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Repressionen in BelarusVorwurf Extremismus

Die Polizei und der Geheimdienst KGB führen in Belarus landesweit Razzien und Festnahmen durch. Betroffen sind frühere politische Gefangene und deren Angehörige.

Repression in Belarus nimmt zu, vor allem gegen politische Gefangene und Angehörige, die Frau von Mikalaj Statkewitsch, Marina Adamowitsch, soll festgenommen worden sein Foto: Aleksander Kalka/imago

Berlin taz | In der autoritär regierten Ex-Sowjetrepublik Belarus geht der Terror der Behörden gegen Andersdenkende mit unverminderter Härte weiter. Laut Angaben der belarussischen Menschenrechtsorganisation Vjasna (Frühling) führten Mitarbeiter der Polizei und des Geheimdienstes KGB am Dienstag landesweit Hausdurchsuchungen bei ehemaligen politischen Gefangenen und/oder deren Angehörigen durch.

Laut des russischsprachigen Internetportals insider.ru seien Vjasna mindestens 84 Personen namentlich bekannt, deren Privaträume durchsucht worden seien. Ein Teil von ihnen sei festgenommen worden – manchmal ganze Familien. Einige Personen seien nach dem Verhör nicht nach Hause zurückgekommen.

Der belarussische Dienst von Radio Freies Europa zitiert die Schwester einer festgenommenenen Belarussin, deren Mann aus politischen Gründen in Haft sitzt. „Um sechs Uhr morgens sind sie in das Haus eingebrochen, haben unter den Kindern und Nachbarn Angst und Schrecken verbreitet. Dabei haben sie Gewalt angewandt. Was sie gesucht haben, ist unklar, aber sie haben Telefone und Geräte mitgenommen.“

Laut Vjasna soll den Betroffenen die „Finanzierung extremistischer Gruppen“ sowie die Mitwirkung an Tätigkeiten selbiger vorgeworfen worden sein. Bei besagten inkriminierten Gruppen könnte es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um INeedHelpBY sowie die Belarus Solidarity Foundation (BYSOL) handeln.

Aufenthaltsort unbekannt

Die Initiative INeedHelpBY war 2020 während der Massenproteste gegen die gefälschte Präsidentenwahl am 9. August von Angehörigen der belarussisschen Diaspora in den USA gegründet worden. INeedHelpBY unterstützt Be­la­rus­s*in­nen in ihrem Heimatland, die Opfer von Repressionen geworden sind, und versorgt sie mit notwendigen Produkten.

Auch die Gründung von BYPOL – die Organisation hilft ebenfalls Opfern von Repressionen – mit Sitz in der litauischen Hauptstadt Vilnius geht auf das Jahr 2020 zurück. Im Dezember 2021 wurde die Stiftung als „extremistische Vereinigung“ eingestuft.

Unter den Festgenommen soll sich auch Marina Adamowitsch befinden, die Frau des politischen Gefangenen Mikalaj Statkewitsch. Über ihren derzeitigen Verbleib ist nichts bekannt. Der sozialdemokratische Oppositionspolitiker war 2010 als Kandidat bei der Präsidentenwahl angetreten.

Ein weiterer Versuch endete zehn Jahre später mit seinem Ausschluss von den Wahlen. Am 14. Dezember 2021 wurde Statkewitsch wegen Organisation von Massenunruhen zu 14 Jahren Haft verurteilt. Bereits seit geraumer Zeit gibt es kein Lebenszeichen von Statkewitsch.

„Niemand versteht vollständig, was derzeit im Land passiert. Aber es handelt sich eindeutig um eine Verletzung der Menschenrechte, um verstärkte Unterdrückung und Druck auf die Menschen“, zitiert Radio Freies Europa Alena Masljukowa, die für Vjasna arbeitet. Selbst in der heutigen belarussischen Gesetzgebung gebe es keine Norm, die es verbiete, Lebensmittel mit einer anderen Person zu teilen bzw. Nahrungsmittelhilfe zu leisten oder anzunehmen. Vjasna führt 1.414 Personen (Stand: 24. Januar 2024) als politische Gefangene.

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