Film „Challengers“ mit Zendaya: Spiel ums Wagen und Wollen

Gut gelaunt und gut gebaut: In Film „Challengers“ spielt Regisseur Guadagnino die Regeln des Verlangens unter Tennisprofis durch.

Auf einem Bett sitzt eine junge Frau zwischen zwei lachenden jungen Männern

Geht es um die Spielregeln, gibt Tashi sie eindeutig vor Foto: Metro Goldwyn Mayer Pictures

Zeit für leichte Dehnübungen, ein wenig Warmlaufen und allem voran: Lockermachen. Luca Guadagninos jüngstes Werk schlägt im Kino auf – und wider allen Erwartungen, die sich aus dem bisherigen Schaffen des italienischen Regisseurs ergeben, handelt es sich um einen Sportfilm. In „Challengers“ dreht sich alles um Tennis.

Von der Oberfläche aus betrachtet zumindest. Darunter, und das will weitaus besser zur filmischen Neugier des „Call Me by Your Name“-Schöpfers passen, schwelt allerdings ein provokatives Porträt eines Liebesdreiecks. Wenn die Umschreibung „Sport“ eine bedeutende Bagatellisierung dessen darstellt, worum es hier im Kern wirklich geht, führt das große Wort „Liebe“ allerdings nicht weniger in die Irre.

Denn wer, diese Frage stellt sich schnell, liebt hier überhaupt wen? Fragt man nach dem Was, stößt man leichter auf Antworten: Patrick (Josh O’Connor) liebt den Reiz schöner Frauen und damit indirekt auch das Spiel um Tashis (Zendaya) Aufmerksamkeit. Tashi liebt Tennis und damit indirekt auch Menschen, die Tennis zu spielen wissen. Und Art (Mike Faist) liebt das Leben, das er sich zusammen mit Tashi aufgebaut hat, und damit wohl indirekt auch sie.

Er ist jedenfalls der Einzige, der die magischen drei Worte im Laufe der über zweistündigen Spielzeit tatsächlich auch ausspricht. In einer Szene, die sich zu Beginn der Handlung ereignet, in der Gegenwart des Jahres 2019, als das Dreiecksverhältnis zwischen den drei professionellen Tennisspielern bereits der Vergangenheit anzugehören scheint. Art ist mit Tashi verheiratet, sie haben eine gemeinsame Tochter und leben dank seines Erfolgs als Sportstar im Luxus.

Genauer gesagt, ist es ein gemeinsames Verdienst. Tashi, einst selbst überaus vielversprechende Nachwuchssportlerin, hat sich nach einer Verletzung ganz dem Trainieren ihres Ehemannes verschrieben. Nun allerdings droht die kometenhafte Karriere ihres Gatten und „Grand Slam“-Gewinners nach einer schmerzlichen Serie an Niederlagen zu einem jähen Ende zu kommen.

Leidenschaft zurückgewinnen

Wohl auch aufgrund seines rasanten Leistungseinbruchs erwidert Tashi dessen beinah flehentlich vorgebrachte Gefühlsbekundung mit einem schlichten „Ich weiß“. Es wirkt wie eine weitere Demütigung, nachdem sie Art zuvor verkündete, dass sie ihn ausgerechnet bei einem sogenannten „Challenger“ in einem verschlafenen Sportclub in New Rochelle anmelden möchte. Als höchstens zweitrangiges Qualifizierungsturnier für größere Wettkämpfe liegt das eigentlich weit unter Arts sportlichem Niveau.

In Wahrheit verbirgt sich hinter Tashis Drängen auf Teilnahme aber nicht nur der Versuch, Art durch ein paar leicht verdiente Siege sein Selbstbewusstsein zurückgewinnen zu lassen. Sondern auch, so seine Leidenschaft für den Sport wieder zu entfachen. Wichtiger noch: damit auch ihre eigene, die Leidenschaft für ihn.

