Zugangssperren in U-Bahnhöfen: Vom Zaun zum Kreuz
Um Obdachlose draußen zu halten, wollen Polizei und CDU nach dem Görlitzer Park auch U-Bahnhöfe absperren. Doch das wird nicht funktionieren.
D ie Idee, Obdachlose oder Drogenabhängige im Stadtbild unsichtbar zu machen, elektrisiert. Seit Tagen berichten Berlins Medien über den Vorschlag von Markus van Stegen, Leiter der für Kreuzberg und Neukölln zuständigen Polizeidirektion 5, U-Bahnhöfe mit Zugangskontrollen in Form von Drehkreuzen auszustatten. Am Dienstag frohlockte der Berliner Kurier auf seiner Titelseite: „Experten fordern Drehkreuze gegen Drogen, Elend und Gewalt. Werden Berlins U-Bahnhöfe abgeriegelt?“
Die einfache Antwort darauf lautet: Nein. Das zeigen ähnliche Debatten aus den vergangenen Jahrzehnten ebenso wie das Bemühen von Logik. Trotzdem werden viele Zeilen darauf verwendet, Politiker:innen befragt und Vergleiche mit anderen Städten herangezogen. Dass das Bedürfnis groß ist, sozialen Problemlagen mit Absperrungen zu begegnen, hat zuletzt schon der geplante Zaun um den Görlitzer Park gezeigt. Was sich aber überirdisch zumindest praktisch umsetzen lässt, scheitert unterirdisch an den Gegebenheiten.
Trotz der Berliner Sehnsucht, Weltmetropole zu sein, sind New York, Paris oder Moskau kein Vorbild. Vielen U-Bahnhöfen hier fehlt es schlicht und einfach am Platz, um Sperren einzurichten; man denke nur an die Bahnhöfe der Gründerzeit, etwa auf der U6, deren schmale Treppen von der Straße direkt auf den U-Bahn-Steig führen. Ad absurdum werden Drehkreuze auch durch Aufzüge geführt, die direkt von der Straße auf die Bahnhöfe führen.
Zugangsbeschränkungen setzen eine Zwischenebene voraus, um gefährliche Stausituationen zu vermeiden – und bleiben doch eine Gefahr, etwa im Fall eines Brandes. Ein solcher, im U-Bahnhof Deutsche Oper im Jahr 2000, beendete schon einmal das Vorhaben, Sperren einzurichten. Nicht zuletzt: Die Installation und der Betrieb durch dauerhaftes Stationspersonal würde Unsummen verschlingen, Geld, das in einen funktionsfähigen Fuhrpark oder mehr Fahrer:innen deutlich besser investiert wäre.
Auf all das weisen Verkehrsexpert:innen der BVG oder des Fahrgastverbands hin – aber im Sicherheitsdiskurs zählen selten Argumente. Unterstützung für den Polizeivorschlag kommt wenig überraschend aus der CDU. Man möchte antworten: Wer Drehkreuze will, soll doch Schwebebahnen bauen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Berichte über vorbereitetes Ampel-Aus
SPD wirft FDP „politischen Betrug“ vor
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“