Rechtsruck in Portugal: Es bleibt Ratlosigkeit

Die Niederlage der Sozialisten in Portugal hat mit Logik wenig zu tun. Sie liegt aber auch an eigenen Versäumnissen.

Mehrer Menschen jubeln bei einer Veranstaltung.

An­hän­ge­r:in­nen der rechten Chega-Partei feiern die Ergebnisse am Wahlabend Foto: Joao Henriques/ap

Aus der Traum von der Insel ohne nennenswerten rechtsextremen Einfluss. Bei den Wahlen am Sonntag in Portugal wurde die ultrarechte Chega („Genug“) zur drittstärksten und alles entscheidenden Kraft. Denn es gibt nur zwei Möglichkeiten für eine stabile Regierung im äußersten Südwesten der Europäischen Union: Entweder eine große Koalition – die die Sozialisten strikt ablehnen – oder eine Rechtskoalition der konservativen Demokratischen Allianz mit Chega, mit allen Folgen, die im benachbarten Spanien in mehreren Regionen und vielen Gemeinden zu sehen ist.

Wenige Wochen vor dem 50. Jahrestag der Nelkenrevolution, die einst Portugal aus der Diktatur in die Demokratie führte, haben die extrem Rechten, die ewig gestrigen Verehrer jenes autoritären Regimes, wieder eine Schlüsselstellung in Portugal.

Wie kann es sein, dass die Sozialisten, die das Land aus der Austerität zurück ins Wachstum und in den Sozialstaat führten, so haushoch verlieren? Immerhin regierten sie seit 2022 mit absoluter Mehrheit. Jetzt haben sie erhebliche Stimmenverluste nach ganz rechts zu verdauen. Sicher haben sie nicht alle Versprechen einhalten können. Trotz Gesetzesreformen ist der Wohnungsmarkt außer Kontrolle geraten. Trotz Erhöhung der Mindestlöhne wird es für viele am Monatsende finanziell knapp. Doch Stimmenverluste hin zu denen, die mehr regulieren wollten, gab es keine. Die Wählerschaft wanderte nach rechts ab.

Gegen die eigenen Interessen

In Portugal lässt sich – leider – einmal mehr ein Phänomen beobachten, das mit Logik nur wenig zu tun hat. Ein nicht unerheblicher Teil der Wählerschaft gibt seine Stimme einer Rechtsaußen-Formation, deren autoritär-wirtschaftsliberales Programm gegen die eigenen Interessen verstößt.

Trump, Milei, Meloni, Le Pen, AfD, Vox in Spanien und jetzt Portugal – „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“, war einmal. Heute kommt hasserfüllte Ideologie zuerst. Feministinnen, LGBTIQ, Ökos, Einwanderer – alle haben Schuld, nur die wahren Schuldigen nicht: diejenigen, die von der neoliberalen Politik profitieren, die Gewinner der sich immer weiter öffnenden sozialen Schere. Nach solchen Wahlergebnissen bleibt nur Ratlosigkeit.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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