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Bundestag berät über Haushalt„Schockwellen in Afrika“

Entwicklungsorganisationen warnen vor den geplanten Kürzungen bei der Armuts- und Hungerbekämpfung. Die Folgen wären gravierend.

Lebensmittel aus Deutschland: Die Welthungerhilfe liefert in die Republik Kongo Foto: C. Kaiser/imago

Berlin taz | Vor der entscheidenden Sitzung des Haushaltsausschusses, der Bereinigungssitzung am Donnerstag, schlagen Entwicklungsorganisationen Alarm. Grund sind die von der Bundesregierung beabsichtigten Kürzungen bei Entwicklungszusammenarbeit und Armutsbekämpfung um fast 2 Milliarden Euro.

Die Auswirkungen der beabsichtigten Kürzungen seien so tiefgreifend, dass sie „Schockwellen in ganz Afrika auslösen“ würden, heißt es in einem offenen Brief mehrerer Organisationen an Abgeordnete, darunter One, Oxfam und das African Center for Economic Transformation. „Sie gehen über die unmittelbare wirtschaftliche und soziale Ebene hinaus und berühren internationale Zusammenarbeit und Solidarität.“

Allein im Haushalt des Entwicklungsministeriums sollen der Vorlage nach für die Bereinigungssitzung knapp 1 Milliarde Euro wegfallen. Dies entspräche fast einem Zehntel des bisherigen Gesamtetats von 12,1 Milliarden Euro. Beim Auswärtigen Amt sollen zudem 800 Millionen Euro und im Bundeswirtschaftsministerium weitere 200 Millionen Euro eingespart werden, die für die Bekämpfung von Hunger, Klimawandel und für Bildung und wirtschaftliche Zusammenarbeit bestimmt waren.

Eine Sprecherin des von Svenja Schulze (SPD) geführten Bundesentwicklungsministeriums sagte der taz: „Die für die Einsparvorgaben notwendigen Einschnitte sind schmerzhaft und werden in vielen Bereichen zu spüren sein.“

Besonders gravierend sind die Kürzungen bei den Zuschüssen für internationale Organisationen. Die Mittel für das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen sollen um 30 Millionen Euro und damit um fast 40 Prozent gekürzt werden. Hier zählt Deutschland zu den wichtigsten Geberländern. In diesem Jahr sollen aus dem Etat des Entwicklungsministeriums nur noch 48 statt 78 Millionen Euro wie im vergangenen Jahr an das WFP gehen.

Die Mittel des Entwicklungsministeriums sollen Hunger langfristig und vorausschauend bekämpfen und etwa neue Anbaumethoden fördern. Das Auswärtige Amt unterstützt dagegen akute Maßnahmen, wie die häufig lebensrettende Hungerhilfe. Insgesamt soll das Auswärtige Amt in diesem Jahr fast eine halbe Milliarde Euro weniger für humanitäre Hilfe ausgeben.

333 Millionen Menschen hungern weltweit

Die Kürzungen bei humanitärer Hilfe und in der Entwicklungszusammenarbeit träfen das Welternährungsprogramm hart, so Martin Frick, Direktor des WFP-Büros für Deutschland, Österreich und Liechtenstein. „Schon jetzt stehen in der Hälfte unserer Einsätze Kürzungen an oder mussten bereits umgesetzt werden. Nun müssen unsere Hilfsprogramme noch weiter zurückgefahren werden.“ Weltweit hungerten derzeit 333 Millionen Menschen akut. Frick fürchtet: „Wenn Deutschland an dieser Stelle spart und sich zurückzieht, werden andere dasselbe tun.“ Dann gerate das Fundament der internationalen Hilfe ins Wanken.

Sparen will die Bundesregierung künftig auch bei der Unterstützung für Länder im Globalen Süden, die Geflüchtete aufnehmen (minus 41 Millionen Euro), bei multilateralen Hilfen zum Klimaschutz (minus 30 Millionen Euro) oder bei der Transformationen der Agrar- und Ernährungssysteme (minus 20 Millionen Euro).

Die Bundesregierung lasse mit ihren radikalen Sparplänen jedes Augenmaß vermissen, kritisiert Stephan Exo-Kreischer, Europa Direktor von One, einer internationalen Hilfsorganisation. „Ich habe den Eindruck, die Bundesregierung hat dem teils populistischen Druck nachgegeben und in der Folge das Interesse an der Bekämpfung von Armut und Hunger in der Welt verloren.“ Exo-Kreischer befürchtet: „Das wird uns teuer zu stehen kommen. Alles, was wir heute vermeintlich sparen, zahlen wir morgen doppelt und dreifach drauf.“

Kürzungen könnten zu mehr Fluchtbewegungen führen

Im Gespräch mit der taz warnte er davor, dass die Kürzungen auch dazu führen können, dass noch mehr Menschen aus von Hunger und Krisen betroffenen Ländern und Regionen fliehen. Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel ursprünglich versprochen, die Ausgaben für Krisenprävention, Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe im Maßstab 1:1 wie die Verteidigungsausgaben zu steigern.

