SPD-Vorstoß zum EU-Lieferkettengesetz: Jusos wagen Rettungsversuch

Jusos und SPD-Linke versuchen das EU-Lieferkettengesetz doch zu retten und machen es zum Thema im Vorstand – samt schmerzhafter Kompromisse.

Luftaufnahme von ganz vielen Containern, die in Reih' und Glied auf einem Ladeplatz stehen

In welcher Kiste steckt die Lösung für die Blockade des EU-Lieferkettengesetzes? Die Jungsozialisten wollen es noch herausfinden Foto: Daniel Reinhardt/dpa

BERLIN taz | Kanzler Olaf Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil haben bereits die Segel gestrichen. Doch Jusos und SPD-Linke wollen sich der FDP und ihrem Nein zum europäischen Lieferkettengesetz noch nicht geschlagen geben. Sie werden auf der Sitzung des Parteivorstands am Montag einen Antrag einbringen, in dem sie die Bundesregierung auffordern, „die FDP von ihrem Blockadekurs abzubringen und der EU-Lieferkettenrichtlinie im EU-Rat zuzustimmen“. Darin schlagen sie, „wenn unbedingt nötig, weil ansonsten keine Mehrheit möglich ist“, auch Abstriche an der geplanten EU-Regelung vor. Dem 35-köpfigen Vorstand gehören auch vier sozialdemokratische Minister*innen, darunter Heil, an. Der taz liegt der Antrag vor.

„Kabinett und Kanzler müssen die FDP auf Linie bringen“, fordert Juso-Vorsitzender Philipp Türmer, die treibende Kraft hinter dem Last-Minute-Rettungsversuch. „Es kann nicht sein, dass die FDP hinter dem Rücken des Kanzlers ihre eigene Europapolitik unabhängig von der Ampel und den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag macht.“ Unterstützung erhält er aus Partei- und Fraktionsspitze und dem EU-Parlament.

Fraktionsvize Matthias Miersch, der den Antrag unterstützt, mahnt: German-Vote, also Enthaltungen in letzter Minute wie auch schon im Fall des EU Verbrenner-Aus, dürfe nicht zum Programm werden. „Es gilt jetzt aktiv einen Kompromiss in dieser wichtigen Frage mit der belgischen Ratspräsidentschaft zu finden.“

Die EU-Lieferkettenrichtlinie, oder wie sie offiziell heißt, das Gesetz für unternehmerische Nachhaltigkeit und Sorgfalt (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD), soll europäische Firmen verpflichten, sich um auf Menschenrechte und Umweltstandards in ihren Zulieferfabriken zu kümmern. Dazu müssen sie vor allem Risiken analysieren und Beschwerden nachgehen. In Deutschland gilt bereits ein entsprechendes Gesetz für Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeiter*innen.

Deutschlands Ruf in Gefahr

Die europäische Richtlinie soll für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz gelten. Firmen, die nicht in der EU sitzen, fallen unter das Gesetz, wenn sie in der EU einen Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro machen.

Die FDP hatte Anfang Februar, kurz vor der entscheidenden Abstimmung im Rat, ihr Veto eingelegt, mit der Begründung das Gesetz belaste mittelständische Unternehmen zu stark. In dieser Pattsituation hätte sich Deutschland bei der Abstimmung enthalten müssen. Andere Länder, etwa Italien, fühlten sich ermutigt und drohten ebenfalls mit Nein. Die belgische Ratspräsidentschaft verschob die Abstimmung auf unbestimmte Zeit.

Die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt sieht Deutschlands Ansehen in Gefahr. „Der Ego-Trip der FDP schädigt Deutschlands Ruf als verlässlicher Verhandlungspartner in der EU.“ In dem von ihr ebenfalls unterstützten Antrag werden die sozialdemokratischen Re­gie­rungs­ver­tre­te­r*in­nen aufgefordert, „alles dafür zu tun, den koalitionsinternen Widerstand zu überwinden.“ Der Antrag enthält neben Appellen auch Kompromissvorschläge, wie etwa die Schwelle der betroffenen Unternehmen auf 1.000 Mit­ar­bei­te­r*in­nen anzuheben und kleinen und mittleren Unternehmen nur reduzierte Berichtspflichten abzuverlangen.

Völlig falsche Behauptungen

Die stellvertretende Parteivorsitzende und schleswig-holsteinische Landeschefin Serpil Midyatli appelliert an die Liberalen: „Es muss auch für die FDP eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir Kinder- und Zwangsarbeit entschieden bekämpfen.“

Die Behauptung der FDP, das europäische Gesetz überlaste deutsche Unternehmen, sei völlig unzutreffend, heißt es im Antrag. Denn fast 80 Prozent der deutschen Unternehmen hielten das Gesetz für umsetzbar. Da in Deutschland bereits ein Lieferkettengesetz gilt, werde nunmehr sichergestellt, dass ausländische Unternehmen keine ungerechten Wettbewerbsvorteile bekommen. „Das Lieferkettengesetz zu verhindern ist auch nicht im Interesse der deutschen Wirtschaft“, meint Sebastian Roloff Mitglied des Parteivorstands und Sprecher der ganz linken SPD-Strömung Demokratische Linke 21. Neben dem DL21 unterstützt auch die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen den Antrag.

Er könnte bereits am Sonntag auf der Sitzung des Präsidiums Thema sein. Diesem gehören neben dem engeren Führungszirkel und drei Vorstandsmitgliedern auch Parlamentspräsidentin Bärbel Bas, Fraktionschef Rolf Mützenich und Bundeskanzler Olaf Scholz als ständige Gäste an.

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