AfD-Europakandidat Petr Bystron: Hetzen für Russland?
Dem AfD-Politiker wird vorgeworfen, Zahlungen eines prorussischen Propagandaportals angenommen zu haben. Der Parteivorstand bleibt milde.
Als er für Platz 2 auf der AfD-Europawahlliste antrat, sprach der Bundestagsabgeordnete von „Globalisten, die uns zwangsimpfen, enteignen, im Prinzip versklaven wollen“, und raunte weiter von einer vermeintlichen (jüdischen) Eliten-Verschwörung von „Schwab, Gates und Soros“. Warum er überhaupt für Europa kandidieren wolle, fragte er sich selbst – und gab gleich die Antwort: „Ja, der Bundestag ist die bessere Bühne, aber aus Brüssel kommt das Gift, dort werden von den Globalisten still und heimlich die Vorgaben gemacht.“ Bystron bekam viel Applaus – und wurde mit 82 Prozent gewählt.
Mittlerweile steht im Raum, dass Bystron bei seiner Kandidatur noch eine andere Motivation gehabt haben könnte. Denn der Obmann im Auswärtigen Ausschuss und Ex-Leiter des AfD-Arbeitskreises für Außenpolitik steht im Zentrum eines Skandals um russische Einflussnahme und Korruption. Das russische Desinformationsportal „Voice of Europe“, dem auch immer wieder AfD-Politiker Interviews gegeben haben, soll laut tschechischen Sicherheitsbehörden nicht nur der Propaganda gedient haben, sondern auch der verdeckten finanziellen Einflussnahme auf kremlfreundliche Kandidaten. Mehrere hunderttausend Euro sollen in sechs europäische Länder geflossen sein – Geld soll laut Recherchen von Denik N und Spiegel in Prag in bar übergeben oder per Kryptowährung transferiert worden sein.
Der tschechische Geheimdienst soll einen Audiomitschnitt haben, der eine Bestechung Bystrons belegt. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat Vorermittlungen gegen Bystron eingeleitet, der Bundestag beschäftigt sich ab Mittwoch im Innenausschuss und dem parlamentarischen Kontrollgremium mit den heiklen Vorwürfen. Die AfD war um Schadensbegrenzung bemüht: Am Montag musste Bystron vor dem Bundesvorstand antreten, um sich mündlich zu erklären. 20 Minuten soll die Befragung in der Telefonkonferenz gedauert haben.
„Globalistische Kampagne“
Dabei soll Bystron erneut jegliche Zahlungen an sich oder seine Familie aus prorussischen Kreisen bestritten haben. Bereits in der Vorwoche wurde er vom AfD-Vorstand zur schriftlichen Stellungnahme aufgefordert, in der er unter anderem schrieb, dass alles eine „globalistische Kampagne“ unter anderem von – wem sonst? – „Soros-NGOs“ sei.
Die Reaktionen aus dem Bundesvorstand schwankten zwischen unterkühlter „Zurkenntnisnahme“ bis zur Behauptung, an den Vorwürfen sei „null Komma nix“ dran. Ein letzte Woche noch diskutierter Auftrittsverzicht oder die Aufforderung, sein Mandat nicht anzunehmen, sind offenbar vom Tisch: „Zum jetzigen Zeitpunkt muss der Bundesvorstand von der Unschuld Herrn Bystrons ausgehen“, heißt es. Vermutlich gibt es ebenso wenig Konsequenzen für Bystron wie nach seiner heimlichen Reise ins mit Putin verbündete Belarus 2023.
Dubiose Reisetätigkeiten von Bystron sind dabei kein Einzelfall: Gleich nach seinem Einzug in den Bundestag 2017 hatte er die rassistische paramilitärische Gruppe „Suidlanders“ in Südafrika besucht und an einem Schießtraining teilgenommen. Danach schwärmte er von „knorrigen Typen mit breiten Händen und geradem Blick“ – was wiederum nach Clint-Eastwood-Karikatur klingt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke