Vernetzungstreffen AfD und Neue Rechte: Brauner Lesekreis

Der AfD-Abgeordnete Thorsten Weiß organisiert eine „Alternative Buchmesse“ in Berlin. Gestärkt werden sollen die Bünde mit dem rechtsextremen Vorfeld.

Ein AfD-Wahlplakat auf der Straße, über das ein Auto gefahren ist

Es gibt nichts zu lesen im braunen Sumpf Foto: Stefan Zeitz/imago

BERLIN taz | Berlin steht ein erneutes Geheimtreffen der AfD mit der außerparlamentarischen extremen Rechten ins Haus. Geheim ist dabei aber nur die Adresse der als „Alternative Buchmesse“ betitelten Veranstaltung, die am 11. und 12. Mai in einer „erreichbaren und sicheren Örtlichkeit in Berlin“ stattfinden soll – nicht jedoch Inhalte und Teilnehmer:innen. Veranstalter des Treffens für 150 Gäste ist das Debatten-Netzwerk „Idearium“, das Thorsten Weiß, der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, gegründet hat.

In der Ankündigung stellt Weiß die Veranstaltung in einen Zusammenhang mit den „vermeintlichen Enthüllungen“, die auf die „nachhaltige Beschädigung der Alternative für Deutschland“ zielte. Gemeint sein dürfte die Recherche über das Potsdamer Treffen zu Deportationsplänen. Es gehe darum, die AfD von ihrem „politischen Vorfeld“ zu trennen, für das die Szene selbst den Begriff der „Mosaikrechten“ geprägt hat.

Beschrieben wird damit ein lose mit der Partei verbundenes Netzwerk aus neurechten Denkfabriken, Verlagen oder Gruppen wie der Identitären Bewegung. Die Neue Rechte gilt als Strömung des Rechtsextremismus, die ihre Wurzeln weniger im Nationalsozialismus als in der Denkschule der Konservativen Revolution der Weimarer Republik verortet.

Weiß, einstiger Obmann in Berlin des offiziell aufgelösten rechtsextremen Höcke-Flügels, will dem vermeintlichen Geheimplan gegen die AfD also etwas entgegensetzen und lädt dazu führende Vertreter – ausschließlich Männer – der Szene ein. Mit Götz Kubitschek und Erik Lehnert sollen etwa die Köpfe des Instituts für Staatspolitik auftreten, dazu kommen Simon Kaupert, einst aktiv für die Plattform „Ein Prozent“, die sich als Förderer rechtsextremer Projekte geriert, oder Benedikt Kaiser, Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten mit Neonazi-Vergangenheit, der inzwischen als völkisch-nationalistischer Nachwuchsideologe hausieren geht.

Umfeld der Identitären

Der von Kubitschek geleitete Verlag „Antaios“ und die aus seinem Haus stammende Zeitschrift Sezession gehören dabei ebenso zu den Ausstellern der „Messe“ wie „Ein Prozent“, der von dessen ehemaligen Gründer geleitete „Jungeuropa Verlag“, das Freilich Magazin oder das rechte Ökomagazin Die Kehre. Laut Felix Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin handelt es sich vor allem um Projekte, die „auf ein eher jüngeres Publikum abzielen“, also etwa das Umfeld der Identitären. Weiß’ Ziel sei die „Bindung des politischen Vorfelds an die Partei und die stärkere Einbindung von Personen und Publikationsorganen der sogenannten Neuen Rechten“, so Müller.

Es sind jene Verbindungen zu Akteuren von längst als gesichert rechtsextrem eingestuften Gruppierungen, die auch in dem laufenden Prozess vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster über die Einstufung und Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz eine Rolle spielen. Während die Verteidigung der Parteispitze darauf bedacht ist, die AfD als möglichst harmlos darzustellen, begreifen andere die nach einem Urteil mögliche Bewertung der Gesamtpartei als „gesichert rechtsextrem“ eher als Ansporn. Für den völkischen Teil, der inzwischen auch in der Berliner AfD den Ton angibt und von dem Landeschefin Kristin Brinker abhängig ist, ist die Veranstaltung laut Müller „der Versuch einer Machtdemonstration nach innen“. Weiß stehe inzwischen „im Zentrum der Berliner AfD“.

Die offensiven Parteirechten sitzen dann laut Einladung auch auf den Podiumsdiskussionen der geplanten „Buchmesse“. Dazu gehören die Berliner AfD-Abgeordneten Gunnar Lindemann und Hugh Bronson sowie Alexander Sell, bislang Grundsatzreferent der Berliner AfD-Fraktion, der sich mit einer rassistischen Rede einen Listenplatz für die EU-Wahl sicherte und dabei kein Geheimnis um das Vorhaben machte: Es gehe darum, „möglichst viel Geld aus den Brüsseler Schatztruhen in unsere eigenen Kanäle zu lenken“.

Ebenfalls zu Gast sein wird Hans-Christoph Berndt, Spitzenkandidat der AfD Brandenburg, der als Gründer des flüchtlingsfeindlichen Vereins „Zukunft Heimat“ in Cottbus selbst dem Partei-Vorfeld entstammt.

Blick auf die Wahlen

Thorsten Weiß’ Netzwerk „Idearium“ tritt erst zum zweiten Mal öffentlich in Erscheinung. Zum Gründungstreffen im Herbst 2022 hatte Weiß den Faschisten Björn Höcke von der Thüringer AfD in den bei der Partei beliebten Veranstaltungsort „Mittelpunkt der Erde“ in Hönow geladen. „Idearium“ hatte es danach in den Brandenburger Verfassungsschutzbericht 2022 geschafft: Dem Netzwerk gehe es „um ideologischen Austausch und Selbstversicherung, um die Vernetzung mit dem ‚politischen Vorfeld‘ und anderen Strukturen der ‚Neuen Rechten‘.“

Dass „Idearium“ zukünftig stärker auftreten wird, kündigt die Telegram-Gruppe an. Demnach habe man ein „professionelles Studio bezogen“ und plane eine „Frühjahrsoffensive“ mit „Talk-Formaten“. Müller sieht das als Teil der „Strategie der sogenannten Neuen Rechten, eigene Medienformate zu etablieren“.

Laut Dana Fuchs vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) handelt es sich nicht um das erste Verlagstreffen dieser Art. Viele der Akteure seien, unabhängig von „Idearium“, schon in den letzten drei Jahren zusammengekommen, zunächst in Dresden, dann im Spreewald, 2023 in Wien. Fuchs spricht von einer „Kontinuität der Vernetzung“. Berlin sei dabei ein „wichtiges Zentrum“, wenngleich ein Ort „mit der Gefahr von mehr Gegenwehr“. Dass man dennoch nach Berlin komme, sieht sie in den bevorstehenden Wahlen in Europa und Brandenburg begründet. „Das Treffen soll ein Wahlbooster sein“, so Fuchs.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.