtot. Die junge Generation ist gespalten zwischen radikaler Ablehnung des Systems und der Versuchung, die Ansage einer demokratischen Wahl beim Wort zu nehmen.

Der einst radikalste Oppositionsführer, Succès Masra, auf dessen Aufruf zu Massenprotesten am 20. Oktober 2022 das Regime mit Massakern an 300 Demonstranten antwortete, wechselte vergangenes Jahr als Premierminister in Tschads Regierung. Er löste in diesem Amt einen anderen ehemaligen Oppositionsführer ab, Saleh Kebzabo, der 2022 Premierminister geworden war und inzwischen in der politischen Versenkung verschwunden ist. Masra sieht das Amt eher als Sprungbrett: Er fordert jetzt Präsident Déby an der Wahlurne heraus. Vermutlich hält er sich für den Gerisseneren unter zwei 40-Jährigen.

Hoffen auf ein Wunder

In Tschads südlichen Savannen, deren Bevölkerung sich in den wechselnden Militärdiktatoren aus dem Norden nie wiedererkannt hat, rechnet Masra mit starkem Zulauf. Seine Wahlkundgebung in Moundou, der größten südtschadischen Stadt, am 28. April war deutlich besser besucht als die von Präsident Déby zwei Wochen zuvor, und er ist ein deutlich besserer Redner. Tschad müsse endlich „auf zwei Beinen“ stehen, sagt Masra, nicht nur militärisch und sicherheitsorientiert, sondern auch zivil und entwicklungsorientiert.

Doch Tschads Demokratiebewegung, zusammengeschlossen im Bündnis Wakit Tamma, ruft zum Boykott einer Wahl auf, die sie als „Maskerade mit vorher feststehendem Ergebnis“ bezeichnet. Masra gilt vielen seiner einstigen Mitstreiter durch seinen Eintritt in die Regierung als Verräter. Dass er versprochen hat, im Falle seines Sieges Déby einen „Platz an meiner Seite“ einzuräumen, bestätigt ihnen diese Befürchtungen. Aber seine Anhänger hoffen auf ein Wunder ähnlich wie in Senegal, wo die radikale Opposition in diesem Jahr die Wahlen gewann.

Nur ist Senegal die älteste Demokratie der Region und Tschad die stabilste Militärdiktatur. Geopolitisch hält das Land eine Schlüsselfunktion, umgeben von den Bürgerkriegsländern Libyen, Niger, Sudan und Zentralafrikanische Republik. Von Tschad aus fliegt Frankreich seine Militäreinsätze in der Sahelregion; nach den Militärputschen in Mali, Burkina Faso und Niger und dem Machtwechsel in Senegal ist Tschad der letzte verlässliche Verbündete für Paris.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kam 2021 extra zu Idriss Débys Beerdigung und Mahamat Débys Inthronisierung und hat Tschad die fortdauernde Unterstützung zugesichert. „Tschad ist eines der letzten brutalen Regime, mit denen Frankreich eine starke Militärpartnerschaft aufrechterhält – zweifellos das letzte, mit dem Paris den alten postkolonialen Regimeschutzvertrag behalten hat“, analysiert Elie Tenenbaum vom französischen Sicherheitsinstitut IFRI.

Die Krise im Sudan ist für Tschad gefährlich

Im Januar hatte Mahamat Déby aber Moskau besucht und damit Gerüchten Nahrung gegeben, er plane den Bruch mit Frankreich zugunsten einer Allianz mit Russland, wie andere Sahelstaaten auch. Beobachter werten dies eher als Pokern. Doch wie lange Tschad angesichts des Krieges in Sudan stabil bleibt, ist fraglich.

„Für Tschad ist die Krise in Sudan sehr gefährlich, weil Déby mit dem Feuer spielt“, analysiert Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung, der in den letzten Wochen Tschad bereist hat: Déby werde finanziell von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt, die über Tschad Waffen an die aufständische Miliz RSF (Rapid Support Forces) in Sudan schleust, und nehme zugleich Hunderttausende Flüchtlinge auf, die vor der RSF aus Sudans Westregion Darfur geflohen sind.

Am Sonntag hat nun die Wahl mit der Stimmabgabe der Angehörigen des Militärs begonnen. Laut Berichten stimmen sie ohne Wahlkabine ab, beäugt von ihren Kameraden. Ein Soldat, der eine Stimme für Succès Masra in die Urne warf, wurde bereits festgenommen.

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