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Ludwig und Press & Book kicken „Compact“Weniger Brauntöne im Bahnhof

Andreas Speit
Kommentar von Andreas Speit

Das rechtsextreme Magazin „Compact“ verschwindet aus dem Bahnhofsbuchhandel. Ein Eingriff in die Pressefreiheit, um die Pressefreiheit zu schützen.

Die Grünen sind das Feindbild von „Compact“. Die Cover nutzen Querdenker als Demo-Plakat wie hier in Berlin am 30. Juli 2022 Foto: Stefan Boness

D ie selbst ernannte „Stimme des Widerstandes“ könnte leiser werden. In gut sortierten Bahnhofsbuchhandlungen war Compact, das „Magazin für Souveränität“, schon länger nicht mehr in der Auslage zu finden. In vielen weiteren Zeitschriftenläden am Bahnhof verschwindet es spätestens jetzt aus den Regalen. Das Unternehmen Valora, das 192 Verkaufsstellen betreibt, nimmt Compact aus dem Programm. Und auch das Unternehmen Dr. Eckart wird Compact in seinen mehr als 400 Stellen nicht mehr verkaufen. Mittlerweile zog Lagardère Travel Retail, die unter anderem die Relay-Fillialen in Flughäfen und Bahnhöfen verantworten, nach. Es wird die Verbreitung des Magazins mit einer Auflage von immerhin 40.000 Exemplaren erschweren. Das war nötig.

Bereits 2021 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz das Magazin um Chefredakteur Jürgen Elsässer als gesichert rechtsextremistisch eingestuft: Compact sei das Magazin für und aus dem gesamten rechtsextremen Milieu. Seit 2013 verantwortet Elsässer, der früher mal als Redakteur für Junge Welt arbeitete, das monatlich erscheinende Heft. Ein Querfrontprojekt, wo Linke und Rechte in einen gemeinsamen Dialog treten können, sollte das Magazin ursprünglich werden. Doch schon die „Nullnummer“ zierte ein Bild von Thilo Sarrazin inklusive der wohlwollenden Spekulation darüber, ob er der „nächste Bundeskanzler“ werden könnte. Jüngst hielt die Redaktion mit Sitz im brandenburgischen Falkensee auf dem Cover folgerichtig nun auch Sahra Wagenknecht für „die beste Kanzlerin“.

Die politischen Positionen von Elsässer scheinen sich nach den rechten Ressentiments zu richten, die gerade fluktuieren. So finden sich antiislamischer Hass und rassistische Hetze neben antifeministischen Anfeindungen und antisemitischen Assoziationen. In der verbreiteten Vision eines völkischen Nationalismus sind „die Grünen“ die zentralen Feinde.

Magazin will Regime Change von rechts

Zwei „starke Männer“ werden im Heft dafür stets wohlwollend erwähnt: Trump und Putin. Eine Marktorientierung, die nur noch einer Richtung folgt: immer weiter nach rechts. Ganz frühe Mitstreitende des „Genossen Jürgen“ betonten schon vor Jahren, dass Elsässer das revolutionäre Subjekt „Proletariat“ gegen „Volk“ ausgetauscht habe.

Dass das Magazin einen „Regime Change von rechts“ anstrebt, verheimlicht die Redaktion nicht. Ein Werbe­slogan lautet: „Abonnieren Sie die Revolution“. Die Mobilisierung zum Widerstand ist die Intention der Redaktion. Nicht erst bei den Protesten gegen die staatlichen Coronamaßnahmen hoffte sie die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Jede Anfeindung, jeden Angriff auf die ausgemachten Systemparteien und -presse scheint die Redaktion zu befeuern.

Die Au­to­r:in­nen und In­ter­view­part­ne­r:in­nen sind ein Who’s Who eines Milieus, das sich zwischen rechtsextremen Ressentiments und Verschwörungsnarrativen bewegt. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke kommt ausführlich zu Wort, aber nicht nur das. Die Compact bietet auch einen „Höcke Taler“ an. Der ehre „bedeutende Patrioten“ und sei ein „patriotisches Bekenntnis“. Preis: 69,95 Euro. Auch Alice Weidel findet unter anderem beim haus­eigenen „Compact TV“ statt.

Nur ein rechtes Medium unter vielen

Dass Valora und Dr. Eckart Compact nun endgültig nicht mehr für tragbar halten, könnte vor allem an zwei Autoren des Magazins liegen: Martin Sellner und Mario Müller, beide aus der rechtsextremen Identitären Bewegung kommend. Beide waren Teil des Treffens von Rechtsextremen in Potsdam, dessen Inhalte durch Correctiv-Recherchen öffentlich wurden. Sellner sprach über die „Remigration“, Müller brüstete sich, für eine gewalttätigen Übergriff mitverantwortlich zu sein.

Valora und Dr. Eckart erklären in wortgleichen Pressemitteilungen, dass „die Pressefreiheit an oberster Stelle“ stehen würde: „Wir wollen aber denjenigen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands – und damit auch die Presse- und Meinungsfreiheit – verächtlich machen und darauf abzielen, sie zu überwinden, keine Plattform bieten“.

Ein Eingriff in die Pressefreiheit, um die Pressefreiheit zu schützen: Das ist nicht zwangsläufig ein Paradoxon. In den Bahnhofsbuchhandlungen finden sich jedoch immer noch einschlägige Publikationen, von Zuerst. Deutsches Nachrichtenmagazin bis hin zu Die Kehre. Zeitschrift für Naturschutz. Die gebotene Reaktion des Unternehmens offenbart aber auch, welche Spielräume sich eröffnen, wenn eine „rechtsextremistische Markierung“ besteht. Was würde solch eine bundesweite Markierung wohl für die AfD bedeuten?

