Diskussion um Mega-Fahrradmarkt: Kiels Krieg mit Krieger
Die Unternehmensgruppe Krieger plant in Kiel einen Rad-Discounter. Es gibt Misstrauen gegenüber dem Investor, auch wegen dessen Vorgeschichte.
Für Ove Schroeter von „Die Partei“ ist die Sache klar: In den rund 7.000 Quadratmeter großen, zweistöckigen Bau, in dem zurzeit der Sconto-Markt untergebracht ist, gehört ein „Kleingartenvisualisierungszentrum“, in dem Interessierte sich anschauen können, wie Kleingärten in aller Welt aussehen. Für einen Euro pro Jahr, so schlug er in der Kieler Ratsversammlung vor, könne die Stadt das Grundstück pachten, natürlich nur, um Unternehmer Kurt Krieger – „Wer kennt ihn nicht als höflich und stets respektvoll im Umgang?“ – zu unterstützen.
Der Antrag fand zwar keine Mehrheit, aber Schroeters ironische Kritik teilten andere, etwa der Grüne Arne Stenger, der Krieger mit einem „schlechten Kellner“ verglich, der anstelle des ursprünglich bestellten Möbelladens nun das XXL-Fahrradgeschäft bringe, „ohne uns zu fragen. Und so geht es einfach nicht!“
Bei der Bauausschusssitzung im Januar hatte Krieger-Vorständin Edda Metz über die „höchst defizitäre“ Bilanz des Sconto-Markts berichtet und die Pläne für den Fahrraddiscounter vorgestellt. Er wäre mit Verkaufsflächen und Werkstatt größer als alle heutigen Fahrradläden der Stadt zusammen. Seither beraten Ausschüsse und Stadtrat das Thema. Zwar gehört das Gelände der Krieger-Gruppe, ohne einen neuen Bebauungsplan (B-Plan) darf aber nichts verändert werden.
Illegal planiert
Für die Ratsfraktion der SPD, die auch den Oberbürgermeister stellt, fasste die Vorsitzende Christina Schubert die Stimmungslage zusammen: „Wir sehen das Vorhaben sehr kritisch. Sowohl die überdimensionierte Größe des geplanten Fahrradmarktes als auch die Vorgeschichte führen bei uns zu einer großen Skepsis und wenig Vertrauen in den Krieger-Konzern.“
Gemeint ist eine illegale Planier-Aktion im Jahr 2021, als nicht nur das Baugelände, sondern auch die geplanten Ausgleichsflächen auf dem damaligen Kleingartengelände großflächig umgepflügt wurden. Es sei nur ein einzelner Bagger gewesen, der „derartig in Schwung war, dass er fröhlich das ganze Grünzeug abgeholzt hat“, versuchte damals Geschäftsführerin Edda Metz zu beschwichtigen – die Stadt stellte Strafanzeige.
Trotz dieser Vorgeschichte wollten SPD und auch CDU die Fahrradpläne nicht sofort vom Tisch wischen: Sie wünschen sich ein Gutachten, das Krieger bezahlt. Es soll Klarheit bringen, ob Stadt und Umland einen Mega-Radstore brauchen und welche Folgen er für die kleineren Einzelhändler:innen haben würde. Am Donnerstag scheiterte dieser Antrag aber im Wirtschaftsausschuss an den Stimmen von Grünen, SSW, Linken und der „Partei“.
„Wir sind enttäuscht, dass das Misstrauen gegen die Krieger-Gruppe für eine emotionale Entscheidung abseits der Sachpolitik gesorgt hat“, sagte der CDU-Wirtschaftsexperte Carsten Rockstein. Das Gutachten hätte „Handlungsoptionen auch für die Zukunft aufzeigen oder ausschließen“ können.
Allerdings befasst sich in der ersten Märzwoche auch noch der Bauausschuss mit dem Thema, teilte Kiels Rathaussprecher Arne Gloy der taz auf Anfrage mit. Richtig sei, dass der Fahrradmarkt erst eingerichtet werden darf, wenn die Stadt den B-Plan entsprechend ändert. Dafür brauche es aber kein Gutachten, so Gloy.
Rund 300 Arbeitsplätze und Steuergewinne hatte sich die Stadt von der Ansiedlung des Möbelgeschäfts versprochen. Ursprünglich war ein Laden der Regionalkette „Möbel Kraft“ geplant gewesen. 2014 hatte sich eine knappe Mehrheit der Bevölkerung in einem Bürgerentscheid für den Bau entschieden.
In einer früheren Fassung hatte es geheißen, die SPD stelle die größte Ratsfraktion, seit der letzten Kommunalwahl liegt sie aber nur noch gemeinsam mit der CDU an zweiter Stelle hinter den Grünen. Wir haben den Fehler korrigiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene