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Angriffe auf Grünen-Politiker*innenDie Zuversicht überwiegt

Parteichef Nouripour beschwört den Zusammenhalt der demokratischen Parteien. Das Aggressionslevel nehme zu.

Wie schützt man die eigenen Parteikolle­g*innen? Omid Nouripour, Parteichef der Grünen Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Wie schützt man die eigenen Par­tei­kol­le­g*in­nen vor rechten Angriffen? Ohne Buhrufe, Pfiffe und Blockaden kommen zurzeit wenige Parteiveranstaltungen der Grünen aus. So auch am vergangenen Samstag, als die Co-Parteivorsitzende Ricarda Lang bei der Abreise einer parteiinternen Veranstaltung in Magdeburg von protestierenden Bauern blockiert worden war.

Aktionen wie diese bestätigen den Trend aus dem vergangenen Jahr. Laut Informationen der Bundesregierung zu Angriffen auf Parteimitglieder in 2023, sind, gefolgt von der AfD, besonders Grünen-Politiker*innen betroffen. Nach den wegen gewaltsamen Ausschreitungen abgesagten politischen Aschermittwoch der Grünen betont der Bundesvorsitzende Omid Nouripour am Montag nach einer Vorstandsitzung der Partei den Zusammenhalt der demokratischen Parteien.

Er habe viele Solidaritätsbekundungen von allen demokratischen Parteien erhalten. Auch wenn die Grünen im Mittelpunkt der Diskussionen stehen würden, verurteile er alle Angriffe auf demokratische Parteien. „Wenn Steine fliegen auf Wahlkampfveranstaltungen von Grünen oder FDP, dann ist das ein Problem für die gesamte Demokratie, nicht nur für uns“, sagt er. Klare Maßnahmen, die seine Par­tei­kol­le­g*in­nen – insbesondere die oft angegangene Co-Vorsitzende Lang – schützen können, benennt er nicht. Man sei im Austausch über Angriffe und Hass vor Ort, doch die Zuversicht überwiege.

„Wir werden uns sicher nicht von Leuten, die uns einschüchtern wollen, einschüchtern lassen; wenn wir den Platz räumen, dann gewinnen die Falschen“, sagt Nouripour. Besonders auf kommunaler Ebene berichten nicht nur grüne Po­li­ti­ke­r*in­nen von Hassnachrichten und Angriffen. Laut einer Befragung der Heinrich-Böll-Stiftung geben 60 Prozent der Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­r*in­nen an, im Jahr 2022 Beleidigungen, Bedrohungen oder Übergriffe erfahren zu haben. Auch der Brandanschlag vor wenigen Tagen auf das Haus des SPD-Lokalpolitikers Michael Müller aus dem thüringischen Waltershausen reiht sich in die Vorkomnisse ein.

Wenn wir den Platz räumen, dann gewinnen die Falschen

Omid Nouripour

Die öffentlichen Solidaritätsbekundungen für die Grünen aus anderen Parteien halten sich in Grenzen. Doch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert teilt auf taz-Anfrage mit: Die freie und uneingeschränkte politische Betätigung unserer demokratischen Mitbewerber sei für die SPD ein unverhandelbares Gut. „Jede Verurteilung der aktuellen Angriffe auf Parteiveranstaltungen der Grünen muss ohne ‚Ja aber‘ auskommen können, weil es nicht um Solidarität mit ihrem Programm geht, sondern um Solidarität unter Demokraten.“

Die FDP verurteilt die gestiegene Aggressivität in der Gesellschaft gegenüber Po­li­ti­ke­r*in­nen ebenfalls. Gewalt gegen politisch Verantwortliche überschreite klar eine Grenze und schade dem Anliegen der Demonstrierenden, sagt ein Sprecher der taz.

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10 Kommentare

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  • Da es hauptsächlich um unsere lieben Bauern geht: vielleicht war es falsch, sofort bei den Protesten umzufallen, hm?

    Warum wird das eigentlich Protest genannt? Ich habe schon protestiert. Das war angemeldet, zu Fuß und ohne dass jemand zu schaden kam.

    Worum es hier geht, sind schlicht strafbare Handlungen, die zumindest ordnungsrechtliche Konsequenzen haben müssten - oder seit wann ist es zulässig, mit dem Traktor überall lang zu fahren? Nur um andere zu stören.

