Kita-Aus am Schillerpark: Kein Platz für Kinder
Eine der ältesten Berliner Kitas soll aus ihren Räumen fliegen. Auf der Suche nach Ersatz erlebten die Erzieher*innen eine böse Überraschung.
So verlangt es der Vermieter in seinem Kündigungsschreiben, das das Team der EKT vor einem Monat in die Hand gedrückt bekam. „Die Kündigung kam an einem Freitag um 13 Uhr. Zwei Leute sind hier vorbeigekommen, die mir einen Briefumschlag überreicht haben, dessen Eingang ich quittieren musste“, berichtet Kita-Leiterin Susanne Heimrod der taz.
Das Schreiben kam durchaus überraschend, noch zwei Tage zuvor hatte Heimrod mit dem Vermieter telefoniert. „Da ging es um die Mitteilung über ein geplantes Bauvorhaben, die auch sehr knapp ausgefallen ist. Auf meine Nachfrage hin hatte man mir versprochen, dass ich ganz schnell weitere Informationen erhalten werde“, so Heimrod. Weitere Informationen erhielt sie dann auch tatsächlich – in Form der Kündigung. Die Kita-Leiterin wandte sich daraufhin an Anwält*innen, die nun versuchen würden, mit dem Vermieter über eine Fristverlängerung zu verhandeln.
Akut bedroht sind erst einmal nur die Räume im Erdgeschoss der Türkenstraße 15. Für den Ableger schräg gegenüber in der Hausnummer 4, in dem die unter Zweijährigen betreut werden, sieht es Susanne Heimrod zufolge jedoch nicht viel besser aus. „Als wir nachgeguckt haben, ob wir hier in der Nähe etwas anderes anmieten können, haben wir entdeckt, dass unsere Räume in der 4 auch zum Verkauf angeboten werden.“
Zu wenig Mietschutz für Kitas
Obwohl freie Kitas wie die EKT eigentlich sichere Mieter sind, deren Miete vom Land Berlin gezahlt wird, ist die Suche nach geeigneten Räumen alles andere als einfach. Eines der Probleme: Da Kitas freier Träger als Gewerbe laufen, brauchen sie einen Gewerbemietvertrag. Diese Verträge bieten jedoch kaum Schutz, erklärt Roland Kern vom Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (Daks).
Bei Gewerbemietverträgen stehe grundsätzlich das Prinzip der freien Marktwirtschaft im Vordergrund, das durch Angebot und Nachfrage geregelt werde. „Hier bleiben kleine Kita-Einrichtungen, die oft nicht viel Geld haben und zudem ortsgebunden sind, auf der Strecke“, sagt Kern zur taz. Zumal bei einem Gewerbemietvertrag die Mieten grundsätzlich unbegrenzt angehoben werden, auch ein Mieterschutz existiert nicht. Soziale Einrichtungen sind jedoch auf einen langfristigen Vertrag angewiesen.
Und selbst wenn schnell neue Räumlichkeiten etwa für die EKT gefunden würden – ob diese sich ebenso eignen wie die in der Türkenstraße 15, steht auf einem anderen Blatt. In dem Altbau haben die Kinder nicht nur die Möglichkeit, durch die verwinkelten Flure zu rennen, sondern auch einen eigenen Spielplatz auf dem abgeschlossenen Hinterhof, auf dem sie ohne Betreuung spielen können. Hier deutet sich bereits der Start des vom Vermieter angekündigten Bauvorhabens an. Wo früher Bäume standen, ist jetzt vor allem viel Erde und viel freie Fläche.
Ein Kitawechsel bedeutet Stress
An den Räumen hängen nicht nur die Arbeitsplätze der vier Erzieher*innen, vor allem die Kinder sind direkt von dem möglichen Aus betroffen. Ein paar Einrichtungen hätten zwar angeboten, notfalls Kinder aufzunehmen, auch das Jugendamt helfe bei der Suche nach Plätzen. Doch diese seien in Berlin nun mal Mangelware, so Heimrod. Und für Kinder bedeute ein Kita-Wechsel grundsätzlich Stress: „Ein paar von unseren Kindern haben schon einen Wechsel hinter sich, für die wäre es eine echte Katastrophe, wenn sie jetzt wieder wechseln müssten.“
Die Aufregung der Erwachsenen bleibe von den Kindern nicht unbemerkt, sagt die Kita-Leiterin. Immer wieder kämen Nachfragen. „Wir haben mit den Kindern darüber gesprochen, dass hier demnächst gebaut werden soll und dass wir deswegen nach neuen Räumlichkeiten suchen, damit wir nicht dem Lärm und Staub ausgesetzt sind.“ Vor Ort hätten es die Kinder noch gefasst aufgenommen, zu Hause dann aber „sehr aufgeregt“ auf die Nachricht reagiert. Weil sie nicht hier weg wollten, „wollten einige Kinder schon ihr eigenes Geld spenden und damit die Räume kaufen“, erzählt die Erzieherin.
Um den Kindern Sicherheit zu geben, soll der Alltag zunächst möglichst normal weitergehen. Sie würden weiterhin gemeinsam ins Kino gehen und Ausflüge unternehmen, wie die jährliche Reise nach Heiligensee, wo die Erzieher*innen mit den Kindern vier Tage verbringen, so Heimrod. „Dieses Jahr wäre die Reise genau in der Woche, bevor wir hier raus müssen. Die Frage ist: Sind überhaupt noch genug Kinder da?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“