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+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++Israel entlässt zwei Offiziere

Nach dem Drohnenangriff auf Mitarbeiter einer Hilfsorganisation müssen zwei Offiziere gehen. Derweil wächst die Sorge vor einem Konflikt mit Iran.

Dach des zerstörten Fahrzeugs der Hilfsorganisation World Central Kitchen Foto: imago

Israel entlässt zwei Offiziere wegen Drohnenangriffs auf Helfergruppe

Das israelische Militär entlässt wegen Drohnenangriffen auf Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen zwei Offiziere. Sie hätten gegen die Einsatzregeln verstoßen, hieß es am Freitag. Drei weitere Beteiligte würden gemaßregelt.

Israelische Streitkräfte hatten Anfang der Woche bei einen Luftangriff im Gazastreifen sieben Mitarbeiter von World Central Kitchen getötet, deren Fahrzeuge nach Angaben der Organisation deutlich gekennzeichnet waren. Israel räumte später ein, dass die Attacke eine Folge einer falschen Identifizierung des Autokonvois der Gruppe gewesen sei. (ap)

Israel will Gaza-Hilfen verstärken

Israel hat nach einer deutlichen Warnung des Verbündeten USA „sofortige Schritte“ zur Erhöhung humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen beschlossen. Das Kriegskabinett entschied am frühen Freitagmorgen (Ortszeit), den Hafen von Aschdod sowie den Grenzübergang Erez vorübergehend für Hilfslieferungen zu öffnen, wie die israelischen Zeitungen Haaretz und Times of Israel unter Berufung auf eine Mitteilung des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu meldeten.

Dadurch kann leichter Hilfe in den besonders von Lebensmittelmangel betroffenen Norden Gazas gelangen. Auch die über den Grenzübergang Kerem Schalom aus Jordanien kommende Hilfe werde aufgestockt, hieß es. Die USA begrüßten die Ankündigung Israels – und dringen zugleich auf ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln in Gaza. Laut einem Medienbericht soll darüber an diesem Wochenende in Kairo verhandelt werden. Unterdessen drohte Netanjahu für den Fall eines Angriffs des Irans auf sein Land mit Konsequenzen.

USA: Israels angekündigte Schritte müssen rasch umgesetzt werden

US-Präsident Joe Biden hatte Netanjahu am Donnerstag in einem Telefonat nach Angaben des Weißen Hauses aufgefordert, eine Reihe „spezifischer, konkreter und messbarer Schritte“ zu unternehmen, um das Leid für die Menschen in Gaza zu verringern und den Schutz von Helfern zu erhöhen. Die künftige US-Politik in Bezug auf Gaza hänge davon ab, wie Israel diese Maßnahmen umsetze, warnte Biden. Die USA begrüßten „die Schritte, die die israelische Regierung heute Abend auf Ersuchen des Präsidenten nach seinem Gespräch mit Premierminister Netanjahu angekündigt hat“, sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats, Adrienne Watson. Die müssten „vollständig und rasch umgesetzt werden“.

Das israelische Kriegskabinett entschied am Freitagmorgen, den Hafen von Aschdod für humanitäre Hilfe zu öffnen Foto: Hanna Mc Kay/reuters

Zu Wochenbeginn waren bei einem Luftangriff des israelischen Militärs sieben Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen im Gazastreifen getötet worden. Nach dem Vorfall äußerte sich US-Präsident Biden „empört“ und warf Israel vor, Helfer und Zivilisten nicht ausreichend zu schützen. Den Einwand von Regierungschef Netanjahu, die Attacke sei keine Absicht gewesen, ließ Biden nicht gelten – er hielt dagegen: „Das ist kein Einzelfall.“

Neuer Verhandlungsvorstoß für Geisel-Abkommen

Biden forderte Netanjahu im Telefonat zudem auf, „unverzüglich“ ein Abkommen zu schließen, um die Geiseln in der Gewalt der Hamas zurückzuholen. Wie der gewöhnlich gut unterrichtete israelische Journalist Barak Ravid am Freitagmorgen im Nachrichtenportal Axios unter Berufung auf zwei mit der Angelegenheit vertraute Quellen berichtete, soll nun CIA-Direktor Bill Burns an diesem Wochenende zu Gesprächen mit dem Chef des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad, David Barnea, sowie ranghohen Vertretern Katars und Ägyptens nach Kairo reisen, um ihre Freilassung zu erwirken.

