piwik no script img

Linke und BSW tagen in ThüringenRamelow will weiter regieren

Bei einem Parteitag macht Thüringens Ministerpräsident seiner Partei Mut. Zugleich gründet auch Wagenknecht in Thüringen einen Landesverband.

Bodo Ramelow (Linke) beim Landesparteitag der Linken Thüringen in Ilmenau am 17. März Foto: Michael Reichel/dpa

Berlin taz/dpa | „Wir kämpfen nicht gegen andere Parteien, wir kämpfen gegen Faschismus“, sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow auf einem Landesparteitag der Linken am Sonntag in Ilmenau. Sein Ziel sei es, die in Thüringen als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD bei der Landtagswahl im September „unter 30 Prozent und uns über 30 zu bringen“. Es gehe um ein weltoffenes und demokratisches Thüringen. „Wir stehen für die soziale Verantwortung in diesem Land.“

Auf dem Parteitag in Ilmenau bekräftigte Ramelow das Ziel, Thüringen weiter mitzuregieren – trotz derzeit schwacher Umfragewerte. „Wir starten nicht in der besten Startposition. Aber das macht mir keine Angst“, sagte Ramelow. Seine Partei traue sich zu, am 1. September die Landtagswahl zu gewinnen. Die Linke liegt derzeit in Umfragen zwischen 15 und 17 Prozent – nur etwa halb so viel, wie sie bei der Landtagswahl vor fünf Jahren holte. Die AfD mit ihrem Partei- und Fraktionschef Björn Höcke kommt auf 31 bis 36 Prozent.

Einstimmig beschlossen wurde beim Parteitag ein 85 Seiten starkes Regierungsprogramm. Es nennt als Vorhaben unter anderem ein drittes beitragsfreies Kita-Jahr in Thüringen, ein landesweites 28-Euro-Ticket für junge Leute sowie die Gründung einer Landeswohnungsbaugesellschaft. Sie soll in einem ersten Schritt 1.500 Wohnungen bauen oder sanieren und mit Sozialbindung anbieten. Gerechtigkeit sei für die Linke, „wenn jeder Mensch von Kindheit an bis ins hohe Alter gleiche Chancen bekommt und niemand fallen gelassen wird“, heißt es in dem Programm.

Die Landesvorsitzende Ulrike Grosse-Röthig und der Bundesvorsitzende Martin Schirdewan wandten sich auch gegen die Schuldenbremse. Die Bundesregierung weigere sich, in Klimaschutz und die Zukunft des Landes zu investieren. „Diese Ampel-Politik ist eine Katastrophe“, sagte Schirdewan.

Thüringer Linke wirbt weiter für Rot-Rot-Grün

Grosse-Röthig plädierte trotz derzeit fehlender Mehrheiten für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit SPD und Grünen in Thüringen. „Uns als Rot-Rot-Grün verbindet politisch mehr als mit anderen Parteien.“ Die Dreier­koa­li­tion regiert das Land mit einer kurzen Unterbrechung seit fast zehn Jahren. Seit 2020 hat sie keine Mehrheit mehr im Landtag. Der Parteitag sprach sich auch dafür aus, dass Thüringens Regierung eine Initiative Bremens zur Prüfung eines rechtssicheren AfD-Verbotsverfahrens unterstützen soll. Auch die Linken-Gruppe im Bundestag solle sich dafür einsetzen.

Als Gast beim Parteitag in Ilmenau sprach die Spitzenkandidatin der Thüringer Grünen, Madeleine Henfling. „Die Minderheitskoalition hat uns an den Rand unserer Kompromissfähigkeit gebracht“, gab sie zu. „Trotzdem hat Rot-Rot-Grün zusammengestanden.“ Henfling erklärte, die Koalition mit der Linken fortsetzen zu wollen. „Ich hoffe, dass wir nach dem 1. September wieder eine progressive Mehrheitskoalition sind.“

Eine unbekannte Größe bleibt das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das in Eisenach am Freitag seinen Thüringer Landesverband gegründet hat. Die Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf und der Unternehmer Steffen Schütz wurden zu Vorsitzenden gewählt. Das BSW will in Thüringen bei den im Mai anstehenden Kommunalwahlen, bei der Europawahl im Juni und bei der Landtagswahl im September antreten. Erst vor drei Wochen wurde in Sachsen der erste BSW-Landesverband gegründet.

Zuletzt musste das BSW allerdings eine schlechte Nachricht verkraften: Ein Datenleck hatte es Unbefugten ermöglicht, auf Informationen zu 5.000 Spendern und 30.000 Abonnenten eines Newsletters zuzugreifen. In einer aktuellen bundesweiten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa sackte das BSW in der Wählergunst außerdem leicht ein. In der aktuellen Sonntagsfrage für die „Bild am Sonntag“ kam es nur noch auf sechs Prozent.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Dauerfreikarte für Ramelow bei fehlender Mehrheit, nur der AfD wegen finde ich sehr bedenklich und gefährlich für eine Demokratie. Wer keine Mehrheit hat kann nicht dauerhaft regieren.



    Aktuell liegt die CDU 5% vor der Linke und rund 15% vor der SPD und den Grünen.



    Sollte dann nicht ein CDU-MP gewählt werden? Warum Ramelow?



    (P.S.: Noch nie CDU gewählt)

  • Auch wenn ich inzwischen eher ein Schlucken der Linken durch Grüne und/oder SPD am Horizont sehe: Ramelow ist ein Pfund der Linken und eins für Thüringen speziell.



    Die Union sollte gerade dort ihre seltsame Verweigerung gegenüber Linken überdenken. Inhaltlich abgrenzen geht ja durchaus noch (wenn man Inhalte hat, natürlich).

  • Angesichts einer erstarkten Rechten und der veränderten Parteienlandschaft in der Bundesrepublik hat sich in Thüringen gezeigt, dass Minderheitsregierungen durchaus (auch auf Bundesebene) ein Modell für die Zukunft sein könnten.

    Es ist zu hoffen, dass die Linke nach dem Ausscheiden der Wagenknecht Anhänger*innen neue Kraft und Ideen entwickelt um zumindest ansatzweise zu alter Stärke zurückzufinden.

    Ob das BSW (laut D. Bax in der Taz )



    " ....Eine Nostalgie-Linke, die sich nicht mit neumodischem Gender-, Migrations- oder Klima-Kram beschäftigen will.... " sich wirklich als politische Kraft dauerhaft durchsetzen kann, wird sich in der Praxis der Alltagspolitik zeigen.

    Bislang lebt das Bündnis in erster Linie dadurch, dass die Medien Sahra Wagenknecht mehr Aufmerksamkeit widmen, als der Partei "die Linke", die sie durchaus intelligent genutzt hat, um sich selbst in Talkshows und Interviews in den Mittelpunkt zu stellen.

    In der Landespolitik dürften längerfristig andere Qualitäten gefragt sein.

  • irgendwie komisch: unter mehr zum thema: 3x bsw. hm.

    • @Brot&Rosen:

      Auch linke Presse ist nicht neutral.