Landratswahl in Dithmarschen: Nazi-Knüppel gegen eigene Leute

Die CDU hatte dem Amtsinhaber vorgeworfen, er wolle sich mit Stimmen der AfD wählen lassen. Dieser Verdacht haftet nun ihrem eigenen Mann an.

Ein Mann im Anzug nestelt an seiner Armbanduhr

Hat es eilig mit der Karriere: Der neue Dithmarscher Landrat Thorben Schütt (CDU) nach seiner Wahl Foto: Christian Charisius/dpa

Thorben Schütt (CDU) ist der neue Landrat von Dithmarschen – hurra, die Demokratie ist gerettet! Oder? Worum ging es eigentlich genau?

Erstens: Es ging nicht, wie andernorts, um die Wahl zwischen ei­ne*r AfD-Kandidat*in und ei­ne*r Ver­tre­te­r*in einer demokratischen Partei. Schleswig-Holstein ist zwar nicht frei von braunem Bodensatz, doch die AfD spielt eine vergleichsweise geringe Rolle. Im Landtag ist sie nicht vertreten, bei den Kommunalwahlen 2023 landete sie bei acht Prozent.

Zweitens: Dass die Öffentlichkeit durch die Augen aller Medien von Bild bis taz gebannt auf die Wahl in der Kleinstadt Heide schaute, lag ursprünglich an einer Mitteilung von Lukas Kilian, Generalsekretär der Landes-CDU. Der warnte, der parteilose Amtsinhaber Stefan Mohrdieck habe nur eine Chance auf Wiederwahl, wenn die AfD für ihn stimme. Angeblich habe die Rechtspartei sich bereits für ihn ausgesprochen, raunte Kilian.

Allerdings: Die AfD verneint, dass es diese Zusage gab, und den anderen Fraktionen des Kreistages ist nichts davon bekannt. Aus welchem Grund also lässt die CDU den Nazi-Knüppel aus dem Sack?

Amtsinhaber hätte Stimmen von CDU oder FDP gebraucht

Im Dithmarscher Kreisparlament sitzen neun Parteien, das Spektrum reicht von der Linken mit einer bis zur AfD mit sechs Mandaten. Die CDU ist mit 21 Sitzen stärkste Fraktion, gefolgt von der SPD mit neun. FDP und Grüne sind ebenso vertreten wie drei Wählergemeinschaften.

Ein Rechenspiel: Hätten CDU und FDP geschlossen für Herausforderer Schütt gestimmt, bräuchte Mohrdieck alle anderen Abgeordneten von ganz links bis ganz rechts, um gleichzuziehen. Dazu müsste der 57-jährige Vater zweier Kinder, der auf dem zweiten Bildungsweg ein Verwaltungs-Studium abschloss, eine Art politisches Super-Chamäleon sein.

Da klingt es wahrscheinlicher, dass der gebürtige Brunsbütteler Mohrdieck, der seit 2018 Landrat ist, für Teile der CDU-Fraktion wählbarer gewesen sein könnte als das CDU-Mitglied Thorben Schütt. Der 33-jährige Jurist, der als selbst ernannter „überparteilicher“ Kandidat antrat, stammt zwar aus Heide, hat aber in Kiel Karriere gemacht, zuletzt leitete er das Büro der Innenministerin. Seine Bewerbung für den Posten reichte er im Dezember 2023 ein.

Wollte der CDU-General die eigenen Leute disziplinieren?

Mal um die Ecke gedacht: Winkte vielleicht der CDU-Generalsekretär mit dem Nazi-Knüppel in Richtung der eigenen Leute, damit die geschlossen für Schütt stimmen?

Wenn ja, ist der Plan richtig schief gegangen. 28 Stimmen, das ist die denkbar knappste Mehrheit, entfielen auf Schütt, 23 auf Mohrdieck, drei Abgeordnete enthielten sich. Hinterher behauptete die AfD, sie habe Schütt gewählt – was sein kann oder auch nicht.

Die CDU hat den Posten gewonnen, aber der Preis ist hoch: Das Theater vor der Wahl hat der AfD-Kreistagsfraktion eine Bedeutung verliehen, die sie zuvor nicht hatte. Der ehemalige Landrat hatte keine Chance auf eine unbeeinflusste Wahl. Und der neue wird nie beweisen können, dass er nicht mit Stimmen von rechts gewählt wurde.

Änderungshinweis: In einer früheren Version des Textes hatten wir geschrieben, dass Thorben Schütt seine Bewerbung im Januar eingereicht hat. Das ist falsch. Die Bewerbungsfrist endete bereits im Dezember 2023.

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Jahrgang 1968. Ist in der taz als Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein zuständig von Flensburg bis Elmshorn, von Fischerei bis Windkraft, von lokalen Streitigkeiten bis Landtagsdebatten. Schwerpunkte: Soziales, Gesundheitspolitik

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