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Terroranschlag in RusslandPutin gibt Islamisten Schuld

Der russische Präsident nennt radikale Islamisten als Täter. Das Narrativ von einer ukrainischen Spur gibt Putin aber weiterhin nicht auf.

Trauer an der Moskauer Konzerthalle: Wladimir Putin Foto: Sputnik/Mikhail Metzel/Pool via REUTERS

Moskau rtr/taz | Drei Tage nach dem Anschlag auf ein Konzert nahe Moskau hat Russlands Präsident Wladimir Putin radikale Islamisten als Täter genannt. Der Angriff passe in eine Serie ukrainischer Einschüchterungsversuche, sagte Putin am Montagabend allerdings weiter. „Diese Gräueltat ist möglicherweise nur ein Glied in einer ganzen Reihe von Versuchen derjenigen, die sich seit 2014 durch die Handlungen des neonazistischen Kiewer Regimes im Krieg mit unserem Land befinden.“

Die Planer des Angriffs hätten gehofft, Panik und Zwietracht in der russischen Gesellschaft zu säen. „Aber sie trafen auf Einigkeit und Entschlossenheit, diesem Übel zu widerstehen.“ Russland hatte 2014 die Krim annektiert und Februar 2022 eine größere Invasion folgen lassen. Am Freitag hatten vier bewaffnete Männer eine Stadthalle während eines Rockkonzerts gestürmt und das Feuer auf die Besucher eröffnet. Anschließend brach ein Feuer aus. Mindestens 137 Menschen wurden getötet und über 180 verletzt.

Zu der Tat bekannte sich die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS). Diese veröffentlichte auch Videomaterial, das bei dem Angriff entstanden sein soll. Die USA bezeichneten das Bekenntnis als glaubwürdig. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte am Montag, die verfügbaren Geheimdienstinformationen deuteten auf einen Anschlag des IS hin. „Die Gruppe hat auch versucht, mehrere Angriffe auf unserem Territorium auszuführen“, sagte er in Französisch-Guayana.

USA weisen Verbindungen zur Ukraine zurück

Putin hatte dagegen am Wochenende eine Verbindung zur Ukraine gezogen. Auf den IS ging er nicht ein. Nach Angaben der russischen Behörden versuchten die Täter, sich in die Ukraine abzusetzen, wo sie über Kontakte verfügt haben sollen. Nach der US-Erklärung zum IS schrieb die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, in der Zeitung Komsomolskaja Prawda, die USA verbreiteten das Schreckgespenst des IS, um von ihren „Mündeln“ in Kiew abzulenken.

Der Sprecher des US-Präsidialamts, John Kirby, wies am Montag die von Russland vorgetragene Möglichkeit von Verbindungen zur Ukraine zurück. „Das ist nur weitere Propaganda des Kreml“, sagte er. Die Regierung in Kyjiw hat jede Verwicklung zurückgewiesen.

Russischen Angaben zufolge wurden die vier mutmaßlichen Täter festgenommen. Sie sollen tadschikischer Abstammung sein. Ein Gericht in Moskau ordnete Untersuchungshaft an. Bei ihrem Erscheinen vor Gericht hatte einer der mutmaßlichen Täter einen Verband über einem Ohr und ein weiterer Gesichtsverletzungen. Der russische Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow antwortete nicht auf die Frage eines Journalisten, ob die Männer gefoltert worden seien.

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18 Kommentare

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  • 6G
    663803 (Profil gelöscht)

    Extremismus ist Mist: egal wann egal aus welcher Ideologie heraus; ich ärgere mich immer mehr darüber, dass die sog. beobachtenden Wissenschaftler so lange warten bis sie ein zusammenhängendes ideologisches Bild haben

  • Inzwischen hat Putins Amtskollege aus Belarus auch etwas zur ukrainischen Spur gesagt.

    Der Spiegel meldet:

    "Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko brüstet sich mit einem angeblichen Anteil seines Landes an der Ergreifung der mutmaßlichen Attentäter von Moskau. Wie Lukaschenko erklärte, hätten die Angreifer auf den Konzertsaal bei Moskau zunächst die Flucht nach Belarus versucht. Sie seien aber wegen der Grenzkontrollpunkte umgekehrt.

    »Deswegen gab es keine Möglichkeit für sie, nach Belarus einzureisen. Sie haben das gesehen. Deswegen kehrten sie um und gingen zu dem Abschnitt an der ukrainischen-russischen Grenze.« Russische Vertreter hatten bislang behauptet, dass die Verdächtigen zunächst versucht hätten, in die Ukraine zu fliehen."

    Damit hat Herr Lukaschenko dem Narrativ von Herrn Putin aber keinen Gefallen getan.