    Indem unsere Regierungshanseln sofort unisono umgefallen sind und quasi alles zurückgenommen haben bei dieser Erpressung - denn nichts anderes ist es -, haben sie einen Präzendenzfall geschaffen, der ihnen jetzt weiter auf die Füße fällt. Die "Protestierenden" haben gesehen, dass sie alles erreichen können indem sie einfach herumrandalieren. Die Polizei schaut stumm zu. Das möchte ich mal bei sinnvollen Forderungen zum - in der Verfassung verankterten - Klimaschutz sehen. Da weht ein anderer Wind.

  • Viele der Demonstrationen finde ich gerechtfertigt, wobei ich manche Aktionen auch etwas zu extrem empfinde. Aber das sind oft Einzelaktionen, die große Mehrheit demonstriert friedlich und vernünftig.



    Diese übertriebenen Einzelaktionen schaden oft dem Anliegen vor allem deshalb, weil sich viele Politiker dahinter verstecken und das ausnutzen um nicht über das eigentliche Problem zu sprechen. Die können sich gerne über die Proteste aufregen, sollten parallel aber auch mal überlegen ob sie nicht vielleicht doch ein wenig Mitschuld an den Problemen haben.

  • Der Kernpunkt dieses Artikels ist diese Aussage "Die öffentlichen Solidaritätsbekundungen für die Grünen aus anderen Parteien halten sich in Grenzen." Das deckt sich mit den Beobachtungen der öffentlichen und medialen Diskussion: die Grünen sind an allem Schuld - sollen sie's doch ausbaden. // Das ist ein sehr eklatantes Zeichen dafür, dass unsere Gesellschaft insgesamt schon nicht mehr in der Balance ist.

  • Wie steht es denn mit der Solidarität der Union? Die Herren Merz und Söder haben ja die Grünen zum Hauptgegner – von manchen offenbar als Hauptfeind verstanden – erklärt und Söders dumm-fiesen Sprüche am Aschermittwoch sind so etwas wie der Startschuss für den Traktoren-Mob.

  • Wer schützt eigentlich die Minderheit vor der Mehrheit ? Bei vielen CDU Legislaturen könnte das ein Problem sein wenn es nicht ständig wechselnde Mehrheiten gibt….

    • @Andreas Geiger:

      "Wer schützt eigentlich die Minderheit vor der Mehrheit ? " Die Verfassung, die Institutionen etc. das macht eine gute Republik aus. Letzter Konsequenz aber gibt es nur eine wirklich effiziente Verteidigungslinie, die Bürger.

    • @Andreas Geiger:

      "Wer schützt eigentlich die Minderheit vor der Mehrheit ?"

      Der Schutz von Minderheiten vor einer Unterdrückung durch die Mehrheit ist das, was eine Demokratie von einer Ochlokratie unterscheidet.

  • "Das Aggressionslevel nehme zu."

    Auch für die Bürger. Vor einiger Zeit noch extreme Verfechterin der Nutzung von ÖPNV meide ich diesen jetzt. In Parks auch mal abends als Frau alleine spazieren gehen zu können, ist vorbei.

    "Gewalt gegen politisch Verantwortliche überschreite klar eine Grenze und schade dem Anliegen der Demonstrierenden, sagt ein Sprecher der taz."

    Diese Aussage finde ich unfreundlich bis fast schon ignorant. Ist die Grenze erst dann überschritten, wenn es Politiker trifft? Weshalb sollen Politiker, also genau die Personen, die die Rahmenbedingungen für unser aller Zusammenleben festlegen, verschont bleiben, wenn der/die normale Bürger/in der Gewalt relativ schutzlos ausgeliefert ist? (Privatschulen für Politikerkinder und Bodyguards lösen nicht jedes Problem.)

    • @*Sabine*:

      Jetzt kommen Sie mal wieder runter. Wir leben weder in Brasilien, noch in Mexiko, oder in Russland. Die meisten Menschen hierzulande haben eher eine gefühlte Unsicherheit, als ein echtes Problem und unsere Politiker schicken ihre Kinder ebenso auf eine normale Schule, wie Unternehmer, Arbeiter, oder Beamte. Alles angereist einfach nur Alternative Blase.

      • @vieldenker:

        Bei dem Argument mit der Schule habe ich wesentlich andere Informationen.



        Was die Aggressionszunahme angeht, sagen schon meine eigenen Erfahrungen, dass sie existiert.



        Mag sein, dass die meisten Menschen diesbezüglich bisher kaum Probleme haben, aber die Zahl der Wenigen wächst merklich.



        Rein gefühlsmäßig ist der Zeitpunkt für "Wehret den Anfängen" vorbei, jetzt geht es um "Kaputt - neu", wenn es auch noch so weh tut.