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Warnstreik bei der BVGArbeitskampf für die Verkehrswende

Auch beim zweiten Ausstand unterstützen Fridays for Future die BVG-Beschäftigten. In einer Petition fordern sie mehr Investitionen in den ÖPNV.

Vor der BVG-Zentrale fordern die Beschäftigten bessere Arbeitsbedingungen Foto: dpa | Jörg Carstensen

Berlin taz | Zwischen den Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen von Fridays for Future und den Ar­bei­te­r:in­nen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gibt es mittlerweile nur noch wenig Berührungsängste. Fast schon routiniert sprechen die Ak­ti­vis­t:in­nen am Donnerstagmorgen die Streikenden an, sammeln Unterschriften oder hören einfach nur geduldig zu. „Man müsste die ganze BVG wie einen Becher auskippen und neu strukturieren“, sagt ein 62-Jähriger Busfahrer einem verständnisvoll nickenden Aktivisten. „Man muss ständig für Schichten einspringen. Kein Wunder, dass keiner mehr bei uns arbeiten will.“

Es dürften über tausend Menschen sein, die sich vor der BVG-Zentrale an der Holzmarktstraße versammelt haben. Die Kundgebung bildet den Auftakt zum zweiten Warnstreik. Bis Freitagnachmittag 14 Uhr legen die BVG-Beschäftigten die Arbeit nieder. Ihr Ziel: Deutlich bessere Arbeitsbedingungen, mehr Urlaub und längere Pausenzeiten. Unterstützt werden sie von Fridays for Future, die mit der Kampagne „Wir fahren zusammen“ einen massiven Ausbau des ÖPNV fordern.

Während Verdi mit dem Warnstreik Druck in den Verhandlungen aufbaut, stellen Fridays for Future politische Forderungen. Auf der Bühne übergeben sie eine Petition mit fast 26.000 Unterschriften, die sie in den vergangenen Monaten in Berlin gesammelte haben. Darin fordern sie unter anderem ein umfangreiches Investitionsprogramm für die Verkehrswende und den Ausbau des ÖPNV von 16 Milliarden Euro pro Jahr.

Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) hatte keine Zeit, dafür sind die verkehrspolitischen Sprecher aller demokratischen Fraktionen im Abgeordnetenhaus gekommen. „Selbstverständlich brauchen wir eine starke BVG“, antwortet Johannes Kraft (CDU) etwas gequält auf die Frage, wie er zu der Petition stehe. „Lügner“ ruft ein BVG-Arbeiter, andere klatschen höflich. Am Ende unterschreibt er dann aber doch, wenn auch zögerlich, die Petition.

Politischer Streik?

Derzeit laufen bundesweit Verhandlungen mit den kommunalen Verkehrsbetrieben. Um den Druck zu erhöhen, hat Verdi zu einer „Streik-Woche“ aufgerufen. An jedem Tag sollen dabei Verkehrsunternehmen bestreikt werden. So legten am Mittwoch in Brandenburg die Fah­re­r:in­nen der Uckermärkischen Verkehrsgesellschaft die Arbeit nieder. Den Höhepunkt der Woche bildet am Freitag um 10 Uhr die Großdemonstration von Fridays for Future und Verdi im Invalidenpark in Mitte.

Mit der Kooperation geht Verdi einen Schritt in Richtung politischen Arbeitskampfs, der in Deutschland verboten ist. „Natürlich ist für uns jeder Streik ein politisches Ereignis. Wir lassen uns das Streikrecht nicht nehmen!“, ruft ein Gewerkschaftssekretär auf der Bühne.

Die BVG hingegen kritisiert, Verdi ginge es überhaupt nicht um den konkreten Stand der Verhandlungen, sondern nur darum, die bundesweite Kampagne voranzutreiben. Den angesetzten Verhandlungstermin am Freitag sagte das Unternehmen ab und bezeichnete den Warnstreik als „schlechten Stil“.

Doch eine Einigung ist auch in Berlin nicht in Sicht. Größter Streitpunkt sind die längeren Wendezeiten, eine der Kernforderungen Verdis. Derzeit haben Fah­re­r:in­nen nur vier Minuten am Ende einer Linie. Da bleibt kaum Zeit, um auf die Toilette zu gehen – insbesondere da Verspätungen eher die Regel sind.

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