    • @Waagschale:

      Sie gehen vermutlich davon aus, dass in Russland die Medien über einen Widerspruch zwischen Lukaschenkas und Putins Aussagen berichten werden. Ich gehe davon aus, dass die russischen Medien das nicht (so) tun werden.

  • Wenn ich hier einige der geistigen Ausflüge in die unseelige Zeit des Nationalsozialismus lese, könnte ich bei einzelnen Kommentaren auf den Gedanken kommen, dass die Schreiber meinten, die Russen seien damals irgendwie selbst Schuld gewesen .....

    Da wird munter mal eben eine Verbindung vom Hitler-Stalin Pakt - über die DDR - zur heutigen Situation hergestellt - ich kann es kaum glauben.

    Schon vergessen - den Deutschen Krieg mit 24 Millione Toten in der Sowjetunion .....? davon 14.250.000 Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder....



    9.750.000 Sowjetische Soldaten..... ?

    "Na ja, ist doch schon lange her, irgendwann muss man die Toten von damals ja auch mal ruhen lassen - scheinen offenbar einige der Schreiber*innen zu denken. Der Russe ist Schuld, war er schon damals und ist er heute wieder, wenn er so einem wie Putin folgt - oder??"







    Klar, Putin ist unbestritten ein Diktator, der zu verantworten hat dass Russische Soldaten die Ukraine überfallen haben - das steht auch für mich außer Frage.

    Wenn unter einem Taz-Artikel über den aktuellen blutigen Terroranschlag bei Moskau die Russischen Opfer in der Kommentarspalte garnicht erwähnt werden und stattdessen geschichtsvergessen über die Rolle der Sowjetunion im 2.Weltkrieg geschrieben wird, kriege ich das Grausen.

    • @Bürger L.:

      Apophänie

      Es geht um das zwanghafte lügen und die permanente Geschichtsverzerrung.



      Nicht darum dass irgendjemand der im 2. Weltkrieg oder bei dem Terroranschlag umkam es "verdient" hat.

      Stalin starb 1953.



      Molotow starb 1986.



      Keiner der Entscheidungsträger musste unter den Folgen leiden.

    • @Bürger L.:

      Lassen Sie einfach die Sache mit der Schuld weg.

      Sonst verstehen Sie die Kommentare nicht.

      Von Schuld redet nämlich niemand.

      Dafür von Propaganda und implizit immer von Menschenleben, die diese Propaganda kostet.

      Der letzte Absatz des Artikels trieft eigentlich vor Blut.

      Die festgenommenen Tadschiken hätten bei der Misshandlung vermutlich auch gestanden, Stalin vergiftet zu haben und am Klimawandel Schuld zu sein.

      Ob sie es wirklich waren, ist doch durch die Folter komplett offen.

      Können Sie nachvollziehen, dass manchem ins Auge springt, dass gerade vieles wiederkommt?

      Propaganda, die rot zu grün erklärt?

      Ein zynisches Regime, dass jederzeit bereit ist, die eigenen Leute über die Klinge springen zu lassen? Erstrecht Ausländer …

      Um das Ruhenlassen von Toten geht es kein Stück.

      Im Gegenteil.

      Gerade an der zynischen Bereitschaft, die eigenen Leute in den Tod zu schicken, erkennt man die Unmenschlichkeit – von Putin wie zu stalinistischen Zeiten.

      Die 130 Toten bei dem Anschlag interessieren Putin nicht.

      Hätten die Islamisten diese Menschen nach Hamas-Art entführt, statt sie umzubringen, würde Putin nichts zu ihrer Rettung tun. Er würde die Entführer töten lassen, das ja.

      Auch die festgenommenen Tadschiken werden in 5 Jahren nicht mehr leben

      Können Sie das Ohnmachtsgefühl verstehen, dass man diese Entwicklung nicht aufhalten kann und dass das Ende des Tunnels noch lange nicht erreicht ist?

      Dass man möglicherweise mal die Illusion hatte, die Bundesrepublik könnte ein normales bis gutes Verhältnis zur Russischen Föderation aufbauen und die alten Feindschaften Geschichte sein lassen?

      Die Schuld von Deutschen, die im Zweiten Weltkrieg ihrerseits viele Millionen Menschen - darunter viele Sowjetbürger - grausam umgebracht haben, wird dadurch in keinster Weise geringer.

  • Was interessiert Wladimir die Wahrheit, solange sein Volk und auch manche Vertreter hierzulande ihm verständnisvoll folgen? Er kommt doch seit Jahren mit seinen Lügen über angeblichen finsteren Verschwörungen gegen die reine russische Seele durch.

  • Vermutlich haben die bereits verhafteten Täter auch schon „ausgesagt“, dass sie im Auftrag der Ukraine gehandelt haben.

    Das erfahren wir dann in den nächsten Tagen.