Seit Wochen vermitteln die USA, Katar und Ägypten zwischen Israel und der Hamas, um eine Feuerpause und einen Austausch aus Israel verschleppter Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zu erreichen. Knapp 100 Entführte in der Gewalt der Hamas dürften nach israelischen Schätzungen noch am Leben sein.

Sorge vor Vergeltungsangriff des Irans gegen Israel

Unterdessen drohte Netanjahu für den Fall eines Angriffs des Irans auf sein Land mit Konsequenzen. „Seit Jahren agiert der Iran sowohl direkt als auch über seine Stellvertreter gegen uns; deshalb geht Israel gegen den Iran und seine Stellvertreter vor, defensiv und offensiv“, sagte Netanjahu am Donnerstagabend zu Beginn einer Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts, wie sein Büro mitteilte. „Wir werden wissen, wie wir uns zu verteidigen haben, und wir werden nach dem einfachen Prinzip handeln: Wer immer uns schadet oder plant, uns zu schaden, dem werden wir auch schaden“, sagte er demnach. Israels Regierung und die USA seien sehr besorgt, dass der Iran sich auf einen bevorstehenden Angriff vorbereitet, zitierte das Nachrichtenportal „Axios“ amerikanische und israelische Beamte.

Nach einem mutmaßlich von Israels Militär geführten Luftangriff auf ein Gebäude der iranischen Botschaft in Syriens Hauptstadt Damaskus mit mehreren Toten hatte der Iran Vergeltung angekündigt. Bei dem Angriff am Montag waren zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der mächtigen iranischen Revolutionsgarden getötet worden. Die Revolutionsgarden sind Irans Elitestreitmacht und werden mächtiger eingeschätzt als die konventionellen Streitkräfte.

USA sichern Israel Unterstützung zu

Die iranischen Drohungen gegen Israel kamen am Donnerstag auch in dem Telefonat zwischen Biden und Netanjahu zur Sprache. Biden machte dabei nach Angaben des Weißen Hauses deutlich, dass die USA Israel angesichts dieser Drohungen unterstützen.

Die Unterstützung der USA für Israel, sich gegen eine Reihe von Bedrohungen zu verteidigen, bleibe „unumstößlich“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, in Washington. Israel habe den USA als Verbündeten mitgeteilt, dass der Iran, sollte er als Vergeltung für den tödlichen Angriff in Syrien einen Angriff von seinem Boden aus auf Israel starten, eine starke Reaktion Israels zu spüren bekäme und dies den aktuellen Konflikt auf eine andere Ebene bringen würde, zitierte Axios israelische Beamte. Auch nach Einschätzung der US-Regierung war Israel für den Angriff in Syrien verantwortlich. Von israelischer Seite wurde der Vorfall nicht kommentiert.

Israelischer Armeesprecher: Horten von Lebensmitteln nicht nötig

Israels Militärsprecher Daniel Hagari bestätigte unterdessen am Donnerstagabend, das Positionsbestimmungssystem GPS im Land sei am Vortag bewusst gestört worden, um „Bedrohungen zu neutralisieren“. Er machte keine Angaben dazu, wo genau dies geschehen sei. In israelischen Medien wurden die Drohungen aus dem Iran als mutmaßlicher Grund genannt. Hagari schrieb derweil auf der Plattform X, es sei nicht nötig, Generatoren zu kaufen, Lebensmittel zu lagern und Geld von Bankautomaten abzuheben.

Angesichts der Sicherheitslage hat Israel Urlaube in allen Kampfeinheiten zeitweilig gestoppt. „Die israelische Armee ist im Krieg und die Aufstellung der Streitkräfte wird ständig entsprechend der Notwendigkeiten angepasst“, teilte das Militär am Donnerstag mit. Die Entscheidung sei in Einklang mit einer Lagebewertung getroffen worden. Ob sich dies auf die neuen Spannungen mit dem Iran oder die Lage im Gaza-Krieg bezog, blieb unklar. Zuvor hatte die Armee angekündigt, Reservisten für die Raketenabwehr zu mobilisieren.

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15 Kommentare

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  • Da müssten noch mehr entlassen werden, z.B. Netanjahu. So sind das zwei Bauernopfer und die sieben Helferinnen und Helfer werden dadurch auch nicht wieder lebendig. Und die USA, na ja, haben jetzt zwei Tonnen mehr Lebensmittel erreicht. Die hätten mal lieber auch auf die Waffenlieferungen verzichten sollen. Denn auch wer Waffen liefert, macht sich mitschuldig. Übrigens auch Deutschland.