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Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
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10 Kommentare

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  • Nein. Einfach nein. Die Entscheidung, eine Publikation nicht mehr im eigenen Laden (oder der eigenen Kette) anbieten zu wollen, verletzt die Pressefreiheit in keinster Weise.



    Es gibt kein Recht darauf, jede Postille flächendeckend - oder überhaupt - im Handel vorzufinden. Pressefreiheit kann nur vom Staat selbst eingeschränkt werden, und der hat mit dieser Entscheidung, das braune Blatt nicht mehr durch Verbreitung zu unterstützen, nichts zu tun.

    • @Anne Pipenbrinck:

      Die These, eine Publikation nicht mehr anbieten zu wollen, verletze die Pressefreiheit in KEINSTER WEISE, ist so absolut nicht haltbar, da Entscheidungen des BVerfG dagegen sprechen.



      In der staatsrechtlichen Theorie geht die herrschende Meinung davon aus, "dass dem Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes eine „mittelbare Drittwirkung“ zukomme, die die Presse nicht nur gegenüber der öffentlichen Gewalt, sondern auch gegenüber dritten, nichtstaatlichen Eingriffen schützt (...)". In ihrem Beschluss vom 26.02.1969 - 1 BvR 619/63 (openjur.de/u/221884.html wesentliche Stellen ab Rn. 36) wurde diese Ansicht verdeutlicht und beispielhaft ausgeführt.



      Ich will und werde jetzt hier nicht versuchen zu argumentieren, dass ein Verstoß gegen die Pressefreiheit vorliegen könnte, dazu unterscheiden sich die Fälle zu sehr und es müssten wohl weitaus mehr Zeitschriftenhändler den Verkauf von "Compakt" einstellen, um überhaupt von einem Boykott reden zu können. Auch gibt es heute unabhängige und weitreichende Mittel des Direktvertriebes (z.B. online), auf die das BVerfG zur damaligen Zeit nicht eingehen konnte (da es sie so noch nicht gab). Ich möchte nur - cum grano salis - zu etwas mehr Vorsicht mit verabsolutierten Ansichten raten, denn da zieht das BVerfG gerne, sehr gerne gelegentlich einen Strich durch die zu einfache Rechnung.

      • 0G
        09399 (Profil gelöscht)
        @Cerberus:

        Eine Klage von Compact gegen die Einstellung des Vertriebs durch zwei Vertriebsunternehmen wird vermutlich in erster Instanz abgewiesen. Ihr Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts geht in die falsche Richtung, weil im hier vorliegenden Fall von den Vertriebsunternehmen keinerlei Druck auf Zeitschriftenverkäufer ausgeübt wurde, wie das im historischen Beispiel der Fall ist. Also: Keine Angst vorm Bundesverfassungsgericht, Nazi-Magazine überall aus dem Programm nehmen.

  • "Ein Eingriff in die Pressefreiheit, um die Pressefreiheit zu schützen"



    Ein weit verbreiteter Irrtum. Wenn ein privater Akteur eine bestimmte Zeitung nicht mehr vertreibt, ist das _kein_ Eingriff in die Pressefreiheit. Es gibt kein Recht auf Verkauftwerden für irgendwen.



    Ein Eingriff in die Pressefreiheit wäre es, wenn der Staat das Erscheinen einer Zeitung verbieten würde.



    Diese Unterscheidung hätte ich in einer Zeitung dann doch erwartet.

  • Wieso Eingriff in die Pressefreiheit? Der Druck dieses Magazins wird doch nicht verboten. Und es gibt auch kein Gesetz, das Händlern vorgeschrieben wird, alles an Gedrucktem anzubieten, was auf dem Markt ist - sonst müsste man bei Aldi auch Mao-Bibel finden.



    Jeder Händler darf frei entscheiden, was er anbietet - oder halt nicht anbietet.



    Das ist auch eine Freiheit!

    Gut - den restlichen erwähnten Quark sollten sie auch rauswerfen.

  • "Ein Eingriff in die Pressefreiheit, um die Pressefreiheit zu schützen." Irgendwie widersinnig oder nicht? Wer den Unsinn in Compact lesen will, soll das auch können. Das nennt man Demokratie.

    • @Petronius der Jüngere:

      "Das nennt man Demokratie."



      Nein. Meinungsfreiheit.



      Demokratie ist das Zeug mit den Wahlen und so.

  • Was heisst hier Eingriff in die Pressefreiheit? Nicht jede Meinung kann toleriert werden oder hat ein Recht auf Publikation. Toleranz ist ein Vertrag, der nur bindend ist, wenn sich alle Vertragspartner daran halten. Wer Ausgrenzung, Hass und Abschaffung der Demokratie fordert hat diesen Vertrag gekündigt.

  • Es ist überhaupt kein Eingriff in irgendeine Pressefreiheit, wenn ein wirtschaftliches Unternehmen bestimmte Produkte nicht mehr verkaufen möchte. Dass man hier den Rechten das Opfer-Narrativ bestätigt und Grundrechte beschnitten sieht, wo es einfach nur um Vertragsfreiheit geht, ist schon sehr verwunderlich.

  • War eigentlich lange überfällig. Der Elsässer ist ja kein neuer Extremist.