Bauwagen-Gruppe appelliert an Stadt: „Wir wünschen uns Legalisierung“
Eine Kieler Bauwagen-Gruppe befürchtet die Räumung des Platzes durch einen Investor und sucht Hilfe bei der Stadt. Doch die Chancen stehen schlecht.
Kiel taz | Im Zentrum des Platzes steht der Küchenwagen, in dem es sogar eine Dusche gibt. Gekocht und gegessen wird im Freien, ein Schutzdach hält den Regen ab. Ja, das Leben im Bauwagen sei schon besonders, sagen die vier Bewohner*innen, die an diesem Nachmittag auf dem Platz sind. Aber zurück in ein festes Haus? „Ich habe das versucht, es hat mich unglücklich gemacht“, sagt Maike (alle Namen geändert). Zu weit weg von der Natur, zu wenig Kontakt zu anderen Menschen, zu viel Energieverbrauch – das sei kein gutes Gefühl.
Für Hanna ist auch das Finanzielle ein Argument: „Ich müsste mehr als die Hälfte meines Geldes für Wohnen ausgeben.“ Nils und Mila betonen die sozialen Aspekte: Auf dem Wagenplatz herrsche ein Gemeinschaftsgefühl, Dinge würden gemeinsam geregelt. „Ich bin eigentlich kein handwerklicher Typ, aber hier habe ich viel gelernt“, berichtet Nils. Alle vier arbeiten oder studieren, doch ihre Wohnform ist illegal: Die Wagen stehen ohne Genehmigung auf privatem Grund.
Die Gruppe ist bereits mehrfach umzogen. Zuerst standen die Bauwagen auf dem Prüner Schlag, einer Ausgleichsfläche für den – in Kiel sehr umstrittenen – Bau eines Möbelhauses. Der Besitzer ließ räumen, die Gruppe besetzte weitere Flächen, wurde erneut geräumt, zog wieder um.
Inzwischen stehen sie auf dem Gelände im Meimersdorfer Moor. Der Platz gehörte der Deutschen Bahn, nun habe ihn ein Investor gekauft, berichtet die Gruppe. Was der plant, lässt sich auch durch Anfrage bei der Stadt Kiel nicht klären – doch die Mitglieder der „Schlagloch“-Initiative befürchten, dass sie jederzeit geräumt werden könnten. Sie hoffen daher auf ein neues Grundstück: „Wir wünschen uns eine Legalisierung“, sagt Maike. Denn der jetzige Zustand sei „nervenaufreibend“.
„Ich habe nichts gegen alternative Wohnformen, ich lebe selbst in einer“
Mit einem offenen Brief wandte sich die Gruppe an die Stadtverwaltung und die Ratsfraktionen. Sie hofft, das „MFG-5-Gelände“ nutzen zu können, ein großes Areal an der Förde, das neu überplant wird. Zumindest eine Zwischennutzung wäre möglich, meint die „Schlagloch“-Gruppe: „Bis zum Baubeginn werden noch Jahre ins Land gehen, in denen wir diesen Ort mit Leben füllen und einen Treffpunkt des Austauschs, kultureller und politischer Aktivität gestalten können“, schreibt die Gruppe in dem Brief. Die Stadt könne zeigen, ob sie den Anspruch einer innovativen „Klimastadt“ ernst meine.
„Ich habe nichts gegen alternative Wohnformen, ich lebe selbst in einer“, sagt Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) – der Politiker wohnt in einer Genossenschaftssiedlung. Den Vorwurf, die Stadt tue zu wenig für bezahlbaren Wohnraum, weist er zurück: „Wir haben gerade erst eine eigene kommunale Wohnungsgesellschaft mit Schwerpunkt auf sozialem Wohnungsbau gegründet.“
Auch auf dem „MFG-5-Gelände“ werde sozialer Wohnraum entstehen. Allerdings sei es rechtlich schwierig, Wagenplätze zu legalisieren. Ein Grund: „Wir wollen keine Ungleichbehandlung.“ Denn immer wieder müsse die Stadt – wie auch andere Gemeinden – das Wohnen in Kleingärten unterbinden.