  • Achtung, Zynismus-Spoilerwarnung!



    Wäre eine „falsche Identifizierung“ des Hilfskonvois tatsächlich die Ursache für den Angriff, müssten die zwei israelischen Offiziere auch nicht entlassen werden - die haben schließlich nur ihren „Job“ gemacht. Dazu gehört leider Gottes auch, Befehle zum Töten von Menschen zu erteilen.



    „SO ETWAS PASSIERT EBEN IM KRIEG!“



    Für diese Schweinerei müssen ganz andere am Pranger stehen!

    • @Abdurchdiemitte:

      Einsatzregeln, rules of engagement, können durchaus gebrochen werden, wenn Leute z. B. Quellen nicht vergleichen.

      Das führt auch zu falschen Identifikationen.

      • @KonservativBürgerlich:

        Okay, das ist vielleicht eine Erklärung, eine Rechtfertigung für den schrecklichen Vorfall ist es jedenfalls keineswegs.



        Ich meinte die POLITISCHEN Verantwortlichkeiten und die innenpolitischen Konsequenzen, die auf israelischer Seite aus diesem Vorfall folgen müssen. Da reicht es nicht aus, zwei Soldaten aus der Befehlskette zu entfernen.



        Ein zu schwaches Signal, um Israels Glaubwürdigkeit in der Weltöffentlichkeit und unter den Verbündeten wiederherzustellen.

  • Das mit den Hilfslieferungen glaube ich erst wenn ich es sehe, zumal der Grenzübergang Kerem Schalom seit Wochen teilweise komplett von israelischen Demonstranten blockiert wird und das dies laut CNN und der Doku von Jeremy Loffredo scheinbar von der israelischen Armee toleriert wird obwohl sie bereits im Januar eine geschlossene Militärzone um den Übergang eingerichtet hatten.



    "Den Einwand von Regierungschef Netanjahu, die Attacke sei keine Absicht gewesen, ließ Biden nicht gelten"- der Chef der WCK Jose Andres auch nicht, denn der sprach gestern im Interview von einer absichtlichen Attacke, da drei Fahrzeuge angegriffen wurden, die sich im Abstand von 1,5-2 Kilometer befunden haben. Und der hier zitierte Journalist Barak Ravid (übrigens ehemaliger IDF-Soldat) fand für diesen Angriff gestern im Interview mit Anderson Cooper, CNN auch sehr deutliche Worte.



    Hinsichtlich Iran: Was hat man erwartet? Das Iran nichts tut? Wenn man jetzt mal kurz außer acht lässt, das es der Iran war: welches Land würde nicht reagieren wenn ein Botschaftsgebäude von denen bombadiert wird? Botschaftsgebäude genießen über das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen besonderen Schutz. Und ja die einen würden diplomatisch reagieren oder rechtlich dagegen vorgehen aber wir sprechen hier nunmal vom Iran. Die Taktik der "extrajudicial killings" und vorbeugenden Selbstverteidigung (Bush-Doktrin) die sich auch immer mehr demokratische Staaten aneignen, ist nicht durch das Völkerrecht gestützt. Das mag einem nicht gefallen, aber wenn wir uns nicht an Gesetzte halten wie können wir es dann von anderen erwarten?



    Und wieso macht Deutschland, als Israels größter Verbündeter, Geschäfte mit Katar wenn die die Hamas unterstützen? Sollte man auch mal hinterfragen.

    • @Momo Bar:

      Das ist nicht wahr, sie verbreiten schon wieder Falschnachrichten.

      Den ganzen letzten Monat gingen fast jeden Werktag über 100 LKW über Kerem Shalom, gelegentlich sogar 200. (Samstage sind dort Ruhetage). Nur am 29.3 und am 25.3. nicht.

      app.powerbi.com/vi...06863add46319dc574

      Das der Grenzübergang über mehrere Tage geschlossen werden musste, kam zuletzt im Februar vor, vor über 6 Wochen.

