Kinotipp der Woche: Immer mit der Bahn
Bewegt im Bewegtbild und fast schon ein eigenes Genre: Die Filmreihe „Einsteigen bitte!“ im Zeughauskino zeigt Zugfilme aus 100 Jahren.
Das Fahren mit dem Zug in Deutschland ist ja schon lange nichts mehr, was man mit positiven Emotionen verbindet. Verspätungsexzesse und unfähige Verkehrsminister haben dafür gesorgt, dass man sich über die Bahn nur noch entweder schrecklich aufregt oder über sie Witze macht. Der Satz „Ich bin zufrieden mit der Deutschen Bahn“ ist sicherlich so rar wie die Aussage „Ich bin zufrieden mit der Politik der Ampel-Regierung.“
Deswegen kommt die wunderbare Filmreihe „Einsteigen bitte!“, die vom 3. Februar bis zum 3. März im Zeughauskino läuft, gerade zur richtigen Zeit, um zu zeigen, dass man die Bahn trotzdem noch nicht aufgeben sollte. Man braucht sie ja schließlich noch für die Verkehrswende und vielleicht wird das irgendwann sogar auch ein für diese zuständiger Minister kapieren.
In den kuratierten Filmen – alles deutsche Produktionen aus den letzten 100 Jahren – wird die Liebe oder zumindest Nähe des Kinos zur Bahn dokumentiert. Zugfilme sind ja schon fast ein eigenes Genre.
Ähnlich wie Roadmovies zeigen sie wechselnde Landschaften und vermitteln gerne ein gewisses Gefühl von Freiheit – spielen aber gleichzeitig in beengten Zugabteilen, so auch „Rheingold“ (1978) von Niklaus Schilling und zeigen allein schon dadurch, dass das Versprechen, sich ungebunden voran bewegen zu können, oft so illusionär ist wie der Traum vom zwanglosen Leben im größten aller Roadmovies, der traurigen Biker-Ballade „Easy Rider“.
Einsteigen bitte! Deutsche Filmgeschichte auf Schienen: 3. Februar bis 3. März im Zeughauskino
„Rheingold“ handelt von Elisabeth, die mit einem Diplomaten verheiratet ist und in den besseren Kreisen verkehrt. In der Welt, in der sie sich bewegt, hat sie schön zu sein und möglichst keine eigene Meinung zu haben.
Im Zug „Rheingold“, der durch die schönen Landschaften im Rheintal mit all den pittoresken Burgen fährt, trifft sie ihren alten Schulfreund Wolfgang wieder, der in dem Zug als Speisewagenkellner arbeitet. Die beiden beginnen eine leidenschaftliche Affäre und reisen immer und immer wieder gemeinsam im „Rheingold“. Aber ihr Glück werden die beiden nicht finden.
Regisseur Niklaus Schilling zeigt die alte BRD, in der Frauen von ihren Männern noch klar gemacht wurde, wo ihr Platz ist. Der Zug „Rheingold“ wird bei ihm zur perfekten Verkörperung einer traditionsseligen Gesellschaft samt ihren Standesdünkeln. Wer hier in der Ersten Klasse fährt, blickt unbedingt herab auf jemanden, der wie Wolfgang seinen Speisewagen durch den Zug schiebt.
Die Reihe „Einsteigen bitte!“ ist aber nicht nur eine Reise durch die Bahnstrecken der BRD, sondern es wird auch etwa der DDR-Spielfilm „Kaskade rückwärts“ (1984) und eine ganze Reihe an Dokumentationen über die Deutsche Reichsbahn der DDR gezeigt.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Filme aus dem Dritten Reich sind ebenfalls zu sehen, etwa der erstaunliche Industriefilm „Das Stahltier“ (1934). Dessen Regisseur Willy Zielke hat ganz offensichtlich bei Sergei Eisensteins Werken studiert, wie man mit der Technik der Bildmontage eindrucksvolle Sequenzen schaffen kann und zeigt sich als großer Meister in dieser Disziplin. Die die Reichsbahn verbot den Film.
Der Zug im „Dritten Reich“, zu diesem Thema würden einem auch noch ganz andere Aspekte einfallen. Aber „Einsteigen bitte!“ ist eindeutig als Hommage auf die Eisenbahn konzipiert, weswegen Filme, in denen Menschen in Viehwaggons in Richtung Auschwitz rollen, hier nicht vorkommen. Dass die Züge sogar als die eigentliche Stars betrachtet werden sollen, zeigt sich allein schon daran, dass auf der Homepage des Zeughauskinos bei jedem Film die genaue Typenbezeichnungen der jeweils zu sehenden Schienenfahrzeuge aufgeführt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!