Parlamentswahlen in Pakistan: Überraschungserfolg der Opposition
Bei den Wahlen holen Kandidat:innen, die dem inhaftierten Ex-Premier Khan nahestehen, die meisten Stimmen. Regieren werden sie wohl aber nicht.
Die Partei war – wie Khan – von der Wahl eigentlich ausgeschlossen worden. Laut Wahlkommission holten unabhängige Kandidaten allerdings 101 von 266 Mandate. Von ihnen stehen 97 der PTI nahe. Der als Favorit gehandelte Nawaz Sharif von der Muslimliga PML-N, ebenfalls ehemaliger Premierminister, holte 76 Sitze. Die Pakistanische Volkspartei PPP liegt mit 54 Sitzen an dritter Stelle.
Pakistan sei ein sehr junges Land, und so kämen bei jeder Wahl viele junge Wähler hinzu. Sie hätten die PTI – beziehungsweise die unabhängigen Kandidat:innen – auf ein Niveau gehoben, das viele überrascht habe, sagt Farhan Zaheer vom Südasien-Institut der Universität Heidelberg der taz. „Viele Menschen in und außerhalb Pakistans dachten, dass die PML-N in der Position wäre, eine Regierung zu bilden“, doch das sei nicht der Fall, erklärt er. Damit steht die Atommacht Pakistan vor einer schwierigen Phase der Regierungsbildung.
Imran Khan meldete sich unterdessen in den sozialen Medien mit einer Siegesrede zu Wort – generiert mithilfe künstlicher Intelligenz. Weil der ehemalige Cricket-Star im Gefängnis sitzt, wurden bereits im Wahlkampf Videos von Ansprachen Khans erzeugt, in denen er gar nicht selbst spricht, sondern ein Computerprogramm auf Basis vorangegangener Reden neue, ultrarealistische Videos generiert. In der Siegesansprache heißt es: „Meine geliebten Landsleute! Indem ihr so zahlreich zur Wahl gegangen seid und von eurem demokratischen Wahlrecht Gebrauch gemacht habt, habt ihr den Grundstein für die Wiederherstellung der Freiheit der Bürgerrechte gelegt“, so der 71-Jährige. Seine Anhänger wurden dazu aufgerufen, den „Erdrutschsieg“, den sie trotz des „harten Vorgehens“ gegen die PTI erringen konnte, zu feiern.
Nawaz Sharif reklamiert Wahlsieg für sich
Wohl noch nie konnte ein Politiker in Pakistan einen solchen Wahlerfolg ohne die Unterstützung der Generäle verzeichnen. Dennoch reklamiert neben Khan auch Hauptkonkurrent Nawaz Sharif den Wahlsieg für sich. Der 74-Jährige ist ein Vertreter der alten Eliten und hat bereits angekündigt, eine Koalitionsregierung bilden zu wollen.
Naheliegend wäre eine Koalition mit der Volkspartei PPP. Dessen Vorsitzender Bilawal Bhutto Zardari – Teil der einflussreichen Bhutto-Familie – zeigte sich vor den Wahlen daran weniger interessiert. Experte Zaheer erkennt darin eine Abneigung, Sharif als Premierminister zu unterstützen. Der war erst kurz vor den Wahlen wieder nach Pakistan zurückgekehrt. Möglich wäre nun auch, so Zahmer, dass Shehbaz Sharif, der jüngere Bruder Nawaz Sharifs, und ebenfalls Ex-Premierminister, das Amt erneut übernimmt. Er amtierte bereits von April 2022 bis August 2023.
„Beide Parteien hätten die Unterstützung des Militärs, wenn sie eine Koalition eingehen würden“, sagt Zaheer. Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass sich die erforderliche Zahl von unabhängigen Kandidat:innen und Lokalparteien dem Bündnis anschließt, um so die Regierung zu bilden. Medienberichten zufolge sollen sich mehrere Unabhängige bereits der Muslimliga angeschlossen haben.
Die Sharifs werden nun versuchen, eine Mehrheit in der Nationalversammlung zu erhalten. Am Sonntag fanden bereits erste Gespräche mit der lokalen Partei MQM-P statt. Die von der PTI unterstützten Kandidat:innen müssen als offiziell Unabhängige bei der Besetzung wichtiger Ämter nicht parteigebunden abstimmen. Parteiwechsel sind ihnen weiterhin möglich.
Khan wird sich nicht kampflos geschlagen geben
Zudem hat die PTI keinen Anspruch auf einen Anteil an den 70 „reservierten Sitzen“ für Frauen und Minderheiten in der Nationalversammlung, die entsprechend der Stimmenzahl der Parteien bei den allgemeinen Wahlen verteilt werden. Die PTI-Führung sondiere derzeit ebenfalls, wie sie die Regierung stellen könne, so ein hochrangiger Berater gegenüber Medien. Khan, dem derzeit über 30 Jahre Haft drohen, wird sich jedoch nicht kampflos geschlagen geben.
Die Wahlen in Pakistan rufen international Besorgnis hervor: Sie waren von Beginn an von Kommunikationssperren, Todesfällen durch Terroranschläge und Manipulationsvorwürfen überschattet. Die EU kritisierte, dass es keine Chancengleichheit gegeben habe, da einige politische Akteure ausgeschlossen wurden. Das US-Außenministerium beklagte, dass die Abstimmung unter unzulässigen Einschränkungen der Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit stattgefunden habe.
„Von fairen und freien Wahlen kann angesichts der Situation in Pakistan nicht die Rede sein“, sagte auch die Grünen-Politikerin Schahina Gambir. Das pakistanische Außenministerium erklärte hingegen selbstbewusst, die Abstimmung sei friedlich und erfolgreich verlaufen.
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