In der Nachkriegszeit zogen Menschen in Gartenhäuser, in Einzelfällen gibt es noch dauerhaft bewohnte Parzellen. „Doch wenn folgende Generationen diese Sonderrechte nutzen wollen, geht das nicht“, sagt Kämpfer. Schließlich seien Wasser- und Stromleitungen nicht für die Dauernutzung ausgestattet. Bei einem Wagenplatz müssten gleiche Regeln gelten: „Wir sind nicht frei, mal zu dulden und mal nicht“, sagt Kämpfer.
Wasser per Kanister, Strom von Solarpaneelen
Aktuell holt die „Schlagloch“-Gruppe ihr Wasser per Kanister von Freund*innen und entsorgt dort Brauchwasser. Strom wird von Solarpaneelen erzeugt. Ihr Verbrauch ist minimal – aber gäbe es einen festen Platz mit Wasserleitung und Strom, könnten mehr Menschen auf diese Art klimaschonend leben: Wäre der Platz legal, würden weitere Interessenten kommen, glauben die Bewohner*innen.
Den Vorwurf der Gruppe, die Stadt ignoriere sie, kontert Kämpfer: „Wir haben durchaus Orte angeboten. Die wurden aber abgelehnt.“ Die Gruppe berichtet, die Standorte seien für die schweren Wagen zu morastig, die Angebote seien daher eher ein Alibi gewesen. Eine Antwort auf ihren offenen Brief hat sie noch nicht erhalten. Kämpfer sagt, dass die Stadtverwaltung auf Rückmeldungen aus den Ratsfraktionen warte.
Leser*innenkommentare
Sonnenhaus
"Wohnen in Kleingärten unterbinden. In der Nachkriegszeit zogen Menschen in Gartenhäuser, in Einzelfällen gibt es noch dauerhaft bewohnte Parzellen. „Doch wenn folgende Generationen diese Sonderrechte nutzen wollen, geht das nicht“, sagt Kämpfer. Schließlich seien Wasser- und Stromleitungen nicht für die Dauernutzung ausgestattet."
Fragt sich nur welche Wasser- und Stromleitungen, die seit dem Krieg bewohnten Gartenhäuser, verwenden. Schließlich halten die bis heute - oder ist an diesen Orten eine Übersterblichkeit zu verzeichnen, aufgrund von gefährlichen oder defekten Leitungssystemen? Das klingt eher nach nicht wollen, oder "dürfen"! „Ich habe nichts gegen alternative Wohnformen, ich lebe selbst in einer“, einer Genossenschaft! Stellt sich die Frage, was daran alternativ sein soll, schließlich existieren diese Wohnformen schon seit 100 Jahre. Der Oberbürgermeister sollte lieber ein Grundstück zur Verfügung stellen, um echte alternative Wohnformen zu ermöglichen. Begleitet mit einer Studie; Sozial-, energie-, oder kommunalwissenschaftlich. Aber vielleicht hat der Oberbürgermeister nur Angst, dass sich aus diesem Wohnkonzept ein zukünftiges "Muss" für sozial schwache herausbildet, das er dann allen Bürgern anbieten muss, seine Wohnbaugenossenschaft aber nicht weis dies umzusetzen; so ganz ohne "kommunalen" Strom-, Wasser- und Abwasseranschluß. Schließlich werden die Bewohner ihre kommunale Abhängigkeit los, und die Monopoleinnahmen brechen weg. Möglicherweise hat die Kommune da in der Vergangenheit etwas falsch gemacht und ihre Bürger auf Dauer mit unnötigen Abgaben belastet? Hinsichtlich der Sonderrechte stellt sich die Frage, ob die nachfolgende Nachkriegsgeneration erst noch einen Krieg erleben muß, damit sie das gleiche Recht bekommt. Dabei übersieht der Oberbürgermeister, dass ein "kleiner" Krieg bereits seit Jahren anhält. Der Wohnungskrieg. Der glückliche Oberbürgermeister hat es nur noch nicht bemerkt, da er sich eine Genossenschaftswohnung leisten kann.