      • @Socrates:

        Es ist nicht gelogen das sie den Übergang "teilweise komplett" blockiert haben. Ich habe nicht geschrieben immer blockieren, ich habe nicht geschrieben 24h am Tag und Tag täglich. Israel National News 28.03.2024: Violent protest at the 'Kerem Shalom' crossing; 3 arrested. Die Demonstranten sind also noch da, obwohl wie ich bereits geschrieben habe, die IDF dort eine geschlossene Militärzone eingerichtet hat und damit keine Zivilisten Zugang haben dürften. Der Report von CNN kam am 08.03.2024 und die Doku von Jeremy Loffredo letzte Woche heraus. Mich also zu bezichtigen "schon wieder Falschnachrichten" zu verbreiten finde ich absolut nicht in Ordnung, zumal sie dann auch nennen sollten wann ich das schon mal gemacht habe!

    • @Momo Bar:

      So tragisch das auch ist, aber wenn eine Parte des Konflikts, in diesem Fall die Hamas, sich systematisch hinter Zivilisten versteckt, Krankenwagen als Transportmittel nutzt und die so provozierten zivilen Opfer für Propagandazwecke nutzt, war ein Beschuss unbeteiligter letztendlich nur eine Frage der Zeit.

      Wäre Israel nicht durch die Hamas dieser Krieg aufgezwungen worden, wären - neben unzähligen Opfern der Zivilbevölkerung - alle Opfer noch am Leben.

      Oder um Sie mal frei zu zitieren: "welches Land würde nicht reagieren wenn 1.200 Bürger dieses Landes brutal niedergemetzelt und vergewaltigt werden?"

    • @Momo Bar:

      "Wenn man jetzt mal kurz außer acht lässt, das es der Iran war:"

      Lassen Sie doch mal nicht kurz außer Acht, dass es der Iran war und berücksichtigen Sie bitte, was der Iran seit Jahren propagiert und aktiv tut. Unter anderem eine Terrororganisation im Süden Libanons finanziell, organisatorisch, personell und in jeder Hinsicht militärisch unterstützen. Diese Terrororganisation greift seit Monaten Israel an und hat für rund 200.000 Vertriebene in Israel gesorgt. Faktisch führt Iran bereits Krieg gegen Israel und nutzt seinen Verbündeten Syrien, das sich immer noch im Kriegszustand mit Israel befindet, als Transitland für den Waffentransfer und Durchgangsstation für die Revolutionsgarden.

      Interessiert das irgendjemanden bei der UN? Alles gedeckt durch das "Völkerrecht"? Weniger schlimm, weil Deutschland Geschäfte mit Katar macht? Darauf soll Israel Rücksicht nehmen?

      • @BrendanB:

        “Interessiert das irgendjemanden bei der UNO?”



        Okay, dann stampfen wir die UNO gleich ein und schauen, was passiert …



        Es könnte auch in einem Weltenbrand enden, in einer auch für Israel fürchterlichen Katastrophe. Die Trump-Freunde, die Apologeten Armageddons, dürften sich jetzt schon die Hände reiben.



        Ist das Ihre Version einer friedlichen Zukunft in Nahost? Ich hoffe es doch nicht.



        Dann stimmen Sie bitte nicht ein in den Chor derjenigen, die die UN-Gremien permanent schwächen und delegitimieren wollen. Das nutzt nur den Putins, Trumps und Netanyahus.



        Übrigens: hat Israel seine Gründung als Staat nicht auch einer UN-Resolution zu verdanken?

  • Es ist ja schön und gut, dass Biden dazu drängt, "unverzüglich" ein Abkommen zu schließen, um die Geiseln in der Gewalt der Hamas zurückzuholen.

    Was ist denn aktuell die Verhandlungsposition der Hamas zu diesem Thema? Letzte Woche hat die Hamas sehr medienwirksam die UN-Resolution "begrüßt", die sie unter anderem zur sofortigen Freilassung der Geiseln aufforderte. Kam seitdem eine einzige Geisel frei?

  • Als wäre es selbstverständlich: Israel greift an und warnt anschließend vor einer Gegenreaktion.

    • @Ertugrul Gazi:

      Israel wird seit Monaten vom Iran über deren Hilfstruppen von der Hisbollah angegriffen. Nicht mitbekommen?

      • @BrendanB:

        Wenn die Hisbollah ein Grund wäre gegen den Iran Krieg zu führen dann wäre das schon lange passiert.

        • @judas3000:

          Passiert doch seit Jahren fliegt Israel Luftangriffe auf iranische Ziele in syrien.