Wie das wohldurchdachte Drehbuch von Justin Kurizkes in zahlreichen Sprüngen zwischen Zeiten und Tennisplätzen mit großer Lust am Verwirrspiel ganz allmählich herausarbeitet, kommt es Tashi als treibender Kraft dieses Films immerzu auf sie, die leidenschaftliche Hingabe, an. Egal ob in sportlichen oder sexuellen Kontexten – wobei in „Challengers“ das eine ohnehin niemals recht vom anderen zu trennen ist, sondern ineinander übergeht, sich sogar gegenseitig bedingt.

Grenzen überschreiten

Was Luca Guadagnino in seinem neuen Film also vollzieht, ist eine formvollendete Studie des Verlangens. Erneut, muss man hinzufügen, schließlich kehrt der Filmemacher so doch zur Essenz dessen zurück, was seine sinnlichen Leinwanderkundungen schon in der Vergangenheit auszeichnete.

Sei es das Sehnen des jungen Elio (Timothée Chalamet) nach dem deutlich älteren Oliver (Armie Hammer) in „Call Me by Your Name“ oder der sexuell konnotierte Hunger zweier verliebter Kannibalen in seinem zuletzt erschienenen Horrordrama „Bones and All“: Das Wollen hat bei Luca Gua­dagnino stets einen größeren Wert als das Haben, das Begehren eine größere Bedeutsamkeit als das Besitzen. Umso mehr, wenn es Grenzen überschreitet.

So wiegt der Verlust weniger schwer, als aus Angst vor der Niederlage vorzeitig aufzugeben. Seien es die bitteren Tränen des Elio nach der Trennung von seiner ersten großen Liebe oder das Verzehren des eigenen Liebhabers in besagter Kannibalen-Romanze: Was zählt, das vermittelt das Werk des Filmemachers mit gebührender Dringlichkeit, ist, etwas gewagt zu haben. Etwas zumindest eine kurze Zeit über mit jeder Faser des eigenen Körpers wahrlich gewollt zu haben.

Der leichtfüßige Hedonismus, mit dem „Challengers“ das Spiel des Wollens und Wagens wortwörtlich Punkt um Punkt durchexerziert, stellt für Luca Guadagnino allerdings ein Novum dar. Neuerlich eröffnet durch Patrick, den eine ehemalige enge Freundschaft mit Art verbindet, aber auch ein unerbittlicher Wettstreit um ­Tashis Aufmerksamkeit. Über eine Dekade zuvor ging er siegreich aus dieser Rivalität hervor und wurde ihr fester Freund.

Nachdem er es mangels nötigen Ehrgeizes niemals an die Spitze des Profitennis gebracht hat, nimmt Patrick nun ausgerechnet ebenfalls am Qualifizierungsturnier in New Rochelle teil – und steht Art selbstredend in einem nervenaufreibenden Finale gegenüber.

Innovative Kamera

Um diese Wettkampfszenen möglichst elektrisierend zu gestalten, werden innovative Techniken eingesetzt: Mal scheint es, als würde die Kamera sich auf dem fliegenden Ball um sich selbst drehen, dann, als wäre sie direkt auf den Tennisschlägern.

„Challengers“ tänzelt diesen von kleinen Intrigen begleiteten Balztanz der jungen Männer munter mit

Während die einstigen Kumpel, respektive Konkurrenten, unerbittlich um den Punktsieg kämpfen und sich Tashi auf der Tribüne wohl gleichermaßen um die sportliche Zukunft wie ihre – fest damit verbundene – Ehe sorgt, fördern Flashbacks die gemeinsame Vergangenheit der drei zutage.

Wie sich zeigt, reichte ein Windstoß, um ein Jahre umspannendes Spiel des gegenseitigen Anziehens und Abstoßens ins Rollen zu bringen: Just nachdem Art und Patrick 2006 selbst zusammen das Juniorendoppel der „US Open“ gewannen, werden sie nicht nur Zeuge von Tashis augenscheinlich noch größerem sportlichen Können. Ein kurzes Wehen hebt auf dem Platz ihren Rock an, woraufhin beide jungen Männer nicht anders können, also fortan um sie herumzutänzeln.