Dass dieses Versprechen gebrochen wurde, hält Exo-Kreischer für fatal. „Es wird keine nachhaltige Sicherheit geben ohne Investitionen in Zukunftsperspektiven. Wenn Menschen keine Perspektive für sich und ihre Kinder sehen, wird das immer für Unsicherheit sorgen. Oder um es mit Willy Brandt zu sagen: ‚Wer den Krieg ächten will, muss den Hunger bekämpfen.‘“

Als Alternative zu den Sparvorschlägen der Regierung schlägt Exo-Kreischer vor, verstärkt klima- und umweltschädliche Subventionen abzubauen, aber auch, die Schuldenbremse zu reformieren. „Wir müssen uns fragen, ob die Rahmenbedingungen, die wir uns vor Jahren gegeben haben, heute noch angemessen sind. Oder ob wir uns und zukünftigen Generationen nicht sehr viel mehr schaden, wenn wir jetzt an den falschen Stellen sparen.“

Die Linke im Bundestag fordert, den historischen Kürzungshammer für die Ärmsten der Armen dieser Welt zurückzunehmen und nicht nur die Schuldenbremse zu überarbeiten, sondern auch eine Übergewinnsteuer für Krisenprofiteure und eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. „Das Geld für die internationale Verpflichtung, 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für die Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, ist in Deutschland einzig und allein eine Frage der gerechten Umverteilung, also des politischen Willens“, sagte Cornelia Möhring, Sprecherin für Globale Gerechtigkeit und Entwicklung für die Linke im Bundestag.

Auch Möhring kritisiert die Kürzungen, die ja nicht die ersten sind, als „schlicht verantwortungslos.“ „In Zeiten globaler Krisen unfassbar, aber am Ende ihrer Regierungszeit wird die Ampel die Gelder für Entwicklungszusammenarbeit in nur vier Jahren um knapp 25 Prozent zusammengestrichen haben, die humanitäre Hilfe um fast ein Drittel“, so Möhring. Der Bundestag will den Haushalt Anfang Februar beschließen.

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7 Kommentare

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  • Nach meinem Kenntnisstand wurde 2015 die "Flüchtlingskrise" in Griechenland und Deutschland dadurch ausgelöst, dass die Versorgung von Flüchtlingen in Flüchtlingslagern im Nahen Osten unter das Existenzminimum sank.



    www.faz.net/aktuel...urde-13900101.html

    Obwohl die Vereinten Nationen monatelang darüber informiert hatten, bekamen sie von den reichen Ländern der Ersten Welt nicht genug Geld, um zu verhindern, dass Menschen in den Flüchtlingslagern hungerten und verhungerten.



    Die Vereinten Nationen mussten sogar Lebensmittellieferungen einschränken und einstellen, weil ihnen das notwendige Geld fehlte.

  • "aber auch die Schuldenbremse zu reformieren"

    Da sehe ich keinerlei Chance wenn ich auf das Spektrum der Oppositionsparteien schaue: CDU, CSU und FDP sind dagegen. Spannend wäre vielleicht, die Geschichte nochmal aufzuarbeiten, wie sie damals völlig unberechtigt in die Verfassung gschrieben werden konnte.

  • Sollen sie sich doch von ihrem Retter China helfen lassen... Moment mal die haben ja Forderungen an ihre Investitionen.

  • "Kürzungen könnten zu mehr Fluchtbewegungen führen"



    Genau das ist es, was man der Politik schon lange vorwerfen muss: die FluchtURSACHEN zu bekämpfen, nicht die Menschen. Und nun kommt es offenbar noch viel schlimmer, man verstärkt diese Gründe seine Heimat zu verlassen nur um überleben zu können. Was für ein erbärmlicher Gedanke! Hauptsache wir halten die Schuldenbremse ein und vielleicht könnten wir ja auch für diese Menschen beten. Das wär' doch eine wirksame Hilfe....

    • @Perkele:

      Vielleicht kommt Lindner ja eines Tages in die Situation, am Verhundern zu sein und kein Geld in der Tasche für etwas zu essen zu haben. Und dann müsste er sich Geld leihen (->Schulden machen), um etwas zu essen kaufen zu können, aber das geht ja nicht wegen Schuldenbremse ...

      Ich kondoliere schon mal präventiv ...

  • Hunger kann mit Gerechtigkeit und Entkolonisierung am besten bekämpft werden.



    Es darf einfach nicht mehr sein, dass man Rohstoffe klaut und allerhöchstens einem Diktator ne Million rüberschiebt.



    In Mali zB wurde noch kein einiges Kilo Gold BEZAHLT. Statt dessen steht am Eingang zum Minendorf ein Schild: "US-Aid, Bread for Gold" Foto kann nachgereicht werden.

    • @Mohammed Wasiri:

      -> Kapitalismus. Wird nicht passieren.