Sicherheit um den Görlitzer Park: Lösungsfiktion und Praxis
Kai Wegner träumt vom schnellen Zaun. Derweil präsentiert der Bezirk ein Projekt, das suchtkranken Obdachlosen ganzjährig eine Unterkunft bieten soll.
Für die Details sind sowieso andere zuständig – überraschenderweise die Senatsumweltverwaltung. Die war zwar nicht an Wegners Sicherheitsgipfel vor drei Wochen beteiligt, nun aber hat sie federführend den Hut auf für eine neue Lenkungsgruppe, die am Donnerstag erstmals zusammenkommt, geleitet von Umweltstaatssekretärin Britta Behrendt (CDU). Eingeladen sind alle Bezirksbürgermeister:innen und ein halbes Dutzend Senatsverwaltungen, um über das Maßrahmenpaket zur Verbesserung der Sicherheitslage im öffentlichen Raum zu sprechen.
Die Sprecherin der Senatsverwaltung für Verkehr und Umwelt, Britta Elm, sagt: „Das geschieht in der besten Absicht, die Situation am Görlitzer Park in den Griff zu bekommen, denn so kann es nicht weitergehen.“ Erst am Dienstagabend gegen 20 Uhr hatte es einen Raubüberfall von zwei jungen Männern auf einen Vater mit seinem erwachsenen Sohn gegeben. Dabei habe einer der Täter den Vater mit einem Messer bedroht und am Bein verletzt. Die Täter erbeuteten Geld und konnten fliehen.
Wird es also beim Treffen der Lenkungsgruppe darum gehen, den Zaun abzusegnen? Britta Elm dementiert: Den Görlitzer Park zu umzäunen und nachts abzuschließen sei eine Idee der Innensenatorin und des Regierenden Bürgermeisters. „Es ist noch keine Entscheidung gefallen, es gibt auch keinen Arbeitsauftrag an eine Firma.“ Womöglich hat sich Wegner mit seiner markigen Ankündigung zu weit aus dem Fenster gelehnt, zumal der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die nächtliche Schließung als schädliche Symbolpolitik ablehnt.
Ungelöste Kompetenzfrage
Ob der Senat überhaupt die Kompetenz an sich ziehen darf, den bereits eingemauerten Park so umzubauen, dass er nachts abschließbar wird, steht dabei in den Sternen.
In der Rechtsabteilung des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg sieht man nur zwei Möglichkeiten: Die Änderung des Grünanlagengesetzes, um den Bezirken die Verfügungsgewalt über ihre Parks zu entziehen – was bisher noch niemand vorgeschlagen hat – oder eine Maßnahme nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz bei einer außerordentlichen Gefahrenlage. Dies aber ginge nur temporär, also eher tageweise, meint man im Rechtsamt. Nimmt der Senat dennoch die Zügel in die Hand, könnte, zumindest von Anwohner:innen, der Klageweg beschritten werden.
Die Pressestelle von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sah sich am Mittwoch nicht in der Lage, die Anfrage der taz zu beantworten. Ob der Zaun notfalls auch gegen den Willen des Bezirks realisiert werde, hatte die taz gefragt und auf welcher Rechtsgrundlage das geschehen könne.
Unterbirngung in der Gerhart-Hauptmann-Schule
Das ist zurzeit die Lage: Alle Welt diskutiert über einen Zaun, der allenfalls dazu beitragen würde, dass sich die Situation in den angrenzenden Wohnbereichen durch Verdrängung des problematischen Klientels weiter verschärft. Das Bezirksamt hat dem Senat am Mittwoch nun die Pistole auf die Brust gesetzt.
Auf einer Pressekonferenz in der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße, keine 100 Meter vom Park entfernt, präsentierte Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) das Projekt „Ohlauer 365“ – ein ganzjähriges Übernachtungsangebot für obdachlose und suchtkranke Menschen. Das Pikante dabei: Das Projekt ist durchgeplant und könnte zusammen mit der Johanniter-Unfall-Hilfe und der Drogenhilfe Fixpunkt sofort realisiert werden. Was aber fehlt, ist die Finanzierung.
Schon jetzt gibt es in den ehemaligen Klassenräumen ein Angebot der Kältehilfe, allerdings nur von Oktober bis April. Zukünftig will man die 88 Betten auch im übrigen Jahr zur Verfügung stellen, mit Sozialarbeiter:innen vor Ort und für eine noch bessere Verzahnung mit den Angeboten der Drogenhilfe, etwa den Konsumräumen in der Reichenberger Straße und am Kottbusser Tor sorgen. Herrmann sagte: „Wir erwarten, dass es für nachhaltige Lösungen auch Finanzhilfen vom Senat gibt.“ Sie werde das Projekt in der Lenkungsgruppe vorstellen.
Der Bezirk könne das Angebot aus eigenen Mitteln nicht stemmen, sagte Sozialstadtrat Oliver Nöll (Linke). Die Kosten beliefen sich über das Jahr auf 1,5 Millionen Euro – ein „Beitrag, den sich Berlin leisten könnte und sollte“, so Nöll und schob hinterher: „Wir brauchen Sozialangebote dringender als mehr Polizei oder einen Zaun.“
Astrid Leicht von Fixpunkt pflichtete bei: Der Görli sei zum „Symbol für Probleme geworden“. Nun wolle man „nicht symbolhaft, sondern praktisch“ etwas an den Verhältnissen ändern. Zugleich zeigte sich Leicht besorgt über die aktuellen Haushaltsverhandlungen, demnach bei Sozial- und Pflegeprojekten, also auch den Druckräumen, eine Kürzung von 3 Millionen Euro, 15 Prozent der bisherigen Leistung, drohe.
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