„Challengers“ tänzelt diesen von kleinen Intrigen begleiteten Balztanz munter mit und bewegt sich in seiner schaubegierigen Bildsprache immerzu lustvoll auf der Linie zum Aus, überschreitet sie aber niemals nachhaltig. Noch bevor sich der Eindruck festsetzen könnte, dass ausgerechnet Zendaya als weibliche Hauptdarstellerin rein auf ihre Körperlichkeit reduziert wird, zeigt sich: Bei der visuellen Exposition der Mitglieder dieser sinnesfrohen Ménage-à-trois lässt Luca Gua­dagnino generelle Gleichberechtigung ­walten.

Geht es wiederum um deren Spielregeln, gibt diese ohnehin eindeutig Tashi vor, und das schon seit dem gemeinsamen Kennenlernen auf einer opulenten Sponsorenparty zu ihren Ehren nach besagtem Sportevent. Als sie den beiden Männern nach unbeholfenen Anmachversuchen des draufgängerischen Patrick und den zumindest etwas gehaltvolleren Gesprächsansätzen des zurückhaltenderen Art wider Erwarten auf das gemeinsame Hotelzimmer folgt, lässt sie sich zwar auf einen ausgiebigen Kuss zu dritt ein. Aus diesem zieht sie sich jedoch genüsslich zurück, sodass die beiden verbleibenden jungen Männern ihn ungewollt alleine einige Augenblicke fortführen.

Zudem unterbreitet sie ihnen, dass nur der ihre Handynummer erhalten soll, der am nächsten Tag als Sieger aus dem Einzelturnier hervorgeht. Damit sind indirekt auch die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten ihres Dreiecksverhältnisses gesetzt: Wer gewinnt, hat ihre Aufmerksamkeit.

Pulsierende Venen, ekstatische Gesichter

Was wie eine kleine Koketterie anmutet, lässt sich erneut auf das Leitmotiv des Films zurückführen: Tashi lebt vom Wollen und kann an ihrer Seite nur akzeptieren, wer ebenso viel will wie sie und damit ihr Wollen weiter nährt. In der Ergründung dieser Volatilität des Verlangens schwingt allerdings auch eine homoerotische Komponente mit.

Die Frage, ob die Liebe zu dritt nicht auch eine denkbare Variante wäre, würde gay panic dem nicht im Wege stehen, stellt sich immer wieder, wenn „Challengers“ den Wandel des wechselseitigen Wollens im Verlauf von zwölf Jahren in von reichlich Schweiß getränkten Vignetten herausarbeitet. In unzähligen Nahaufnahmen studiert die Kamera Sayombhu Mukdeeproms („Suspiria“) die athletischen Körper, seziert in Slow Motion angespannte Arme und Schenkel, pulsierende Venen und ekstatische Gesichter. Während des Tennisspielens, wohlgemerkt. Sex selbst ist in „Challengers“ angesichts der Tatsache, wie sexuell aufgeladen seine Inszenierung doch ist, erstaunlich wenig zu sehen.

„Challengers“. Regie: Luca Guadagnino. Mit Zendaya, Josh O’Connor u. a. USA 2024, 128 Min.

Wie sehr Luca Guadagnino am Verwischen der Grenzen interessiert ist, zeigt auch der Musikeinsatz: Der treibende Techno von Trent Reznor und Atticus Ross ist sowohl im Wettbewerb auf dem Platz als auch in Wortgefechten abseits davon zu hören. Es geht eben doch immer um das eine: die Leidenschaft. Dass sie es ist, die auch im Re-Match zwischen Art und Patrick obsiegt, ist das Einzige, was am Ende dieses mindestens so gutgelaunten wie gutaussehenden Films zählt.

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