  • Dass Putin dieses Narrativ nicht aufgibt passt zur propagandistischen Begleitung dieses ganzen Konflikts.



    Nach neuer russischer Geschichtsschreibung hat die SU im 2. Weltkrieg gegen "den kollektiven Westen" gekämpft.



    Und Deutschland anstatt der SU wurden im Lend-Lease-Act mit Panzern unterstützt.



    Also wenig Überraschung dass die Ukraine, die USA und Israel mit dem IS propagandistisch in einen Topf geworfen werden.

    • @Waagschale:

      "Nach neuer russischer Geschichtsschreibung hat die SU im 2. Weltkrieg gegen "den kollektiven Westen" gekämpft."

      Ganz so neu ist das nicht. Zumindest die Saat für diesen Schwachsinn wurden schon vor Jahrzehnten vor allem in der DDR, insbesondere in Dresden, gelegt: "Angloamerikanischer Bombenterror" habe die Stadt zerstört. Dresdens Zerstörung habe also quasi das wahre Gesicht der "Angloamerikaner" (=des kapitalistischen Westens) gezeigt. Implikation: so etwas würden die "Freunde" aus Sowjetrussland niiiiieee tun...

      • @Suryo:

        Dankeschön für die Ergängung.



        Die Botschaft der Russischen Föderation hat ja am 15. Februar auf Twitter/X wieder daran erinnnert...während Russland gleichzeitig die Ukraine bombardiert.

        Obendrein wird verschwiegen dass die sowjetische Führung selbst mehr Bombardierungen durch die Alliierten gefordert hatte.

    • @Waagschale:

      Und weggelassen wird in Russland auch gerne, dass Stalin mit Hitler paktiert hat bevor Nazi-Deutschland dann die Sowjetunion angegriffen hat.



      Was Hitler davor mit ganz Europa und der halben Welt gemacht hat und auch mit den Juden, war Stalin herzlich egal.

      • @DocSnyder:

        Deswegen heißt es in Russland auch "Molotow-Ribbentrop-Pakt" und nicht "Hitler-Stalin-Pakt". Damit auch ja nicht der Schatten eines Verdachtes auf den glorreichen Stalin falle. Als hätten die Außenminister das geheime Zusatzprotokoll ganz ohne Wissen ihrer Führer ausgehandelt und als hätte sich die UdSSR nicht die baltischen Staaten einverleibt, wie es im Pakt vorgesehen war.

        P.S.: Von den Vergewaltigungen der Roten Armee sprach man in der DDR natürlich nie. Überhaupt: die DDR gehörte quasi zu den Siegern des Weltkrieges und hatte mit dem Nationalsozialismus üüüüberhaupt nichts zu tun. Jüdische KZ-Überlebende wurden dementsprechend auch gern mal an Bonn verwiesen, schließlich war ja allein die BRD Nachfolgerin des NS-Staates...

      • @DocSnyder:

        Dafür haben wir Propagandisten die im russischen TV unsere Außenministerin als "Miss Ribbentrop" diffamieren.



        Mir wäre neu dass es einen Germany's Next Miss Ribbentrop Contest gegeben und Frau Baerbock gewonnen hat.

  • Jaja, es waren islamistische Terroristen, die im Auftrag des satanistischen, von einem Juden geführten Nazi-Regimes in Kiew gehandelt haben.

    Irgendwas wird der Kreml sich schon zusammenlügen. Bei der russischen Desinformation und Propaganda wird sowieso nie nur eine einzige Lüge bzw. Halbwahrheit verbreitet, es gilt die Devise "flood the zone with shit", d.h., es wird eine Vielzahl von Stories in die Infosphäre geworfen. Es ist nicht nur egal, sondern auch erwünscht, dass sich diese Stories zum teil widersprechen. Nur so wird das Konzept Wahrheit zerstört und der apathische Konsument der Propaganda geschaffen. Wenn die Menschen nichts mehr für wahr halten, halten sie alles für möglich und sich selbst an die einige Konstante: die Macht des Regimes.

  • Für die TAZ scheint die politische Einordnung und Bewertung des Moskauer Anschlags am vorrangigsten und wichtigsten zu sein. "Putin instrumentalisiert ... " etc. Die Opfer fallen unter den Tisch.

    • @Martin Kühn:

      Wie viele mitfühlende Kommentare gab es von Ihnen bislang zu den Opfern russischer Angriffe auf ukrainische Zivilisten? Ich sag's Ihnen: null.

      Das hier ist überhaupt Ihr allererster Kommentar zu Russland / der Ukraine.

      • @Suryo:

        Sie haben Recht, die Berichterstattung der TAZ über das Leid der ukrainischen Zivilistinnen und Zivilisten kritisiere ich nicht. Denn diese Berichterstattung finde ich richtig und gut.



        Sie schreiben ja eine ganze Menge...