Orangen und Inflation: H₂O-Saft aus der Mogelpackung

Orangensaft wird teurer, der Inhalt schlechter. Hersteller versetzen das Produkt mit Wasser und Aromen – verkaufen aber zu hohen Preisen.

Ausgepresste Orangenhälften übereinander gestapelt

Die weltweite Orangenproduktion geht stark zurück Foto: Peter Nitsch

Zunächst fällt es beim Einkauf kaum auf. Nicht beim schnellen Griff ins Saftregal. Es hört sich oft auch gut an. Der deutsche Fruchtsafthersteller Eckes-Granini nennt ein Produkt jetzt zum Beispiel „hohes C Juicy Balance Orange“, vorne auf der Verpackung der Hinweis: „40 % weniger Zucker“. Sonst sieht alles dem Fruchtsaft mit dem Namen „hohes C“ ähnlich, den das Unternehmen aus dem rheinland-pfälzischen Nieder-Olm schon seit 1958 herstellt. Er enthält 100 Prozent Fruchtsaft. Juicy Balance nicht. Es sind darin nur 59 Prozent enthalten. Der Rest: Wasser mit Aroma und Vitamin C.

Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg beobachtet das Angebot in deutschen Supermärkten und Discountern genau. Er untersucht, wie Kundinnen und Kunden getäuscht werden bei Preisen und Qualität. Bei dem Saft handele es sich um eine besonders „unauffällige Masche“, „Skimpflation“ genannt. Das ist eine Wortschöpfung aus Inflation und dem englischen „to skimp“. Knausern heißt das, einsparen. Valet: „Da wird Orangensaft gespart, mit Wasser verdünnt.“

Zählt nicht, dass weniger Zucker drin ist? Das habe nichts mit einer besseren Qualität zu tun, so Valet: „Im Gegenteil muss mit Aromen nachgeholfen werden, damit das Getränk noch nach echtem Fruchtsaft schmeckt.“ Und: Die Herstellungskosten gingen runter, doch nicht entsprechend der Preis. Auch Fleisch, passierte Tomaten, Rapsöl oder Marzipan würden mit günstigen Produkten wie Wasser, Füllstoffen oder Aromen gestreckt, erklärt Valet. Und eben Saft.

Die Deutschen sind Weltmeister im Safttrinken: 28 Liter Saft und Nektar trank jede und jeder im vergangenen Jahr, am meisten Orangensaft, dicht gefolgt von Apfelsaft. Doch Saftliebhaber müssen sich auf Änderungen einstellen. Die Zeiten sind nicht die besten, die Ware ist knapp.

Orangenkrankheit breitet sich aus

Beispiel Orangensaft: Rund 80 Prozent des global gehandelten Orangensafts stammen aus Brasilien. Er wird meist als Konzentrat exportiert, der frisch gepresste Fruchtsaft wird also bis auf einen kleinen Teil seines ursprünglichen Volumens eingedickt. Der Transport wird so leichter, erst beim Safthersteller wird später das entzogene Wasser wieder zugesetzt. Die Produzenten in Brasilien kämpfen seit Jahren mit einem Bakterium, das eine Orangenkrankheit auslöst und so ganze Plantagen verwüstet. Citrus Greening heißt die Krankheit, auch bekannt als Gelber Drache.

Auch in Florida macht sie sich breit. Dort hat der Hurrikan „Ian“ der Orangenernte im September 2022 dann den Rest gegeben. „Die Plantagen in Florida werden nicht nachgepflanzt. Sie werden jetzt eher zu lukrativerem Bauland“, erklärt Klaus Heitlinger, Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Fruchtsaft-Industrie. Und Orangensaft aus Spanien? „Dort fehlt Wasser“, sagt Heitlinger. Der Einbruch in der Orangenproduktion habe dazu geführt, dass sich die Preise für die Rohware innerhalb der vergangenen drei Jahre verfünffacht hätten. Er liege jetzt für einen Liter bei einem Euro. Dazu kämen Logistik, Verpackung, Handelsspanne und Mehrwertsteuer. So habe sich der Endpreis bei 2,49 bis 2,99 Euro pro konventionellem Liter eingependelt.

Beispiel Apfelsaft: „Jeder zweite Apfelbaum steht in China“, sagt Heitlinger. Das Land sei der größte Produzent von Apfelsaftkonzentrat, gefolgt von Polen. Doch China habe die Apfelproduktion gedrosselt, seit der Volksrepublik durch den verdeckten Handelskrieg mit den USA dort Abnehmer fehlten. Zudem führten immer wieder Wetterkapriolen zu miesen Ernten. Auch in Deutschland fiel die Apfelernte 2023 darum mager aus. Allerdings wechselten sich schlechte und gute Jahre bei Äpfeln ab. Heitlinger erwartet in Deutschland 2024 mehr Äpfel. Doch mit der Lage auf dem Gesamtmarkt sei der Preis für Apfelsaft gestiegen.

Und wie steht es etwa um Johannisbeersaft? Die kleinen Früchte kämen zumeist aus Polen, sagt Heitlinger, die Produktion sei stabil. Allerdings seien Johannisbeeren ohnehin teuer. Der Konsum sinkt. Die Deutschen sparten sich den teuren Saft.

Armin Valet, Verbraucherzentrale Hamburg

„Da wird Orangensaft gespart, mit Wasser verdünnt“

„Sonderangebote, um Säfte anzupreisen, nehmen gerade zu“, sagt Heitlinger. Langfristig wird es aber kaum billiger werden. Heitlingers Prognose: „Der Anteil der 100-Prozent-Säfte wird abnehmen.“

Marktführer Eckes-Granini erklärte der taz zum Produkt „hohes C Juicy Balance Orange“, die Minderung des Zuckergehalts habe „eine besondere Priorität“. Geachtet werde „auf die vielfältigen Wünsche der Konsument:innen“. Die höheren Preise begründet das Unternehmen mit den steigenden Rohstoffpreisen.

Verbraucherschützer Valet rät den Saftfans: „Im puren Saft steckt viel Zucker. Es ist richtig, ihn mit Wasser zu trinken. Aber lassen Sie sich für Wasser nicht viel Geld von den Herstellern abknöpfen, verdünnen Sie den Saft zu Hause einfach selbst. Das kostet Sie praktisch nichts.“ Und: „Achten Sie auf die Rezepturen.“ Längst würden zum Beispiel auch Mango- und Maracujasaft mit Wasser gestreckt oder stecke in Apfelschorlen weniger Apfelsaft als zuvor.

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