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Strategiewechsel bei Letzter GenerationDie Hände frei

Die Letzte Generation will keine Straßen mehr blockieren. Sie sagt: Durch die große Zahl an Un­ter­stüt­ze­r*in­nen habe sie jetzt andere Optionen.

CO2-Handabdruck: Blockade der Letzten Generation in Prenzlauer Berg, September 2023 Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Die Letzte Generation will sich von ihrem Markenzeichen trennen: dem Protest per Straßenblockade, um die Bundesregierung zum Erhalt eines lebenswerten Klimas zu bewegen. „Vor zwei Jahren haben 24 Menschen das erste Mal eine Straßenblockade gemacht und sich festgeklebt“, schreiben die Ak­ti­vis­t*in­nen in einer Mitteilung mit der Überschrift „Neue Strategie für 2024“.

„Das Festkleben war wichtig, um nicht direkt von der Straße gezogen zu werden und somit unignorierbar protestieren zu können.“ Seitdem habe sich die Anzahl der Protestierenden bei der Letzten Generation verhundertfacht. Das eröffne neue Möglichkeiten. „Das Kapitel des Klebens und der Straßenblockaden endet damit.“ Tausende Gerichtsverfahren wurden wegen der illegalen Aktionen bundesweit gegen die Ak­ti­vis­t*in­nen angestrengt.

Ihre Kritik an der Bundesregierung hält die Bewegung aufrecht. „Obwohl Grundgesetz und internationale Verträge weiteres Zögern verbieten, entscheiden sich Menschen mit viel Gestaltungsmacht und Geld in unserem Land, den politischen Kurs der Zerstörung weiter aufrechtzuerhalten“, heißt es. „Ob aus Angst vor Veränderung oder aus zynischem Eigennutz – darüber lässt sich nur spekulieren.“

Deutschland hat 2023 deutlich weniger Kohlendioxid ausgestoßen als im Vorjahr, wie eine Analyse des Thinktanks Agora Energiewende in einer vorläufigen Schätzung gezeigt hat. Um knapp 10 Prozent sind die klimaschädlichen Emissionen demnach zurückgegangen. Sie lagen im vergangenen Jahr bei 673 Millionen Tonnen CO2, der niedrigste Stand seit den fünfziger Jahren. Aber: Im weltweiten Vergleich gehört Deutschland damit immer noch zu den CO2-Schwergewichten.

Produktion nicht klimafreundlicher, sondern weniger

Und die Einsparungen sind nur zum Teil auf politisch gesteuerten Klimaschutz zurückzuführen, also etwa den Umstieg auf erneuerbare Energien. Ungefähr die Hälfte der Emis­sions­minderungen geht laut Agora auf kurzfristige Effekte zurück, teilweise sogar auf unbeabsichtigte. Die Industrie hat zum Beispiel nicht unbedingt klimafreundlicher, sondern vor allem weniger produziert. Der Energieverbrauch war entsprechend gering, die Emissionen sanken. Verbessert sich die Wirtschaftslage wieder, könnte der Effekt dahin sein.

Derweil überschlagen sich weltweit die Temperaturrekorde, wie es die Klimawissenschaft seit Jahrzehnten für den Fall vorhersagt, dass die Menschheit den Ausstoß von Treibhausgasen nicht stoppt. Das vergangene Jahr war so heiß wie kein anderes seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Im globalen Schnitt überschritten die Temperaturen das typische Niveau von vor der klimaschädlichen Industrialisierung laut dem EU-Klimawandeldienst Copernicus um 1,48 Grad. Die Grenze von 1,5 Grad, bei der die Erderhitzung laut Pariser Weltklimaabkommen möglichst stoppen soll, liegt also gefährlich nahe. Neben dem Klimawandel spielen dabei auch natürliche Faktoren wie das temporär wärmende Klimaphänomen El Niño eine Rolle. Zahlreiche zerstörerische Wetterereignisse stehen allerdings schon nachweislich mit der Klimakrise in Verbindung, etwa die extreme Dürre in Amazonien vergangenes Jahr, die Ahrtal-Katastrophe und praktisch jede Hitzewelle.

Ganz an den Nagel hängt die Letzte Generation ihren Protest deshalb nicht. „Von nun an werden wir in anderer Form protestieren – unignorierbar wird es aber bleiben“, schreiben die Aktivist*innen. Ab März soll es weitergehen. Dann werde die Gruppe zu „ungehorsamen Versammlungen im ganzen Land“ aufrufen. Was damit genau gemeint ist, wollen die Ak­ti­vis­t*in­nen allerdings noch nicht verraten. „Lassen Sie sich überraschen, aber es wird unüberhörbar sein“, sagte eine Sprecherin der Gruppe auf Nachfrage.

Die Unterstützung für die Klima- und Umweltbewegung in Deutschland hat sich halbiert, seit die Letzte Generation mit ihren Straßenblockaden begonnen hatte. Das hat im vorigen Jahr eine Umfrage der Organisation More in Common ergeben, die dieselben Fragen auch schon zwei Jahre zuvor gestellt hatte. Damals hatten noch 68 Prozent der Befragten erklärt, dass die Klima- und Umweltbewegung ihre grundsätzliche Unterstützung habe. Im Mai 2023 waren es nur noch 34 Prozent. Das Ergebnis lässt keinen kausalen Schluss zu. In dieselbe Zeit fällt beispielsweise das umstrittene Heizungsgesetz der Ampelregierung oder die Energiekrise infolge von Russlands Krieg in der Ukrai­ne. Ob die Letzte Generation nun im Alleingang die ganze Klimabewegung um ihre Beliebtheit gebracht hat, lässt sich also schwer sagen. Dass sie selbst kaum Unterstützung hat, macht die Umfrage aber deutlich: 85 Prozent gaben darin an, sie hätten eher kein Verständnis für die Straßenblockaden der Klimaschutzgruppe.

Die soll es nun also nicht mehr geben­, stattdessen die „ungehorsamen Versammlungen“. Außerdem will die Letzte Generation „die Verantwortlichen für die Klimazerstörung in Zukunft verstärkt direkt konfrontieren“. Das bedeute zum Beispiel, Po­li­ti­ke­r:in­nen und andere Ent­schei­de­r:in­nen öffentlich zur Rede zu stellen. Daneben wollen die Ak­ti­vis­t*in­nen für ihren Protest „verstärkt Orte der fossilen Zerstörung“ auswählen und nennen als Beispiele Ölpipelines, Flughäfen oder das Betriebsgelände von Energiekonzern RWE.

Genau genommen haben sie das vorher schon: Der Autoverkehr, den die Ak­ti­vis­t*in­nen durch ihre Straßenblockaden behindert haben, gehört zu den großen Problemfeldern der deutschen Klimapolitik.

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