Schnelle Banküberweisungen: Schokolade, Socken, leere Versprechen
Banken müssen bald superschnelle Überweisungen umsonst anbieten. Was wäre, wenn eine Whatsapp-Nachricht, die sofort ankommt, 5 Euro kostete?
I rgendwo im Universum muss es ein riesiges Loch geben. Darin befinden sich: Die einzelnen Socken, die nicht wieder aus der Waschmaschine auftauchen. Die Schokolade, die ganz sicher im Schrank lag und die niemand gegessen hat und jetzt ist sie trotzdem weg. Das Geld, das die Bank schon von einem Konto ab-, aber noch nicht wieder aufs Empfängerkonto raufgebucht hat. Die Vorschläge, Konzepte, Pläne und Zusagen, die ein:e Politiker:in, eine Partei, eine Regierung mal gemacht hat und von denen sie jetzt nichts mehr wissen will – ohne inhaltlich begründen zu können, wie es denn nun zu diesem Meinungsumschwung kommt. Was man noch vor einem Jahr, einem Monat oder einer Woche gesagt hat? Einfach weg. Als wäre es niemals dagewesen.
Gäbe es dieses Loch nicht – wie würde die Welt aussehen? Einen kleinen Einblick wird es in spätestens anderthalb Jahren geben. Dann, so hat es die EU jüngst beschlossen, müssen Banken schnelle Überweisungen in der Eurozone ohne Preisaufschlag anbieten. Schnell heißt in diesem Fall tatsächlich schnell und nicht so ein Bundesregierung-digitalisiert-die-Verwaltung-Schnell: maximal 10 Sekunden sind erlaubt, dann muss das Geld auf dem Empfängerkonto sein. Warum die Banken allerdings anderthalb Jahre Umstellungszeit für etwas bekommen sollten, was die meisten ohnehin schon anbieten, nur halt in teuer, bleibt das Geheimnis der Verhandler:innen.
Wahrscheinlich müssen wir froh sein, dass andere digitale Branchen sich das Konzept Schnelligkeit gegen Extra-Zahlung nicht abgeschaut haben: Whatsapp-Nachricht, die drei Tage braucht? Kostenlos. Whatsapp-Nachricht, die gleich ankommt? 5 Euro extra.
Wobei das natürlich ein interessanter Ansatz zur Entschleunigung wäre. Den hat bestimmt auch die Post im Blick, wenn sie für die offiziell noch vorgesehene Standard-Zustellung am nächsten Tag extra kassieren und sich für alles andere mehr Zeit lassen will. Ein bisschen Me-Time für die Briefe, warum nicht? Und ganz ehrlich: Bei Geburtstagskarte, Steuerbescheid, Werbesendung – da ist es doch relativ egal, wann es ankommt oder es lässt sich rechtzeitig abschicken.
Jedenfalls: Das Loch im Universum wird absehbar durch die fehlenden Banküberweisungsgelder etwas leerer. Für Bankkund:innen ist das eine gute Nachricht. Im Sinne des gesunden Schrumpfens sollte das Universum aber schleunigst schauen, das Loch dann auch etwas kleiner zu bekommen. Schließlich können leere Versprechen von Politiker:innen ähnlich ungesund sein wie zu viel Schokolade.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug